US-Wahl
Der Wahlsieg Trumps und die Auswirkungen auf EU, NATO und Ukraine

Der Wahlausgang in den USA hat Auswirkungen auf Europa und stellt die transatlantische Partnerschaft auf die Probe. Mit Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus drohen neue Spannungen in der NATO und eine Abschwächung der Unterstützung für die Ukraine.

    Eine Gruppe von Soldaten der Deutschen Bundeswehr in Tarnuniformen stehen in Formation mit Gewehr Bewaffnet bei einem Militär Appell
    Der Ausgang der US-Wahlen könnte für Europa bedeutsame sicherheitspolitische Folgen haben. (picture alliance / CHROMORANGE / Michael Bihlmayer)
    Der Ausgang der Wahlen in den USA wird auch Europa beeinflussen - insbesondere im Bereich der Sicherheitspolitik. Zudem verlässt mit Joe Biden der letzte überzeugte Transatlantiker die politische Bühne. Europa steht außerdem vor der Herausforderung, seine sicherheitspolitische Eigenständigkeit zu stärken.

    Inhalt

    Welche Folgen hat der US-Wahlausgang für Europa?

    Keine andere Region weltweit wird von diesem Wahlergebnis so sehr getroffen wie Europa. Beobachter und deutsche Politiker hatten vor der Wahl vor den außen- und sicherheitspolitischen Folgen eines Siegs Donald Trumps gewarnt. Weder Deutschland noch Europa seien "rein politisch" darauf angemessen vorbereitet, sagte Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) im ARD-Fernsehen. Die Zeiten, in denen die Amerikaner Europa schützten, seien vorbei.
    Thomas Kleine-Brockhoff, Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, spricht sogar von einer "weltordnungsverändernden Wahl" und prognostiziert ein Auseinderfallen der Europäer im Hinblick auf Amerika: Einige Staaten würden versuchen, ihre Beziehungen zu bilateralisieren. Rund um den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban würde eine Gruppe von Staaten entstehen, die sich auf der Seite von Trump wähnen.
    Trump steht der NATO kritisch gegenüber und betrachtet die Beistandspflicht nur dann als verbindlich, wenn alle Mitgliedsstaaten die finanziellen Forderungen der USA erfüllen. Diese Haltung könnte das Sicherheitsgefühl in Europa, insbesondere in Osteuropa, erheblich schwächen und neue Spannungen entlang der NATO-Ostflanke hervorrufen.
    Laut Militärexperte Carlo Masala hat Europa nichts aus der ersten Amtszeit Trumps gelernt. "Europa ist nicht nur nicht kriegstüchtig. Europa ist nicht verteidigungsbereit." Die meisten europäischen Staaten haben zwar mittlerweile ihre zwei Prozent Verteidigungshaushalt gemessen am Bruttoinlandsprodukt erreicht, einige aber noch nicht. Trump wird aber voraussichtlich eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben der Europäer verlangen.
    Zudem könnte die Unterstützung der USA für die Ukraine unter Trump deutlich abnehmen, was Europa vor die Herausforderung stellen würde, die militärische und finanzielle Unterstützung eigenständig aufrechtzuerhalten. Dies könnte erhebliche Auswirkungen auf die europäische Sicherheitslage und die NATO-Strategie haben, da die Ukraine maßgeblich auf westliche Unterstützung angewiesen ist. Auch das Verhältnis zu Russland könnte sich verschieben, da Trump dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gegenüber als wohlwollend gilt.
    Es wird zudem erwartet, dass die USA ihren geostrategischen Fokus vermehrt auf den indopazifischen Raum und weniger auf Europa richten werden. Das amerikanische Interesse an Europa habe in den vergangenen 30 Jahren nachgelassen, erklärte David McAllister, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament. Europa müsse sich daher stärker um seine eigenen Interessen kümmern.

    Welche Verantwortung trägt Deutschland für die Einigkeit in der EU?

    Deutschland trägt eine wesentliche Verantwortung für die Einigkeit in der Europäischen Union. Doch die Fliehkräfte in der Europäischen Union scheinen eher zu wachsen als zu schrumpfen. Viele setzen zwar die Hoffnung darauf, dass die EU in der Vergangenheit - zum Beispiel während der Corona-Pandemie -gezeigt hat, dass man zusammenrücken und leisten kann, was sie eigentlich zu leisten imstande ist.
    Nicht nur die innenpolitischen Instabilitäten in Frankreich mit einem geschwächten Präsidenten Emmanuel Macron und in Deutschland mit einer angeschlagenen Regierung belasten die Geschlossenheit der EU zusätzlich. Dem gegenüber steht das Lager um Ungarns Viktor Orban, das in Trump einen Verbündeten sieht, da seine Ansichten mit ihren politischen Positionen übereinstimmen.
    "Es gibt einfach dieses klare Gegengewicht nicht mehr zu Autokratien. Es gibt auch keine Achse Berlin-Paris", mahnt SPD-Politiker Bernd Lange, der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europäischen Parlament.
    Auch der stellvertretende Vorsitzende der Union, Jens Spahn, kritisiert die fehlende Koordinierung – etwa zwischen Olaf Scholz, Donald Tusk, dem polnischen Ministerpräsidenten, und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vor den Präsidentschaftswahlen. Jede Bundesregierung müsse „in belastbaren Kontakten“ mit jeder US-Regierung stehen, betont der CDU-Politiker.

    Welche Rolle kann der neue NATO-Generalsekretär Mark Rutte spielen?

    Mark Rutte, der neue NATO-Generalsekretär, zeigte sich vor den US-Wahlen gelassen gegenüber einer möglichen zweiten Amtszeit Donald Trumps und betonte seine Bereitschaft, mit jedem US-Präsidenten zusammenzuarbeiten. Mark Rutte betont immer wieder, dass Donald Trump in einem Punkt Verdienste hat: Er habe die europäischen Verbündeten dazu bewegt, deutlich mehr in die Verteidigung zu investieren.
    Trumps Präsidentschaft wird in eine Zeit steigender Verteidigungsausgaben fallen, die jedoch bereits vor seinem Amtsantritt begonnen hatten und nicht allein auf sein Wirken zurückzuführen sind. Nach der Besetzung der Krim begann ein Trend steigender Verteidigungsausgaben in Europa, der durch Trumps Druck auf die NATO-Verbündeten nochmals beschleunigt wurde. Seine Forderungen haben die europäischen Länder, darunter auch Deutschland, dazu gebracht, ihre Beiträge zur gemeinsamen Verteidigung deutlich zu erhöhen. Deutschland hat dies mit dem sogenannten „Sondervermögen“ erreicht – einem speziellen Fonds, der zusätzliche Schulden aufnimmt, um die Bundeswehr besser auszustatten und die Verteidigungsausgaben zu steigern.
    Die NATO hatte zuvor explizit einen Nachfolger für Jens Stoltenberg gesucht, der flexibel auf unterschiedliche US-Regierungen reagieren kann. Rutte bringt zudem Erfahrungen aus der ersten Trump-Präsidentschaft mit. Damals hatte er sich als niederländischer Regierungschef den Ruf erworben, von Trump respektiert zu werden. Dennoch bedeutet das noch nicht, dass damit die möglichen Probleme vom Tisch sind, die durch diesen Sieg für die europäischen NATO-Partner entstehen könnten.

    Was bedeutet der Wahlsieg Trumps für den Krieg in der Ukraine?

    Präsident Wolodymyr Selenskyj hat bereits Donald Trump zum Wahlsieg gratuliert. Er setzt dabei auf den Ansatz "Frieden durch Stärke," in der Hoffnung, Trump könnte in irgendeiner Form unterstützend agieren.
    Ein möglicher Friedensprozess könnte für die Ukraine schmerzhafte Zugeständnisse bedeuten. Trumps designierter Vizepräsident J.D. Vance zieht offenbar die Möglichkeit in Erwägung, entlang der aktuellen Frontlinie eine neue Demarkationslinie mit autonomen Regionen auf beiden Seiten zu schaffen. Die Ukraine könnte zudem unter Druck geraten, Territorien abzugeben oder auf eine NATO-Mitgliedschaft zu verzichten. Hoffnung setzen die Ukrainer auf den persönlichen Kontakt zwischen Selenskyj und Trump, die sich zuletzt im September in New York getroffen haben.
    Trumps unberechenbare Politik und seine früheren Ankündigungen schüren zugleich die Sorge, dass die USA die Unterstützung für die Ukraine im Konflikt mit Russland deutlich reduzieren oder ganz einstellen könnten. Allerdings war auch unter Präsident Joe Biden die Unterstützung für die Ukraine bereits begrenzt.
    Militärexperte Carlo Masala erinnert an die widersprüchlichen Signale von Trump: Einerseits behauptete er, den Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden zu können, wenn er es wolle. Andererseits erklärte er, dass er der Ukraine alles geben würde, was sie braucht, um Russland zu besiegen, falls sich die Russen nicht auf eine Einigung einlassen. Es bleibt also völlig unklar, wie sich die US-Politik gegenüber der Ukraine unter Trump tatsächlich entwickeln würde.

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