Es ist inzwischen ein Ritual: Wenn Tim Walz im Wahlkampf eine Rede hält, dann verwandelt sich der Vizepräsidentschaftskandidat der Demokraten in einen High-School-Football-Coach.
„Time for a little bit of a pep talk. Look, we gotta admit it: This game is tied. Two minutes left on the clock, we got the ball..."
Das Spiel ist ausgeglichen, es sind nur noch zwei Minuten auf der Uhr und wir haben den Ball, ruft Walz seinen Anhängern entgegen. Und er beschwört den Team-Geist:
"The team, the team, the team! And boy do we have the right team!"
Diese Verwandlung fällt Walz nicht schwer – während seiner Laufbahn als Lehrer trainiert er sehr erfolgreich das Football-Team seiner High-School. Jetzt nutzt er seine Rhetorik von damals im Präsidentschafts-Wahlkampf. Und bedient damit auch das klassische Bild des Trainers, der sein Team mit inspirierenden Worten zum Sieg führt.
„Die Motivationsrede ist der inspirierendste Moment, den ein Trainer haben kann", sagt Michael Butterworth, Direktor des Zentrums für Sport und Kommunikation an der University of Texas in Austin. Ob Walz damit wirklich Wähler mobilisieren kann, da ist sich Butterworth unsicher. Aber die Demokraten für den Wahlkampf zu motivieren – das schafft er:
"Ich denke, es funktioniert sehr gut, um die Leute auf die Kampagne einzustimmen."
Drei ehemalige Profi-Sportler treten an
Walz ist nicht der einzige, der in diesem Jahr seine Vergangenheit im Sport im Wahlkampf einsetzt. Gleich drei ehemalige Profi-Sportler kandidieren für den Senat. Ex-Basketballer Royce White in Minnesota, Ex-Baseball-Spieler Steven Garvey in Kalifornien und Colin Allred, der in der NFL gespielt hat.
„Ich denke, sie sind ein gutes Beispiel dafür, wie unterschiedlich ehemalige Sportler in Bezug auf ihre politische Einstellung sein können."
Die drei sind ein gutes Beispiel dafür, wie unterschiedlich die politischen Haltungen von Ex-Sportlern sein können, sagt Tom Knecht vom Westmond College in Kalifornien. Er forscht zur Verbindung von Sport und Politik.
White und Garvey kandidieren beide für die Republikaner. White fällt dabei vor allem dadurch auf, dass er rechte Verschwörungstheorien verbreitet. Garvey zeigt sich hingegen im Alter von 75 Jahren als Republikaner der alten Schule, als jemand, der Konsens herstellen möchte.
"Wenn man in einem Team spielt, lernt man, Konsens zu schaffen. Und das ist es, was wir tun werden, wir werden anfangen, Konsens zu schaffen. Und ich habe immer gesagt, dass ich nie für Republikaner, Demokraten oder Unabhängige gespielt habe, sondern für alle Fans. Und ich kandidiere für das ganze Volk."
Garvey versucht gezielt, sein Image als Sportler auf seine politische Marke zu übertragen. Seine Rhetorik fällt in der amerikanischen Politik allerdings nicht besonders auf.
Sport-Rethorik ist geläufig
Egal ob es das Horse-Race ist, das Kopf-an-Kopf-Rennen der Kandidaten, die Softball-Question, die einfache Frage im Interview oder der Knockout in einer Debatte, von dem der politische Gegner sich nicht erholt – die Sprache des Sports ist in Wahlkämpfen allgegenwärtig, sagt Kommunikationswissenschaftler Butterworth:
„Für Politiker sind Sport-Methaphern sehr reizvoll, weil der Sport einer der sehr, sehr wenigen Orte ist – vielleicht sogar im Moment der einzige – wo die Zuschauer ihre Differenzen beiseite packen und sich hinter ein gemeinsames Ziel versammeln.“
Gewinnen werden aber sowohl Garvey als auch White sehr wahrscheinlich nicht, sie treten in Bundesstaaten an, die von Demokraten dominiert werden. Die beste Chance hat noch Colin Allred. Aber ein Demokrat, der in Texas gewinnt? Auch das wäre eine Überraschung.
Ehemalige Athleten mit hervorragender Bilanz in der US-Wahl
Damit widersprechen sie dem allgemeinen Trend. Tom Knecht hat alle Wahlen – von Stadtrat bis Präsidentschaft - seit 1934 daraufhin untersucht, wie viele Ex-Sportler für ein politisches Amt kandidiert haben. Es waren nur rund 50, deutlich weniger, als Knecht gedacht hätte. Aber: Wenn ehemalige Athleten antreten, dann gewinnen sie oft.
"Ihr Prozentsatz an Wahlsiegen ist einfach unglaublich, weit besser als bei praktisch allen anderen Kandidaten, mit Ausnahme der Amtsinhaber."
70 bis 80 Prozent der Rennen entscheiden sie für sich – eine Quote, die sonst nur Amtsinhaber erreichen. Das liege aber nicht daran, dass ehemalige Sportler besondere politische Talente seien, so Knecht. Sie können es sich aber leisten, nur in den Rennen anzutreten, in denen sie eine gute Chance haben:
"Ex-Sportler brauchen keinen Job - die meisten von ihnen - und können es sich daher leisten, auf ein Rennen zu warten, das sie wahrscheinlich gewinnen werden."
Bekanntschaft als großer Vorteil
Wenn sie antreten, haben sie zudem einige Vorteile gegenüber anderen Kandidaten. Der größte: Während zum Beispiel ein Anwalt viel Geld für Werbung ausgeben muss, um überhaupt bekannt zu werden, kennen die Wählerinnen und Wähler Ex-Sportler bereits.
"Das ist der wichtigste Punkt. Man kann keine Wahl gewinnen, wenn die Leute deinen Namen nicht kennen, und sie haben einen Bekanntheitsgrad."
Die Bekanntheit hilft auch dabei, Spenden für die teuren Wahlkämpfe einzusammeln. Sobald Ex-Sportler ins Amt gewählt sind, offenbaren sich aber oft Schwächen: Denn wenig überraschend ist regieren etwas anderes als Körbe werfen oder um Stimmen zu werben.
"Wer gut darin ist, Wahlen zu gewinnen, ist noch lange nicht gut in der Kunst des Regierens."
Knecht sieht darin ein großes Problem im politischen System. Aber: Die Amerikaner lieben politische Außenseiter, sagt er. White, Garvey und Allred werden nicht die letzten Ex-Sportler gewesen sein, die kandidieren.