Garrett betonte, Hillary Clinton habe gute Chancen, Präsidentin zu werden, falls Donald Trump der Kandidat der Republikaner werde. Allerdings müsse sie es dafür schaffen, die Minderheiten in den USA zu mobilisieren. Nicht Trump zu wählen bedeute nicht automatisch, für Clinton zu stimmen.
Der Politologe betonte zudem, dass es viele Menschen gebe, die sowohl Trump als auch den Demokraten Bernie Sanders gut fänden. Die beiden eine, dass sie nichts zu verlieren hätten. Trump wisse zudem ganz genau, dass die Wähler nach einfachen Formeln suchten. Wegen seiner Aussagen werde er aber nicht US-Präsident.
Die Republikaner, beschrieb Garrett, seien zudem zu zwei Parteien geworden: Sie seien zutiefst zerrissen zwischen Moderaten und populistischen Nationalisten.
Das Interview in voller Länge:
Christiane Kaess: Der Milliardär Donald Trump gegen den erzkonservativen Ted Cruz bei den Republikanern und die frühere Außenministerin Hillary Clinton gegen den linksgerichteten Senator Bernie Sanders, auf diesen Nenner lassen sich die Vorwahlen im US-Bundesstaat Iowa heute bringen. Es ist die erste Vorwahl im Rennen um die US-Präsidentschaftskandidatur bei den beiden großen Parteien und sie haben Signalwirkung. Darüber sprechen möchte ich jetzt mit dem Politikwissenschaftler Christer Garrett. Er ist Professor für amerikanische Studien an der Universität Leipzig und er ist US-Amerikaner. Guten Morgen!
Crister Garrett: Guten Morgen, Frau Kaess.
Kaess: Herr Garrett, nur ein Prozent der Amerikaner lebt in Iowa. Von der Bevölkerungsstruktur ist Iowa mit 92 Prozent Weißen nicht repräsentativ. Warum dennoch diese Signalwirkung?
Garrett: Ja, es ist die erste Vorwahl. Die Vorwahlen, wie wir sehen, finden bundesweit statt, in Alaska, New Hampshire im Nordosten und so weiter. Es ist so, der mittlere Westen hat eine besondere Rolle in der amerikanischen Geschichte. Nichts desto trotz sind die Themen, die da vor Ort sind, sehr prägnant. Es sind auch bundesweite Themen: Wirtschaft, Ungleichheit, Einwanderung, Unsicherheit. Es ist nur eine Stichprobe, aber eine Stichprobe mit bundesweiten Implikationen.
"Die Wähler suchen nach einfachen Formen"
Kaess: Dann schauen wir auf diejenigen, die antreten, zumindest die, die die wichtigsten sind. Das Phänomen Trump: Er hat offenbar der political correctness abgeschworen. Kann das seinen Erfolg erklären?
Garrett: Zum Teil. Wir sehen, die etablierten Parteien in den USA, Demokraten und Republikaner, was wir auch in Europa erleben, sind zum Teil erschöpft. Die Wähler suchen nach einfachen Formen, Formen, die ein bisschen nicht geprobt worden sind. Donald Trump weiß das ganz genau als kluger Geschäftsmann und er bündelt Ängste, er schürt Ängste und dadurch schafft er sich ein politisches Momentum und bisher mit beträchtlichem Erfolg.
Kaess: Aber, Herr Garrett, da noch mal nachgefragt. Sie sagen, er schürt Ängste. Aber er macht ja noch viel mehr. Er beleidigt Frauen, er beleidigt Minderheiten. Er geht eigentlich über jede Grenze des guten Geschmacks. Kann man da noch erklären, wie er deshalb nichtsdestotrotz so gut ankommt?
Garrett: Ja. Er spricht damit wirklich ein politisches Klientel an an der Basis der republikanischen Partei, 30 Prozent, 40 Prozent, insgesamt bundesweit käme das auf zehn Prozent der Bevölkerung. Diese Beleidigungen sind natürlich, wie sie sagen, geschmacklos und das hat natürlich Realitäts-TV-Charakter und spricht manche Leute in einer Demokratie an. Das ist so. Das war übrigens immer so in der amerikanischen Demokratie. Es war nie von feinem Geschmack durch die Jahrzehnte hinaus, denken wir an Rassismus und die 20er-Jahre, 30er-Jahre und so weiter und so fort. Was er dadurch gleichzeitig auslöst, ist eine Gegenreaktion. Auf Dauer werden genau diese Aussagen eigentlich sein Schicksal zementieren, glaube ich, nämlich die Wahlen nicht zu gewinnen.
"Die republikanische Partei ist zu zwei Parteien geworden"
Kaess: Das werden wir noch sehen. Was glauben Sie, woher kommt dieser Unmut gegenüber Washington, manche sagen Hass?
Garrett: Ja, Hass ist dabei, für bestimmte Wähler auf alle Fälle. Anti Washington DC zu stimmen, ist ein großes Thema in der amerikanischen Politik. Das hat mit der Länderkultur zu tun, dieser Föderalismus, kann man so sagen. Washington DC ist für Demokraten und Republikaner immer ein bisschen suspekt gewesen, Zentralismus, Zentralisierung der Macht und so weiter und so fort. Die allermeisten Kandidaten, sei es Barack Obama, Donald Trump oder Hillary Clinton, stellen sich als Anti-Washington-DC-Kandidaten dar und wollen damit sagen, ich bin nicht eingekauft, ich bin nicht eingewoben in die Machtzentrale. Ob das stimmt oder nicht, ist eine andere Frage. Aber das ist das Bild, das man gerne abgibt.
Kaess: Jetzt ist es so, dass in Iowa vor allem Parteimitglieder abstimmen. Ist das jetzt der Test für Trump, wie die Partei mit ihm umgeht, und vor allem, wie sie mit ihm umgehen wird, sollte er tatsächlich Präsidentschaftskandidat werden?
Garrett: Das ist ein Vorgeschmack, wenn man so will. Wie wir wissen aus den Schlagzeilen, ist die republikanische Partei jetzt wirklich zu zwei Parteien geworden, zutiefst zerrissen, geteilt durch moderate Republikaner, wenn Sie so wollen, und populistische nationalistische Republikaner, die das Hauptklientel für Donald Trump sind. Und die werden aktiv bleiben, die Wahl für die Republikaner gestalten. Ob die wirklich ausreichend sind, um bei dem Parteitag im nächsten Sommer deren Kandidat wirklich gewinnen zu lassen, das ist natürlich eine sehr offene Frage.
"Sanders hat bundesweit keine Chance"
Kaess: Dann schauen wir noch auf die Demokraten. Der linksgerichtete Bernie Sanders, er hat aufgeholt. Ist das mehr wegen des Misstrauens gegenüber Clinton als wegen tatsächlich einer großen Zustimmung zu Sanders Kampagne?
Garrett: Es ist ein bisschen beides. Wir sehen gerade das, was so üblich ist mit Populismus. Viele Bernie-Sanders-Wähler hören sogar Donald Trump an und sagen, er sagt vernünftige Dinge, wenn man so will. Nehmen wir freien Handel und Protektionismus. Viele, die Sanders unterstützen, wollen keinen freien Handel, zum Beispiel TTIP, wenn wir so wollen. Das ist genauso bei Donald Trump. Viele in der Gewerkschaftsbewegung zum Beispiel hören genau auf Bernie Sanders und Donald Trump gleichzeitig. Bernie Sanders - das wurde bei der Sendung angesprochen, zum Beispiel Krankenversicherung - spricht manche Leute an. Die Idee ist, bundesweit hat er keine Chance. Das haben wir in den 90er-Jahren mit Hillary Clinton als erste Frau erlebt. Die Amerikaner wollen kein britisches System. Aber für ein bestimmtes Klientel in der demokratischen Partei ist das verlockend. Er ist eine frische Stimme. Er ist ein frischer Wind, und genau das suchen die amerikanischen Wähler zurzeit, sei es auf der rechten Seite oder auf der linken Seite. Bernie Sanders hat nichts zu verlieren. Er kann quasi genau eine Kampagne führen, wie er möchte. Das gilt genauso für Donald Trump. Er hat nichts zu verlieren. Dadurch sehen wir Stimmen, die wirklich anecken und dadurch Aufmerksamkeit auf sich ziehen und möglicherweise - das werden wir heute erleben - Wähler mobilisieren.
"Nicht für Trump zu stimmen heißt nicht, für Hillary an die Urne zu gehen"
Kaess: Und Hillary Clinton auf der anderen Seite, die wird kurz vor dieser Abstimmung jetzt wieder von der sogenannten E-Mail-Affäre eingeholt. Kann ihr das ernsthaft schaden noch?
Garrett: Möglicherweise. Hillary Clinton, gerade durch ihre lange Karriere in der Politik, in den 90er-Jahren und dann in der Obama-Regierung, hat einfach viele Geschichten, und die werden in der so brutalen amerikanischen Politik gerade für die Präsidentenwahlen, das wird alles aufgetischt und kolportiert. Die sozialen Medien spielen da eine maßgebliche Rolle. Wenn man bereit ist, solche Geschichten gelten zu lassen, das ist der Hauptpunkt. Die wirklich großen Hillary-Unterstützer, und das sind Millionen, für sie ist das egal. Für die Anti-Hillary-Stimmen, und davon gibt es Millionen, die sagen, aha, Misstrauen bestätigt. Das müssen wir sehen in der Mitte der Gesellschaft, die Unentschiedenen, wie die das sehen, wie das auf der Waage wirklich wiegt. Solche Geschichten werden wir immer häufiger jetzt hören, nicht unbedingt von Sanders und seinem Team, aber von Gruppen, die wirklich sehen wollen, dass Hillary nicht Erfolg genießt.
Kaess: Sagen Sie uns noch kurz zum Schluss, wir haben noch eine gute Minute. Bis vor Kurzem gab es diese These, wenn Trump Kandidat werden sollte, dann ist es leichtes Spiel für Clinton. Gilt das nicht mehr?
Garrett: Das gilt doch. Addieren wir einfach die Minderheitengruppen in den USA zusammen: Schwarzamerikaner um die 13, 14 Prozent der Bevölkerung. Niemand aus dieser Truppe wird für Trump stimmen. Dann die Latinos und Latinas, das ist so um die 17, 18 Prozent, sehr, sehr wenig für Donald Trump. Dann haben wir schon 35 Prozent der Bevölkerung. Dann Asian Americans dazu. Was sie machen muss ist, diese Wähler zu mobilisieren. Nicht für Trump zu stimmen heißt nicht, für Hillary an die Urne zu gehen. Das ist eine offene Frage. Mit den Frauen ist es komplizierter. Viele Frauen sind von Trump angezogen und finden seine Botschaft gut. Das kann ich nicht unbedingt erklären, aber andererseits: Viele Frauen finden Hillary eine sehr, sehr überzeugende Kandidatin. Kommt Trump und ist der Kandidat für die Republikaner, dann wird sie ihn sehr ernst nehmen, aber sehr gute Chancen haben. Ich denke, am Ende des Tages gerade aus der Mitte der Gesellschaft wird sie gewinnen.
Kaess: Danke schön! Hier müssen wir einen Punkt setzen. - Der Politikwissenschaftler Crister Garrett, Professor für amerikanische Studien an der Universität Leipzig. Danke für das Gespräch.
Garrett: Sehr gerne, Frau Kaess.
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