Sandra Schulz: Trump kann nicht Kandidat werden. Die Meinung, die war durchaus verbreitet, bevor der US-Vorwahlkampf so richtig losgegangen ist. Die Meinung ist inzwischen widerlegt, weil Trump keinen Gegenkandidaten mehr hat, und ganz offiziell ist es bei den Demokraten jetzt zwar noch nicht, aber dass es auf den Zweikampf Clinton versus Trump rausläuft, das ist jetzt offenbar entschieden. Nach US-Medienberichten soll Hillary Clinton die nötigen Delegiertenstimmen zusammenhaben. Am Telefon ist Professor Thomas Jäger. Er leitet den Lehrstuhl für internationale Politik und Außenpolitik der Universität zu Köln. Guten Tag.
Thomas Jäger: Ich grüße Sie, Frau Schulz.
Schulz: Helfen Sie uns noch mal beim Sortieren. Ist es jetzt klar, dass Hillary Clinton Kandidatin der Demokraten wird, oder noch nicht?
Jäger: Die klare Antwort lautet: Jein! Und das ist ein bisschen verstörend, denn es ist so: Wer Kandidat werden will, braucht 2.382 Delegiertenstimmen. Und die hat Hillary Clinton jetzt zusammen, wenn man die Superdelegierten mitzählt. Denn von den Delegierten, die gewählt wurden, hat sie nur 1.812. Diese Superdelegierten, über 500 - das sind Parteifunktionäre, die gesagt haben, jawohl, wir wählen sie dann -, deren Stimme wird aber in Wahrheit erst auf dem Parteitag gezählt, denn die können bis zum Parteitag ihre Meinung noch ändern. Die können heute erklären, wir unterstützen Frau Clinton, und übermorgen sagen, wir unterstützen Herrn Sanders. Das ist genau das Argument, mit dem Bernie Sanders seine Kampagne aufrecht erhält. Für alle praktischen Zwecke ist Frau Clinton durch. Wenn man das Verfahren ganz genau betrachtet, dann ist es genau diese Spalte, die sich auftut, die eine reale Möglichkeit gibt, dass das Ganze noch in Gefahr kommen kann, denn wer weiß, was noch alles geschieht.
"Sanders' Ziel ist, die Partei nach links zu ziehen"
Schulz: Wie haben sich die Superdelegierten in der Vergangenheit denn verhalten? Ist das wahrscheinlich, dass die ihre Meinung jetzt noch mal ändern?
Jäger: Das ist nicht sehr wahrscheinlich. Die meisten Superdelegierten haben ganz am Anfang schon ihre Meinung kundgetan. Und das ist etwas, was Sanders auch aufgreift und sagt, da sind Superdelegierte aus Staaten, die ich gewonnen habe, und die wollen jetzt Frau Clinton unterstützen, das kann ja wohl nicht sein. Aber die Regeln der demokratischen Partei sind so. Das sind etwa 15 Prozent der Delegierten und die haben sich mit über 90 Prozent für Frau Clinton ausgesprochen. Das verwundert nicht, denn die Clintons, das ist eigentlich die demokratische Partei der letzten Jahrzehnte. Die sind vernetzt, die kennen die Geldgeber, die zum Teil auch als Superdelegierte mit auftreten. Und Bernie Sanders ist ein Neudemokrat. Die meiste Zeit war er im Parlament als unabhängiger Abgeordneter. Er ist in der Partei nicht wirklich verwurzelt. Das ist nicht zu erwarten, dass die in Scharen zu ihm überlaufen.
Schulz: Wenn Sanders jetzt weitermacht, an wen denkt er dann in erster Linie, an sich oder an seine Partei, an die Demokraten?
Jäger: Wahrscheinlich an beides. Das ist ja ganz überraschend gekommen für ihn, dass das alles so verlaufen ist, und er hat gemerkt, dass es ihm gelingt, die Partei nach links zu ziehen. Das ist sein Ziel und er ist der Kopf dieser Bewegung, die da nach links geht. Es gibt noch einen anderen Kopf, das ist Elizabeth Warren, eine Senatorin, und es gibt schon Gerüchte, dass aus dem Sanders-Lager versucht wird, Frau Warren als Vizepräsidentschaftskandidatin durchzusetzen. Das, was wir jedenfalls im Moment sehen können ist, dass die Komitees auf dem Parteitag, die eigentlich alle Clinton-bestimmt sein sollten, jetzt zunehmend auch von Sanders-Leuten durchsetzt werden. Und es kommt noch etwas hinzu: Nämlich dass immer noch über dem Kopf von Frau Clinton diese E-Mail-Affäre hängt, und da wird der eine oder andere Beobachter nicht müde zu sagen, wenn es wirklich zu einer Anklage kommen sollte, dann ist Sanders der Kandidat, der bereitsteht.
"Wenn Hillary Clinton Kalifornien gewinnt, wird das Paket komplett"
Schulz: Jetzt sprechen wir an einem Dienstag, der wieder mal ein Super Tuesday ist, unter anderem, weil die Entscheidung in Kalifornien ansteht, dem größten Staat. Ändert sich da jetzt dann an der Ausgangslage überhaupt was, oder wird sich das wirklich dann erst auf dem Parteitag entscheiden?
Jäger: Es wird sich an der Ausgangslage jetzt nicht viel ändern. Aber das ist heute Abend natürlich eine hoch spannende Sache und möglicherweise kommt die Meldung, dass Frau Clinton eine Stimme über der erforderlichen Zahl ist, für sie zur Unzeit. Denn die große Frage ist doch jetzt: Gehen die Clinton-Wähler heute wählen, oder bleiben sie zuhause, weil sie sagen, das ist ja jetzt gelaufen? Gehen die Sanders-Wähler besonders motiviert wählen, weil sie sagen, jetzt müssen wir ein Zeichen setzen? Wenn Hillary Clinton Kalifornien gewinnt, dann wird das Paket komplett. Dann kann sie sagen, ich kann auch Wahlen gewinnen, in denen es eng wird. Wenn sie verliert, dann wird ein großes Argument aus dem Sanders-Lager sein, es ist eben die Frau, die die Wahlen nicht gewinnt. Denn das ist das Grundargument, das Sanders immer wieder durchspielt, gegen Trump könne nur er gewinnen, Clinton werde gegen Trump nicht gut aussehen.
"Clinton merkt: Sie muss ein Ruder herumreißen"
Schulz: Lässt sich das denn so sagen, wer könnte gegen Trump gewinnen?
Jäger: Das ist ganz schwer. Es gibt zwar schon eine ganze Zeit Umfragen dazu, aber das entscheidet sich eigentlich in den nächsten Monaten, dann, wenn auch viele Wählerinnen und Wähler sich noch mal ein neues Bild der Kandidaten machen. Aber bisher ist es so, wenn man sich die Zahlen anschaut, dass sowohl Frau Clinton als auch Herr Sanders deutlich vor Donald Trump lagen, dass es sich bei Frau Clinton aber gedreht hat. Die zwei sind jetzt relativ nahe beieinander, zwei Prozent auseinander, wenn man danach fragt, wer soll Präsident oder Präsidentin werden, und das ist eine Entwicklung, die Frau Clinton ja in den letzten Tagen veranlasst hat, sehr hart an Donald Trump heranzutreten und sehr aggressiv über ihn zu sprechen, weil sie hier merkt, da muss sie ein Ruder herumreißen.
Schulz: Der Politikwissenschaftler Professor Thomas Jäger heute hier bei uns in den "Informationen am Mittag."
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