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US-TV-Anbieter
Sinclair Group - die unterschätzte Medienmacht

Die großen Akteure auf dem US-Fernsehmarkt kennt man: CNN oder den politischen Gegenpart Fox News. Unterschätzt wird aber der Einfluss der Lokalsender. Wie die Sinclair Broadcast Group, die Beobachter als „gefährlichstes Medienunternehmen in den USA“ bezeichnen.

Von Heike Wipperfürth |
    Auf der internationalen Funkausstellung sind viele Bildschirme zu sehen
    Die Sinclair Broadcast Group ist mit 192 Fernsehsendern in 89 kleineren Städten das größte Lokalfernsehimperium in den USA (dpa / picture alliance )
    Kürzlich auf einer Investorenkonferenz der Deutschen Bank in New York:
    "Wir sind natürlich enttäuscht, dass der Deal mit Tribune Media nicht zustande gekommen ist", kommentierte Christopher Ripley, der Leiter der Sinclair Broadcast Group, das größte Fiasko in der Geschichte des konservativen Medienkonzerns aus Maryland: das Scheitern der Übernahme von 42 Fernsehsendern des Rivalen Tribune Media Company für 4 Milliarden Dollar im August.
    Der Aktienpreis der börsennotierten Sinclair Broadcast Group mit 8.400 Mitarbeitern und 2,7 Milliarden Dollar Umsatz brach ein. Und der Traum, seine Marktdominanz im Lokalfernsehen auf 70 Prozent aller Zuschauer auszuweiten, ein Konkurrent von Fox News und ein nationales Sprachrohr der Trump- Regierung zu werden, ist erst einmal geplatzt. Doch das kann sich schnell wieder ändern, versprach Sinclair-Chef Ripley seinen Zuhörern in New York.
    "Es gibt viele andere Übernahmemöglichkeiten. Darunter befindet sich auch ein großer Deal".
    "Gefährlichstes Medienunternehmen in den USA"
    Tatsächlich ist Sinclair mit 192 Fernsehsendern in 89 kleineren Städten wie Boise und West Palm Beach das größte Lokalfernsehimperium in den USA. Seine Sender erreichen fast 40 Prozent aller Zuschauer.
    Wie wichtig das Lokalfernsehen für Amerikaner ist, lässt sich in einer Studie des Pew-Forschungszentrums nachlesen: Für 50 Prozent von ihnen bleibt es die dominante Informationsquelle. Und mit 76 Prozent vertrauen mehr Amerikaner ihrem Lokalsender als ihren Freunden oder der Familie.
    Beste Bedingungen für Sinclair, das unter liberalen Medienexperten und Verteidigern der Medienvielfalt als Propagandainstrument der Trump-Regierung gilt. Auch Michael Copps, ein Medienexperte und ehemaliges Mitglied der US-Medienbehörde Federal Communications Commission, kurz FCC, nimmt kein Blatt vor den Mund.
    "Ich finde, Sinclair ist das gefährlichste Medienunternehmen in den USA, das niemand kennt".
    Und zwar nicht nur, weil es während der Präsidentschaftswahlen Trumps Botschaften klar bevorzugt hat. Obwohl jeder lokale Sender sein eigenes Programm hat, in dem er über Nachrichten, Sport und das Wetter in seiner Gegend berichtet, sind einige der Berichte doch zentral gesteuert. So erregten Moderatoren im April mit völlig gleich gesprochen Warnungen vor sogenannten `Fake News´ der anderen Medien Aufmerksamkeit.
    Als die Blog-Webseite Deadspin die Stimmen von über 30 Moderatoren übereinanderlegte und in einem Video veröffentlichte, verteidigte Sinclair die Aktion als "faktenbezogene Berichterstattung". Liz Wahl, eine TV Moderatorin, die den russischen Sender RT vor vier Jahren wegen seiner Putin-Propaganda verließ, ist anderer Meinung:
    "Es ist schon sehr merkwürdig, dass Sinclair ähnliche Methoden wie das russische Staatsfernsehen anwendet. Dort heißt es schon seit Jahren: Höre nicht auf andere Medien. Dabei ist alles nur Propaganda."
    Sichere Werbekunden aus der Region
    In 47 Jahren wuchs die von Julian Sinclair Smith gegründete Fernsehstation unter der Aufsicht seiner Söhne zu einem Medienunternehmen mit einem Börsenwert von 3 Milliarden Dollar – nach einer einfachen Erfolgsformel, sagt Lewis Friedland, ein Journalismusprofessor an der Universität von Wisconsin:
    "Sinclair kauft einen Sender und reduziert die Kosten. Die Qualität der Berichterstattung lässt nach, aber die Werbeeinnahmen bleiben hoch, weil jeder lokale Autohändler oder jedes Lebensmittelgeschäft auch weiterhin Reklame auf dem Sender macht. In Wahljahren verdienen sie mit politischen Werbesendungen noch viel mehr Geld."
    Weiter so, hieß es bei Sinclair. Bis das Scheitern der Übernahme der 42 Fernsehsender von Tribune Media in Metropolen wie New York und Chicago die Expansionspläne bremste, obwohl die US-Medienbehörde FCC der Fusion zugestimmt und sogar die Regeln gelockert hatte, damit die Mega-Übernahme nicht gegen das Wettbewerbsrecht verstößt.
    So wäre es zu der Fusion gekommen, wenn Sinclair einige seiner Fernsehsender an andere verkauft hätte. Stattdessen verkaufte es die 20 Sender an enge Verbündete und Unternehmen, in denen Sinclair Anteile besaß – und so immer noch an ihnen beteiligt war.
    Die FCC entschied, den Deal von einem Richter überprüfen zu lassen und versetzte ihm so den Todesstoss, sagt Lewis Friedland.
    "Ajit Pai, der Leiter der FCC ist sehr ehrgeizig und hat noch viel vor. Er hat Sinclair sehr geholfen. Aber als er merkte, dass sich die Stimmung gegen Sinclair immer mehr verdunkelte, hat er die Konsequenzen gezogen".
    Sinclair sucht bereits nach neuen Wachstums- und Übernahmemöglichkeiten. Noch in diesem Jahr will es einen Streaming Service starten. Rund um die Uhr. Es strebt die Übernahme von 14 lokalen Fernsehsendern in neun Bundesstaaten mit 31 Millionen Zuschauern an. Und will sich regionale Sportskanäle von 21st Century Fox einverleiben. Sein Traum, ein Rivale von Fox News zu werden, lebt weiter – trotz oder gerade wegen der Einigkeit im Geiste der beiden Trump-Freunde in der US-Medienwelt.