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US-Universitäten
Aktionsplan gegen sexuelle Gewalt

Schätzungen zufolge wird eine von fünf amerikanischen College-Studentinnen im Laufe ihres Studiums Opfer sexueller Gewalt. Die US-Regierung hat jetzt Namen von 55 Hochschulen veröffentlicht, die beschuldigt werden, Fälle sexueller Gewalt nicht angemessen behandelt zu haben. Darunter sind auch Spitzen-Unis wie Harvard, Berkeley und Princeton.

Von Marcus Pindur |
    Blick auf ein rotes Gebäude, auf das ein Weg zwischen Grünflächen zugeht, auf denen Bäume stehen. Auf dem Weg gehen Menschen entlang.
    Auf dem Campus der Harvard University (dpa/picture alliance/Andreas Engelhardt)
    Laura Dunn wurde von zwei Mit-Studenten vergewaltigt. Sie brachten sie von einer Party nach Hause. Es war viel Alkohol im Spiel, Laura verdrängte den Vorfall und erzählte niemandem davon. Doch das Geschehene ließ sich nicht verdrängen. Schlaflosigkeit und Gewichtsverlust folgten. Bis 15 Monate später eine Professorin in ihrer Vorlesung über Vergewaltigung als Terrorinstrument in Kriegen sprach.
    "Und diese Professorin unterbrach die Vorlesung und sagte: Ich will mit Euch über Vergewaltigungen auf diesem Campus sprechen. Das ist einigen meiner Studentinnen passiert. Und man kann etwas dagegen tun, und es gibt jemanden, mit dem man darüber reden kann: der Studentenbeauftragte. Und ich sagte mir: Ich weiß, dass es Vergewaltigung war. Und ich weiß jetzt, was ich dagegen tun kann. Nach der Vorlesung bin ich zum Büro des Studentenbeauftragten gegangen und habe den Fall angezeigt."
    Veröffentlichungspflicht half bisher nicht
    Viele tun dies nicht. Es wird geschätzt, dass lediglich 20 Prozent der Fälle sexueller Gewalt zur Anzeige kommen. In Laura Dunns Fall hatte einer der mutmaßlichen Täter das College, die University of Wisconsin, bereits verlassen, als sie die Tat anzeigte. Der andere behauptete, es habe sich um konsensuellen Sex gehandelt. Die Universität brauchte neun Monate für die Untersuchung und entschied sich dann gegen die Verhängung einer Strafe.
    Laura Dunn engagiert sich heute in einer Lobby-Organisation, die Colleges sicherer machen will und sich für die Prävention sexueller Gewalt einsetzt. Amerikanische Unis sind seit 25 Jahren gesetzlich verpflichtet, jegliche Fälle von Kriminalität, also auch sexueller Gewalt, zu veröffentlichen. Diese Veröffentlichungspflicht verstärke paradoxerweise deren Neigung, Vergewaltigungen gar nicht erst zur Kenntnis zu nehmen, so Laura Dunn.
    "Sie schrecken nicht das Verbrechen ab, sondern sie schrecken diejenigen ab, die es zur Anzeige bringen wollen. Was wir brauchen, ist ein besseres Bild der Opfer und ihrer Anliegen, ein realistischer Überblick über Verbrechen auf dem Campus."
    Darauf zielen auch die neuen Richtlinien des Weißen Hauses. Universitäten sollen anonyme Umfragen unter ihren Studenten durchführen, um ein besseres Bild der Gesamtlage zu bekommen. Dann soll die Prävention verstärkt und den Opfern schneller geholfen werden.
    Aktionsplan gegen sexuelle Gewalt
    Universitäten sind keine Strafverfolgungsbehörden, und die Strafverfolgung sexueller Gewalt bleibt von den neuen Richtlinien unberührt. Die amerikanische Regierung setzt jetzt neben die Strafverfolgung auch eine Bürgerrechtsperspektive. Nur, wenn die Universitäten sexueller Gewalt aktiv begegneten, sei eine diskriminierungsfreie Ausbildung gewährleistet. Wann immer Studenten der Ansicht sind, die Universität nehme ihre Klage nicht ernst, können sie eine Beschwerde beim Bildungsministerium einreichen, dann kommt die betreffende Uni auf eine öffentliche Liste. Das, so die zuständige Staatssekretärin im Bildungsministerium, Catherine Lhamon, falle ihr durchaus nicht leicht.
    "Das ist nicht einfach. Denn dass es eine Untersuchung gibt, heißt noch lange nicht, dass die jeweilige Universität etwas falsch gemacht hat. Aber ich glaube daran, dass diese Transparenz die Debatte insgesamt weiterbringt."
    Zunächst verabredet das Bildungsministerium mit den betroffenen Unis einen Aktionsplan gegen sexuelle Gewalt. Fast alle Universitäten halten sich daran. Denn: Tun sie es nicht, dann können sie staatliche Forschungsmittel verlieren. Wichtiger noch: Ihre Kunden, die zukünftigen Studenten, könnten sich für konkurrierende Universitäten entscheiden.