Dieser Wandel, von dem auch Europa betroffen sei, lasse sich an den Wahlergebnissen verschiedener Länder ablesen. Zudem wollten Teile der Bevölkerung "bei der Politik einfach nicht mehr mitmachen", sagte Kornblum. Im digitalen Zeitalter würden sich viele Dinge ändern, auch die Politik.
Trump habe ein sehr konservatives Kabinett einberufen, oberstes Ziel seiner Politik werde künftig sein "to make America great again". Aber auch in die "Pflege der Basis", den Kontakt zu seinen "Loyalisten", werde das künftige Staatsoberhaupt der USA viel Zeit investieren, ist Kornblum überzeugt. Europa müsse Donald Trump mit einer konkreten Agenda an Sachthemen begegnen, über die dann verhandelt werden könne. "Es ist sehr wichtig, dass Europa nicht auftritt als EU mit Institutionen", betonte Kornblum, "sondern mit einer Liste von Dingen, die mit Trump auszuhandeln sind, etwa Handel, Umwelt, Digitalisierung".
"Man kann Russland nicht mehr als Partner betrachten"
Mit Blick auf das heutige Treffen des NATO-Russland-Rates in Brüssel sagte Kornblum, die Beziehungen zwischen dem russischen Staatschef Wladimir Putin und dem Westen seien niemals schlechter gewesen: "Das heißt nicht, dass wir Krieg mit Russland haben werden. Aber es heißt, dass man Russland nicht mehr als Partner betrachten kann. Russland ist jetzt ein Gegner, der versucht, mit neuen und ungewöhnlichen Methoden Einfluss zu bekommen."
Dass der designierte US-Außenminister Rex Tillerson so enge Beziehungen zu Russland und zu Putin pflege, werde in den USA nicht unbedingt als Chance für eine Verbesserung der Beziehungen beider Länder betrachtet, sondern eher kritisch gesehen, sagte Kornblum. "Herr Tillerson ist ein hervorragender Geschäftsmann und wahrscheinlich kann er auch ein sehr guter Außenminister sein." Doch man wisse nicht, was Putin vorhabe, sagte der ehemalige US-Botschafter in Berlin, John Kornblum, im Deutschlandfunk.
Das komplette Interview zum Nachlesen:
Dirk-Oliver Heckmann: Mitgehört hat John Kornblum, während der Präsidentschaft Bill Clintons amerikanischer Botschafter in Deutschland. Guten Tag, Herr Kornblum!
John Kornblum: Guten Tag.
Heckmann: Viele Deutsche, aber auch viele Amerikaner können sich immer noch nicht an den Gedanken gewöhnen, dass Donald Trump der nächste amerikanische Präsident wird. Haben Sie sich bereits an den Gedanken gewöhnt?
Kornblum: Ja, natürlich. Ich meine, sehr glücklich bin ich nicht, aber dass er gewählt worden ist, hat viele Ursachen. Aber vor allem, dass es tatsächlich einen Zeitenwechsel gibt in der Politik der westlichen Welt, auch in Europa. Und da müssen wir nicht nur damit leben, sondern uns versuchen, darauf einzustellen.
Heckmann: Ein Zeitenwechsel in der Welt. Jetzt gibt es ja zwei Denkschulen. Die einen sagen, das Ganze gibt eine Katastrophe, und zwar in jeder Beziehung. Andere sagen, wir sollten Donald Trump erst mal an seinen Taten messen. Was denken Sie, worauf deuten denn die ersten Taten hin?
Kornblum: Na ja, Herr Kößler hat es schon gesagt: Er hat ein sehr konservatives Kabinett einberufen. Und er wird versuchen, das mit Politik zu bestücken, was er schon vorher gesagt hat: To make America great again. Aber genauso bezeichnend ist, dass er sozusagen eine Siegestour gemacht hat in den letzten Tagen, wo er überall im Lande hingefahren ist, wo seine Unterstützer waren, seine Loyalisten, und man kann sehen, dass er auch genauso viel Zeit verbringen wird, diese Basis sozusagen zu pflegen als auch Politik zu machen.
Heckmann: Sie haben gerade von einem Zeitenwechsel gesprochen. Wie genau wird der zum Ausdruck kommen?
Kornblum: Na ja, man sieht es schon in den Wahlergebnissen in den verschiedenen Ländern. Man sieht es auch schon in der Tatsache, dass verschiedene Teile der Bevölkerung einfach nicht mehr mitmachen wollen mit Politik, die, wie man meinte, schon seit Langem eingebürgert war. Man sieht es daran, wie es um Arbeitsplätze geht und wie kämpferisch viele geworden sind. Das digitale Zeitalter ist teilweise der Grund. Aber sehr viele Sachen ändern sich und die Politik ändert sich auch damit.
Heckmann: CIA und FBI, die zeigen sich davon überzeugt, dass Moskau die letzten Wahlen beeinflusst hat, und zwar durch Hackerangriffe. Präsident Obama, der hat jetzt Vergeltung angekündigt. Heute tagt der NATO-Russland-Rat. Waren die Beziehungen zwischen dem Westen und Putin aus Ihrer Sicht schon einmal schlechter?
Kornblum: Ich glaube nicht, dass sie schlechter waren als jetzt. Nein! Putin hat aus irgendwelchen Gründen sich entschlossen, den Westen regelrecht herauszufordern mit den Fähigkeiten, die er entwickelt hat in der sogenannten Cyberwelt, also in den elektronischen Medien etc.. Und ich finde, das ist schon eine sehr vereiste, vielleicht sogar gefährliche Herausforderung. Und der Westen muss davon Kenntnis nehmen und auch seine Politik zu Russland dementsprechend auch ändern oder mindestens feinabstimmen.
Heckmann: In welcher Weise?
"Russland ist jetzt ein Gegner"
Kornblum: Zum Beispiel die Idee, dass wir ein gemeinsames Sicherheitssystem mit Russland haben werden irgendwann in den nächsten zehn bis 15 Jahren, scheint mir jetzt für immer vergessen zu sein. Das heißt nicht, dass wir Krieg mit Russland haben werden, aber es heißt, dass man Russland nicht mehr als Partner betrachten kann. Russland ist jetzt ein Gegner, der versucht, mit neuen ungewöhnlichen Methoden auch als ein an sich sehr schwaches Land Einfluss zu bekommen. Das sind Tatsachen, die man einfach akzeptieren muss. Und das bedeutet, ich nehme den Ausdruck Kalter Krieg, dass wir ...
Heckmann: Oh! An der Stelle wird die Leitung sehr schlecht, Herr Kornblum. Vielleicht können Sie sich noch ein bisschen weiter Richtung Fenster bewegen. Wir erreichen John Kornblum am Flughafen in Nashville Tennessee. Er muss gleich sein Flugzeug betreten. Trotzdem noch eine letzte Frage: Trump macht einen Putin-Freund zum Außenminister. Einige Experten wie Wolfgang Ischinger sagen, darin könnte auch eine Chance liegen, gerade mit Blick auf Syrien.
Kornblum: Das weiß man natürlich nicht, weil man weiß nicht, was Putin vorhat. Ich muss es sagen: Herr Tillerson ist ein hervorragender Geschäftsmann und wahrscheinlich kann er auch ein sehr guter Außenminister sein. Aber er hat tatsächlich sehr enge Beziehungen nicht nur zu Russland, aber auch zu Putin gehabt, und das wird ihm von vielen in Amerika angekreidet. Nicht als eine Gelegenheit, dass man mit Putin gut auskommen kann, sondern eher, dass er zu nahe an Putin ist und deshalb nicht objektiv ist.
Heckmann: Ganz zum Schluss gefragt. Was würden Sie der deutschen Regierung und den europäischen Regierungen insgesamt raten? Wie sollten sie auftreten gegenüber Trump?
"Europa muss konkrete Agenda befolgen"
Kornblum: Ich habe eine ziemlich klare Meinung dazu. Ich glaube, es wird jetzt sehr wichtig sein, dass Europa nicht auftritt als Europäische Union mit Institutionen und so, sondern mit einer sehr konkreten Agenda, einer Agenda mit natürlich Sachen wie Handel, Sachen wie Werte, Sachen wie Digitalisierung, Umwelt. Die Liste von Fragen, die für Europa und für die Welt sehr wichtig sind, die man mit diesem Amerika von Trump auch aushandeln muss, ist ziemlich lang. Aber ich glaube, es hilft nichts, wenn man sagt, hier sind wir als Europa und Sie müssen mit uns als Europa handeln, sondern es ist viel wichtiger, dass man Sachpunkte hat und dann eine konkrete Agenda mit Amerika, mit Trump befolgt.
Heckmann: Donald Trump wird heute zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt werden. Wir haben darüber gesprochen mit John Kornblum, dem langjährigen Botschafter der USA hier in Deutschland. Ihn haben wir am Flughafen in Nashville in Tennessee erreicht. Herr Kornblum, danke Ihnen für das Gespräch und guten Flug.
Kornblum: Ich bedanke mich.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.