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US-Waffen für die Ukraine
Neue Spannungen zwischen Kiew und Moskau

Mit Radar- und Nachtsichtgeräten allein ließe sich kein Krieg gewinnen, hatte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko die Ukraine-Politik des ehemaligen US-Präsident Barack Obama kritisiert. Nun erwägt die Trump-Administration die Lieferung sogenannter Defensivwaffen, zum großen Unmut Russlands.

Von Christina Nagel | 02.08.2017
    OSZE-Beobachter protokollieren die Schäden nach einem nächtlichen Bombenangriff in der ostukrainischen Region Donezk
    OSZE-Beobachter protokollieren die Schäden nach einem nächtlichen Bombenangriff in der ostukrainischen Region Donezk (picture alliance / Valentin Sprinchak/TASS/dpa)
    So ganz kann sich Putins Pressesprecher, Dmitri Peskow, einen Kommentar dann doch nicht verkneifen. Auch wenn er die Diskussion um US-Waffenlieferungen an die Ukraine lieber als hypothetisch abtut.
    Alle Länder, betont er, vor allem die, die eine Vermittler-Rolle spielen wollten, sollten alles lassen, was eine neue Spirale der Gewalt in einer eh schon schwierigen Region provozieren könnte.
    Der Appell richtet sich an die US-Regierung. Das Wall Street Journal hatte zuvor berichtet, dass im Pentagon und im Außenministerium weiter an Plänen gearbeitet werde, um die Ukraine mit Waffen zu beliefern. Unter anderem mit panzerbrechenden Raketen.
    Dass es entsprechende Überlegungen gibt, hatte Ende des vergangenen Monats auch der US-Sonderbeauftragte für die Ukraine, Kurt Volker, in einem Interview mit Radio Free Europe bestätigt:
    "Die Trump-Administration hat sich noch einmal der Frage angenommen, die die Obama-Regierung offengelassen hat. Nämlich, ob man der Ukraine Defensivwaffen liefert oder nicht. Das ist der Stand des Spiels."
    Keine Waffen von Obama
    Der frühere US-Präsident Obama war der Bitte Kiews nach Waffen nicht nachgekommen. Die USA beließen es bei Trainingsprogrammen und der Lieferung von sogenanntem 'nicht tödlichem Material': von Radar- und Nachtsichtgeräten und anderem Equipment.
    Damit aber, klagte damals der ukrainische Präsident, ließe sich kein Krieg gewinnen. Bis heute werden Poroschenko und sein Verteidigungsminister Stepan Poltorak nicht müde, mehr von den westlichen Partnern zu fordern:
    "Um die Ukraine zu verteidigen, brauchen wir Waffen. Es geht um Präzisionswaffensysteme, um Panzerabwehrraketen."
    US-Sondergesandter: "Heißer Krieg in der Ukraine"
    Der US-Sondergesandte Volker hat Verständnis für diese Bitte. Und nährt damit die Hoffnung in Kiew, dass die Amerikaner dieses Mal anders entscheiden könnten. Die Ukraine, sagte er bei einem Besuch in Kramatorsk, unweit der Konfliktlinie, befinde sich in einem heißen Krieg. Von einem eingefrorenen Konflikt könne keine Rede sein. Und er machte klar, dass sich die Amerikaner von nun an mehr einmischen würden:
    "Und dass wir einen Weg finden werden, die strategische Perspektive zu verändern, sodass andere Entscheidungen gefällt werden."
    Für Volker ist die Lieferung defensiver Waffen – keine Provokation, sondern ein Mittel, die russische Seite, die in den besetzten Gebieten und entlang der ukrainischen Grenze massiv militärisch präsent sei, zum Einlenken zu bewegen. Seine Rechnung ist einfach:
    "Es würde den Ukrainern die Möglichkeit geben, sich zu verteidigen. Wenn die russische Seite weitere Schritte auf ukrainischem Gebiet unternehmen sollte. Russland sagt, man werde das nicht tun – also besteht für niemanden ein Risiko."
    Sorge vor Eskalation nicht nur in Moskau
    Russische Militärexperten sehen das – naturgemäß - anders. Sie bezweifeln, dass sich die Ukrainer an die angedachten Auflagen der Amerikaner halten werden. Gerade mit Blick auf das panzerbrechende Raketensystem. Viktor Murachowski warnt per Skype im russischen Fernsehen:
    "Der Javelin-Komplex kann als Verteidigungs-, aber auch als Angriffs- oder Sturmwaffe gebraucht werden, in einer Stadt, zum Beispiel."
    Für die Vermittler aus Deutschland und Frankreich ist allein schon die Vorstellung, dass es noch mehr Waffen in einer ohnehin schon waffenstarrenden Region geben wird, ein Alptraum. Denn schon jetzt gelingt es nicht, einen dauerhaften Waffenstillstand hinzubekommen.