Bis vor einigen Wochen hofften die Demokraten auf eine "blaue Welle", also deutliche Zugewinne für ihre Partei im Kongress und in den Bundesstaaten - und das beflügelt durch eine "rosa Welle" wütender Wählerinnen, die Trump einen Denkzettel verpassen wollen. Zumal sich diesmal über 250 Frauen für Sitze im Kongress bewerben, die meisten sind Demokratinnen.
Doch ausgerechnet die erbitterte Auseinandersetzung um die Berufung Brett Kavanaughs an den Obersten Gerichtshof hat Trump und den Republikanern im Wahlkampf-Endspurt Rückenwind beschert. Die Demokraten hätten mit ihren Vorwürfen sexueller Belästigung maßlos überzogen, sagt Trump bei jedem Wahlkampfauftritt:
"Wie die den Mann behandelt haben, sowas habe ich noch nie erlebt. Aber damit haben sie uns sehr geholfen: wir Republikaner sind jetzt so motiviert wie nie zuvor!"
Meinungsforscher rechnen mit hoher Wahlbeteiligung
Trump glaubt, der Streit um Kavanaugh habe die republikanischen Wähler rechtzeitig wachgerüttelt. Tatsächlich stellen die Meinungsforscher seither eine größere Motivation bei konservativen Wählern fest, sich doch an der Wahl zu beteiligen. Da auch viele demokratische Wähler unbedingt ihre Stimme abgeben wollen, rechnen Meinungsforscher schon jetzt mit einer für Kongresswahlen ungewöhnlich hohen Wahlbeteiligung. Vor vier Jahren gab nur jeder dritte Wahlberechtigte seine Stimme ab. "Versprecht mir, auch ja zur Wahl zu gehen!" appelliert Trump an seine Anhänger: "Seid bloß nicht nachlässig!"
Wie kaum ein Präsident vor ihm schaltet sich Donald Trump in den Kongresswahlkampf ein. Auch wenn sein Name gar nicht auf dem Stimmzettel steht, erklärt Trump den 6. November zum Stimmungsbarometer über seine ersten beiden Amtsjahre. Obwohl bei Zwischenwahlen oft die Opposition gewinnt, fühlt sich Trump aufgrund jüngster Erfolge im Aufwind: schon zwei konservative Richter am Supreme Court platziert; Pastor Brunson nach zwei Jahren Haft aus der Türkei nach Hause geholt; die niedrigste Arbeitslosenquote seit 50 Jahren.
Vor allem die boomende Wirtschaft sei in Gefahr, warnt Trump, wenn die Demokraten die Macht im Kongress bekommen. Er befürchte dann Verhältnisse "wie in Venezuela". Gegen solch polemische Äußerungen regt sich bei den Republikanern keine Kritik. "Die Republikanische Partei ist die Trump-Partei", sagt der frühere Parteiführer Newt Gingrich im Radiosender NPR, "denn seine Zustimmung unter republikanischen Wählern liegt um die 90 Prozent."
Demokraten haben Chancen auf Mehrheiten im Repräsentantenhaus
Auch wenn die Republikaner aufholen - nach jüngsten Umfragen haben die Demokraten immer noch gute Chancen, die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückzuerobern. Im Senat dagegen sieht es so aus, als könnten die Republikaner ihre bisher knappe Mehrheit leicht ausbauen. Der Grund für diese gegenläufige Tendenz: Nur ein Drittel der Senatoren steht zur Wiederwahl, darunter diesmal ausgerechnet viele demokratische Amtsinhaber, die in Trump-Hochburgen antreten müssen. Nur eines ist wohl sicher: es bleibt spannend bis zum Wahltag.