US-Wahl
Welchen Einfluss hat QAnon?

QAnon wurde von einem Sammelbecken für Verschwörungsideologen zu einer Bewegung. In den USA scheint ihr Einfluss auf das politische Geschehen zuzunehmen. US-Präsident Donald Trump gilt bei QAnon als Heilsbringer. Er selbst gibt sich mal unwissend, mal geschmeichelt.  

    Eine Person trägt auf dem Ärmel ihres Shirts das Logo von QAnon.
    Wie gefährlich ist QAnon? (imago images / Sachelle Babbar)
    QAnon startete im Oktober 2017 auf einer Online-Plattform. Jemand, der sich "Q" nannte, behauptete, über Informationen aus dem innersten Kreis der US-Regierung und von Geheimdiensten zu verfügen. Der Buchstabe Q soll auf seinen Status anspielen: Wer die staatliche Freigabe "Q" hat, hat Zugang zu den geheimsten Informationen.
    US-Präsident am 18. April 2018 bei einer "Make America Great Again" Veranstaltung in Washington Township, Michigan, USA
    Die Bewegung „QAnon“ wird zur Religion
    Korrupte Eliten foltern unterirdisch Kinder, das Coronavirus ist eine Bio-Waffe und Donald Trump der Erlöser: Die Verschwörungserzählungen von "QAnon" bedienen alte Muster und Feindbilder.
    Es entstanden Feindbilder wie der "deep state", der alles kontrolliert oder der Verschwörungsmythos, dass die Demokraten unter der Führung von Hillary Clinton einen heimlichen Pädophilen-Ring unterhielten, der im Keller einer Pizzeria in Washington kleine Kinder verstecke, um sich an ihnen zu vergehen und sich an ihrem Blut zu berauschen. Verbreitet hatte ihn der Moderator Alex Jones in seinem Programm "Info-Wars". Die QAnon-Bewegung führt ihn bis heute weiter.

    Wie positioniert QAnon sich politisch?

    QAnon ist inzwischen von einem Sammelbecken für Verschwörungerzählungen zu einer kultähnlichen Bewegung gewachsen. Ihre Dynamik schöpft sie aus dem blinden Vertrauen in das Pseudonym "Q" - und in den amtierenden US-Präsidenten Donald Trump. Die QAnon-Bewegung gilt vielen Beobachtern darum mittlerweile als eine Art Religion des Trumpismus. Auf jeder Wahlveranstaltung Donald Trumps sind die Jünger der QAnon-Bewegung zu sehen. Viele glauben wirklich, dass Demokraten Kinder essen. Dass Donald Trump versucht, die Welt vor Kinderschändern zu retten. Dass COVID-19 eine einzige große Täuschung ist. Und dass ein "deep state", ein "tiefer Staat" innerhalb der Regierung einen Kampf gegen Donald Trump führt und die Medien kontrolliert

    Welche Bedeutung hat Donald Trump?

    Donald Trump ist für die QAnon Anhänger und Anhängerinnen eine Art Heilsbringer, der gegen die Kinderschänder dieser Welt und den "deep state" kämpft - genau wie der geheimnisvolle "Q". So beschreibt es unter anderem die Chefredakteurin des Bostoner Polit-Magazins "The Atlantic", Adrienne LaFrance, die wochenlang zu QAnon recherchiert hat. Die Botschaften – die sogenannten Q-drops – sind politischer geworden. LaFrance erkennt in deren Inhalt und Sprache das ganze politische Repertoire von US-Präsident Donald Trump: gegen Demokratie, gegen das Establishment, gegen die Medien.
    Sowohl QAnon-Anhänger als auch Beobachter fragen sich vor diesem Hintergrund, ob der große Unbekannte hinter dem Pseudonym "Q" nicht Donald Trump selbst sein könnte.

    Distanziert sich Donald Trump von QAnon?

    Wird der US-Präsident offiziell nach QAnon gefragt, hält er sich bedeckt. Auf einer Pressekonferenz im August 2020 sagte er, er wisse nicht viel über die Bewegung. Doch die Anhänger würden ihn offenbar mögen und das begrüße er. Der Frage, ob er sich wirklich als jemanden sehe, der die Welt vor einem satanischen Kult, Kinderschändern und Kannibalismus retten wolle, sagte er: Wenn er die Welt vor Problemen retten könne, sei er gerne dabei. Und er stellte die Gegenfrage, ob das etwas Schlechtes sei.
    Gleichzeitig befeuert der Präsident die Bewegung selbst regelmäßig mit neuen Verschwörungstheorien. Trump hat QAnon-Posts weit über hundertmal retweetet – was jedes Mal ein wahres Vibrieren in der Fangemeinde auslöste. Zu seiner Nominierungsrede Ende August hatte Trump sogar QAnon-Anhänger auf den Südrasen des Weißen Hauses eingeladen. Der umstrittenen Republikanerin und früher offen bekennenden QAnon-Anhängerin Marjorie Taylor Greene gratulierte er zu ihrem Wahlerfolg.
    Taylor Greene
    Marjorie Taylor Greene ist eine republikanische Politikerin und Geschäftsfrau aus Georgia. Dort gewann sie die Vorwahlen für den US-Kongress und könnte nun im November 2020 in den Kongress gewählt werden. Greene ist bekannt dafür, dass sie bereits 2017 offen für die Mythen von QAnon geworben hat und die Bewegung unterstützte – unter anderem durch Videostatements in den sozialen Medien. Einige der Videos hat sie inzwischen gelöscht und äußert sich auf Anfrage von Journalisten meist gar nicht mehr zu der Bewegung. Lediglich Fox-News gegenüber sagte sie, dass sie in ihrer Wahlkampagne nie über "Q" oder "QAnon" gesprochen habe. Ihr Motto sei: "Save America, stop Socialism" (Rettet Amerika, stoppt den Sozialismus.)

    Was befürchten kritische Beobachter aus Politik und Medien?

    Der republikanische Abgeordnete Adam Kinzinger aus Illinois befürchtet, dass QAnon bereits zum Mainstream innerhalb der Republikanischen Partei geworden ist. Als bisher einziger Republikaner forderte er seinen Präsidenten und Parteikollegen Donald Trump öffentlich dazu auf, sich von QAnon und der einschlägigen Verschwörungs-Kultur zu distanzieren.
    Der Leiter des Trump-kritischen Think Tanks "Media Matters For America" Angelo Carusone beobachtet, dass QAnon eine immer größere Zahl an Gleichgesinnten, die politisch ansonsten keinerlei Resonanzboden hätten, zusammenführt. Für Donald Trump bringe das Wählerstimmen, so Carusone. Er hält das Gemisch aus politischer Mission, Opferkult und Verschwörungsphantasien, die bei QAnon zusammenkommen, für sehr gefährlich. Für ihn sind das Zutaten, die sich irgendwann gewaltsam entladen könnten. Die Drohung eines QAnon-Anhängers in der BBC bestätigt diese Einschätzung. Der Mann sagte, QAnon werde im Falle eines Wahlsiegs von Joe Biden ein Wörtchen mitzureden haben. "Wir sind groß, wir sind stark", drohte er. "Und wenn einer geht, gehen alle" - der Leitspruch der QAnon-Bewegung.
    (Quelle: Thilo Kößler, Christian Röther, Online-Redaktion)