"Abgeschafft werden fünf Hauptfächer bei unserem College und zwar Kunstgeschichte, Musik, Französisch, Deutsch und Religion".
Seit 25 Jahren unterrichtet Mohamed Esa Deutsch am McDaniel College in Maryland. Doch sein Fach und vier andere wird es ab dem nächsten Jahr nicht mehr geben, hat der Vorstand des Colleges jetzt entschieden. Sie werden abgeschafft und mit Gebieten wie Technologie und Betriebswissenschaft ersetzt, die beliebter bei Studierenden sind. Mohamed Esa kann es kaum glauben.
"Es wird eine Dollarzahl auf meinen Kopf als Professor gestellt. Wie viel kostet uns dieser Professor? Das war die Frage der Administration. Wie viel kostet uns Deutsch? Wie viel kostet uns Französisch?"
Nicht berufsorientiert genug
Immer mehr Studierende in den USA wenden sich von den Geisteswissenschaften ab. Laut einer Statistik des US Bildungsministeriums fiel die Zahl der Bachelorabschlüsse in Geschichte seit 2007 um 45 Prozent, in Englisch sind es seit Ende der 90er Jahre fast 50 Prozent weniger. Die Kurseinschreibungen bei Fremdsprachen gingen in den zehn Jahren bis 2015 um rund 10 Prozent nach unten. Hintergrund für die Krise ist die Sorge, dass das Studium der Geisteswissenschaften nicht berufsorientiert ist, sagt Stephen Kidd, Leiter der National Humanities Alliance, eine Lobbygruppe für die Geisteswissenschaften in Washington.
"Viele Menschen denken, dass es schwerer für Geisteswissenschaftler als für andere Akademiker ist, einen gut bezahlten Job zu bekommen."
Das stimmt nur bedingt, aber die Colleges reagieren entsprechend: Neben insgesamt Hunderten von Geschichts-, Englisch-, Soziologie-, Musik- und Philosophiefächern schafften sie laut der Modern Language Association zwischen 2013 und 2016 auch über 650 Sprachkurse ab. Ein großer Fehler, sagt Douglas Greenberg, emeritierter Professor für Geschichte an der Rutgers Universität in New Jersey.
"Universitäten richten sich nach ihren Kunden. Sie werden wie Unternehmen geleitet. Wenn das Interesse der Studierenden an Biowissenschaften steigt, dann investieren sie mehr Geld in diese Fachrichtung. Wird die Nachfrage nach Geschichtskursen weniger, bekommt diese Abteilung weniger Geld. Das Budget wird je nach Verbrauchernachfrage aufgestellt – aber das ist eine viel zu kurzsichtige Strategie, eine Universität zu leiten".
Mehr private Geldgeber für MINT-Fächer
Die Zahl der Studierenden, die sich im Bachelorstudiengang Ingenieurwissenschaften eingeschrieben hat, ist zwischen 2006 und 2015 um 63 Prozent nach oben gegangen. Entsprechend stiegen auch die staatlichen Zuschüsse und privaten Spenden für den MINT-Bereich –Mathematik, Informatik, Technik und Naturwissenschaften, sagt Douglas Greenberg.
"Es gibt viel mehr Geldgeber für diese Disziplinen. Deshalb setzen die Universitäten dort ihren Schwerpunkt".
Doch der Niedergang der Geisteswissenschaften ist auch nicht gut für Wissenschaftler – deshalb schlugen die US-Akademien der Wissenschaft, des Ingenieurwesens und der Medizin bereits vor einem Jahr vor, Universitäten im ganzen Land sollten neue Kurse entwerfen, in denen sie die Inhalte der MINT-Fächer mit denen der Geisteswissenschaften verknüpfen. So bietet das Olin College of Engineering in Massachusetts neuerdings einen Kurs an, in dem ein Biologe und ein Geschichtsprofessor die Welt der Mikroben in einen naturwissenschaftlichen und historischen Kontext rückt.
Ethik-Kurse für Informatiker?
Und Alison Simmons unterrichtet nicht nur Philosophie an der Harvard Universität, sondern auch einen Kurs in angewandter Ethik für angehende Informatiker. Welche ethischen Probleme könnten bei der Durchführung ihrer Projekte entstehen? Was ist die Lösung? Diese schwierigen Fragen stellt sie gemeinsam mit Barbara Grosz, einer Naturwissenschaftlerin. Gut so, sagt Stephen Greenblatt, ein Geisteswissenschaftler an der Harvard Universität.
"Es geschehen so viele aufregende Dinge im Fachbereich Technologie, besonders im Bereich Informatik, über die sich Informatiker mit uns austauschen sollten. Ich finde, wir sollten mit ihnen ins Gespräch kommen".
Ein Vorschlag, der auch Douglas Greenberg von der Rutgers Universität gefällt. Aber er warnt:
"Ein Naturwissenschaftler, der Geschichts- oder Philosophiekurse belegt, wird ein besserer Naturwissenschaftler. Andersherum funktioniert das natürlich auch. Ein Geisteswissenschaftler profitiert von seinem Blick auf andere Disziplinen und Methoden. Aber dafür setzen sich die Universitäten bisher nicht ein. Die Universitätsleiter haben bis jetzt noch keine überzeugende Führungsrolle bei dieser Thematik übernommen".