"Ich mochte sie nie", sagte Dische über Hillary Clinton. Sie sei uncharmant, hart, man vertraue ihr nicht, sie habe keine Prinzipien. Dische selbst sähe lieber Bernie Sanders im Amt des US-Präsidenten, Clintons unterlegener Konkurrenten um die Kandidatur der Demokraten. Dass ein Jude und Sozialist wie er so weit gekommen ist und beinahe Kandidat geworden wäre, sei erstaunlich, so die Autorin, die in New York lebt. Dagegen sei es eigentlich kein Novum, dass Frauen das Zünglein an der Waage sein werden bei der Wahl.
Dische geht davon aus, dass Clinton die Wahl gewinnen wird. Sollte ihr republikanischer Herausforderer Donald Trump gewinnen, werde sie nach Europa auswandern, kündigte sie an.
Das Interview in voller Länge:
Michael Köhler: Erstmals ist nämlich eine Frau in der Arena um das höchste Amt in Amerika. Fast 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts steht mit der demokratischen US-Präsidentschaftskandidatin eine aussichtsreiche Frau zur Wahl. Das sollte im Land der unbegrenzten Möglichkeiten doch selbstverständlich sein, ist es aber nicht. Und es reicht allein auch nicht aus, im Gegenteil, viele sind skeptisch, misstrauen Hillary Clinton. Wenig beliebt ist sie. Das Lager der Bernie-Sanders-Anhänger und der Demokraten ist groß, war groß und ist unzufrieden. Die europäischen Verbündeten gruselt es vor Donald Trump im Weißen Haus. Mit der deutsch-amerikanischen Schriftstellerin Irene Dische, die wieder in New York lebt und einem größeren Publikum mit dem Roman "Großmama packt aus" bekannt wurde, habe ich darüber gesprochen und sie gefragt: Bei wem kommt den Hillary Clinton an?
Irene Dische: Ja, ach, nicht bei so vielen. Darüber wird sehr viel geschrieben, dass sie eigentlich nicht sehr gemocht wird. Hier in der Presse wird viel daraus gemacht, dass dieses Jahr zwei Menschen aufgestellt sind, die niemand leiden kann, und dass das schon eine merkwürdige Form der Demokratie ist. Ich hätte ja viel lieber Bernie Sanders im Amt gesehen.
Köhler: Hillary Clintons größte Schwäche ist ihre Unbeliebtheit.
Dische: Ja, also es gibt Leute, die finden, das gerade sollte ihren Charme ausmachen, dass sie so uncharmant ist – im Vergleich. Sie war es schon immer, und sie war schon, seitdem sie First Lady war, eigentlich unbeliebt. Die macht einen so harten Eindruck, man vertraut ihr nicht – ich mochte sie auch nie.
"Man wird getadelt als Bernie-Anhängerin"
Köhler: Man hört es schon, Ihr Herz schlägt auch nicht gerade für sie, ne?
Dische: Nein, absolut nicht. Man wird getadelt als Bernie-Anhängerin, weil man sagt, er hätte nicht durchführen können, was er vorhatte, aber eigentlich ging es um das Prinzip – also ich wäre sehr froh gewesen, wenn wir jemanden hätten, der Prinzipien hat. Das hat sie, glaube ich, nicht.
Köhler: Zwei Drittel der Bevölkerung glauben, das Land sei auf falschem Kurs. Um welche Wählergruppen kämpft Hillary Clinton?
Dische: Also sie ist 'middle of the road democrat', die hat ja einen sehr … der Vice President konservativ, 'he's not very/really exciting' und ist sehr sicher für ihre Sache. Es ist Standard, es ist alles beim Alten. Ich glaube nicht, dass man Change befürchten muss, aber wer weiß. Man hat Angst mit Hillary, dass sie zu sehr in der Tasche der Großbanken steckt, dass sie zu sehr 'hawkish' ist, Militär, dass sie ein 'Hawk' ist, dass sie zu aggressiv sein wird mit 'Foreign Policy'.
Köhler: Ein Adler der Außenpolitik?
Dische: Ja.
Köhler: Werden die farbigen Frauen und die Latinos die Wahl entscheiden, werden sie Hillary Clinton wählen?
Dische: Das glaube ich, also ich glaube überhaupt, die Frauen werden die Wahl entscheiden. Es scheint so zu sein, dass der Trump von Männern gewählt wird, einer bestimmten Art von Mann, und die Hillary von einer bestimmten Art von Frau. Und es ist zum ersten Mal wirklich eins gegen den anderen aufgestellt, das ist sehr witzig. Ich habe sehr gehofft, dass die Elizabeth Warren Vizepräsidentin werden würde, dass es dann zwei Frauen gegen zwei Männer wird. Aber sie war denen allen zu liberal, die war der Clinton zu liberal.
Köhler: Das klingt ja fast so, was Sie sagen, als würde es nicht um die Wahl zwischen Demokraten und Republikanern gehen, sondern um die Wahl zwischen Frau und Mann?
"Es hilft nichts, wenn sie sich ganz in Weiß anzieht"
Dische: Das wird so gesagt, wobei, da gibt es ja noch eine dritte Frau im Spiel, und das ist die Frau, die die Green Party leitet: Jill Stein. Ich möchte jetzt ein bisschen mehr über die erfahren, über ihre Chancen. Sie könnte ja natürlich viele Stimmen von der Hillary abziehen, unter anderem auch meine.
Köhler: Schriftsteller und Hollywoodgrößen haben sich für Hillary Clinton eingesetzt – hilft es ihr, wenn Meryl Streep und andere Kinogrößen Wahlkampf für sie machen, oder schadet das?
Dische: Schaden tut es nicht, aber man sagt, dass es auch nicht sehr viel hilft – so wird behauptet, dass es eigentlich gar keinen Unterschied macht. Mir ist es egal, es ist vielen egal. Viel wird letzten Endes, glaube ich, entschieden, weil Wähler, die Hillary nicht mögen, so furchtbar Angst vor Trump haben, eine gerechtfertigte Angst.
Köhler: Sie kann doch wenigstens die populistische Politik Trumps gegen die Eliten enttarnen, oder auch das nicht?
Dische: Ich meine, sie hat ja eine Garde um sich, die das gut können. Das hat man ja bei der Convention gesehen, dass sie … sie wahr uncharmant. Man hat von ihr gesagt, dass sie wie ein Roboter gewirkt hat, während die anderen, die Obamas, Mann und Frau, waren großartig, ihr Mann war großartig, sie hatte lauter wunderbare Redner dort. Elizabeth Warren, die viele gern gesehen hätte als Vizepräsidentin, die wird jetzt eingesetzt gegen Trump. Sie ist viel effektiver, sagt man, als Hillary es sein kann, weil Hillary sich so unbeliebt macht, weil sie so uncharmant ist. Sie ist so schrill, beleidigt, und es hilft nichts, wenn sie sich ganz in Weiß anzieht – wie so eine Jungfrau, eine Braut, kam sie da, um die Nominierung anzunehmen, ganz in Weiß gekleidet.
Köhler: Aber sie hat den besseren Apparat.
Dische: Als der Trump es hat …
Köhler: Ja.
Dische: … oder überhaupt, als die anderen es haben? Sie hat den besseren, als die anderen Kandidaten es haben, natürlich. Deswegen ist sie auch die Auserwählte.
Köhler: Aber ihr schlägt nicht das Herz der Bevölkerung entgegen, das höre ich bei Ihnen raus.
"Es ist so unwahrscheinlich, dass Trump überhaupt so weit gekommen ist"
Dische: Ja, das ist richtig. Wir werden es ja sehen, was passiert. Es ist so unwahrscheinlich, dass Trump überhaupt so weit gekommen ist. Ich hab ja immer wieder über die Wahl geschrieben in den letzten Jahren, alle vier Jahre, und ich habe selbst gearbeitet damals für Obama in dem Süden, in 2008/2012 wieder. Und ich hab für "Die Zeit" geschrieben, als die Sarah Palin mit McCain, das war die Zweite … Da war eine Frau, die sehr große Palin-Anhängerin war, und ich hab sie getroffen ein paar Tage nach der Wahl und hab sie gefragt, wie es ihr so geht. Und da sagte sie: Ihr werdet sehen, was passiert, weil jetzt ein Kommunist in dem Weißen Haus sitzt. Und dann hab ich gefragt: Was ist denn ein Kommunist, ich weiß es eigentlich gar nicht, was ein Kommunist ist. Und da sagte sie: Ich weiß auch nicht, was ein Kommunist ist. Und dann hab ich gesagt: Wieso sagen Sie, dass ein Kommunist im Weißen Haus ist, wenn Sie nicht wissen, was das ist? Und da sagt sie: Weil Sarah Palin sagt, dass er ein Kommunist ist, und ich glaube Sarah Palin. Das hat gereicht, das war eine Frau.
Köhler: Wen, glauben Sie, kann Hillary Clinton hinter sich sammeln?
Dische: Ja, die Frauen und die Liberalen, die Angst haben vor Trump. Ich gehe ja auch wählen. Ich hätte ja nicht für Hillary gewählt, aus dem einfachen Grund, dass sie den Krieg im Irak zugestimmt hat. Und das war für mich der Grund, weshalb ich nicht für sie gewählt hätte. Es reichte. Ich werde wahrscheinlich für sie wählen.
Köhler: Wäre eine Präsidentin Hillary Clinton eine Art Regierung Obama, dritter Teil?
Dische: Das glaube ich, ja. Und das ist ja nicht das Schlimmste. Ist zwar nicht so großartig, aber ist nicht das Schlimmste.
Köhler: Werden die Frauen das Zünglein an der Waage sein bei der Wahl?
"Ich denke, Hillary wird die Wahl gewinnen"
Dische: Ja, das glaube ich schon, das kann wirklich gut sein. Ich weiß nicht, wieso das so ein Novum ist. Ich fand es ein viel größeres Novum eigentlich, dass ein Jude, wie Bernie Sanders, der ein selbst ernannter Sozialist ist, so weit kommt. Das war doch viel erstaunlicher. Er war ja nah dran, Kandidat zu werden. Es geht nicht jüdischer als er, auch wenn er eine nicht jüdische Frau hat. Und noch viel gravierender: dass jemand, der sagt, dass er Sozialist ist, das bricht ja jedes Tabu hier. Also eigentlich finde ich ihn viel erstaunlicher, und die große Hoffnung ist, dass die ganzen jungen Leute, die er mobilisiert hat, nicht locker lassen werden und werden die Regierung in eine Richtung treiben und irgendwann aus ihrer eigenen Generation jemand aufstellen, der so liberal ist, wie Bernie Sanders es war.
Köhler: Ist das Land so gespalten, wie die Kandidaten unterschiedlich sind?
Dische: Ja, das ist ein guter … Ich finde, das stimmt. Das stimmt wirklich. Ich denke, Hillary wird die Wahl gewinnen. Ich meine, wenn sie es nicht tut, dann … Ich hab ja eine österreichische Bürgerschaft (Staatsbürgerschaft, Anmerkung der Redaktion), da würde ich von Gebrauch machen.
Köhler: Meinen Sie das ernst?
Dische: Ja, das meine ich ernst.
Köhler: Dass Sie das Land verlassen würden?
Dische: Ja, das kann ich ja. Ich hab ja reichlich Bindungen nach Europa, ich bin da im Vorteil.
Köhler: Das sagt Irene Dische, die deutsch-amerikanische Schriftstellerin, die in New York lebt, und sie hat sich zur Wahl geäußert und zu den Chancen von Hillary Clinton.
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