Archiv

USA
Ein Jahr nach rechter Gewalt in Charlottesville

Vor einem Jahr eskalierte in Charlottesville im US-Bundesstaat ein Aufmarsch rechter Gruppierungen - eine Frau kam dabei ums Leben. Die Stadt stand unter Schock - und ringt bis heute mit ihrer Identität. Zum Jahrestag will die rechte Szene erneut mobil machen - mit einer Demonstration in Washington.

Von Thilo Kößler | 11.08.2018
    Rechtsextreme am Lee Park in Charlottesville.
    Vor einem Jahr protestierten in Charlottesville Rechtsextreme. Auslöser war der geplante Abriss eines Denkmals (imago / ZUMA Press)
    Was als Protest gegen den Abriss eines Denkmals geplant war und als Manifestation der Geschlossenheit der rechten Szene, eskalierte zu einer veritablen Straßenschlacht. Rechtsextreme, die Naziparolen brüllten wie: "Wir lassen uns nicht von Juden ersetzen", gingen wie paramilitärische Einheiten auf Gegendemonstranten los
    Die Unruhen eskalierten, als ein junger Mann, der sich später als amerikanischer Neonazi entpuppte, in eine Gruppe von Gegendemonstranten fuhr. Heather Heyer, eine 32-jährige Frau, erlag noch am Ort des Geschehens ihren Verletzungen. Zu verantworten hatte den Aufmarsch samt Gewaltexzessen der rechtsextreme Blogger Jason Kessler, der damals die gesamte rechte Szene der Vereinigten Staaten zu einer sogenannten "Unite-the-Right"-Demonstration aufgerufen hatte: Vereinigt die Rechte.
    Versammlung verschiedenster Rassisten
    Anlass war die geplante Entfernung eines Denkmals für den Südstaaten-General Robert E. Lee, der im Bürgerkrieg die konföderierten Truppen an der Seite der Anhänger der Sklaverei angeführt hatte. Gekommen waren nicht nur Verfechter der White Supremacy, der weißen Vorherrschaft, sondern auch Neonazis und bekannte Ku-Klux—Größen. Zum Beispiel der ehemalige Chef dieses rassistischen Geheimbundes, David Duke: Er machte sich zum Vorkämpfer für Donald Trumps Wahlversprechen. Die Weißen würden sich jetzt ihr Land zurückholen, brüllte Duke in die Mikrofone.
    Am Tag danach stand Charlottesville unter Schock. Die Unruhen seien von radikalen Kräften in die Stadt getragen worden, beeilten sich die Stadtoberen zu versichern. Sie hätten mit ihrer friedlichen Stadt in Virginia nichts zu tun gehabt.
    Das Narrativ von den Außenseitern sei falsch: Zwei der Organisatoren kamen als Absolventen der University of Virginia aus Charlottesville, stellt Nikuya Walker klar. Die 38-Jährige wurde nach den Unruhen zur ersten afroamerikanischen Bürgermeisterin von Charlottesville gewählt – ihr weißer Vorgänger wurde ebenso aus dem Amt gewählt wie der weiße Polizeipräsident der Stadt.
    Stadt ringt mit ihrer Identität
    Bis heute ringt die Stadt mit ihrer Identität – was sich z.B. am anhaltenden Streit über die Südstaaten-Denkmäler zeigt. Nikuya Walker ist es bis heute nicht gelungen, die Statue von Robert E. Lee aus der Stadt zu verbannen. Die Bürgermeisterin weiß, dass diese Monumente von der afroamerikanischen Bevölkerung als Symbole des Rassismus und für den Anspruch der weißen Vorherrschaft wahrgenommen werden.
    Deshalb hätten die Rechtsextremen vor einem Jahr den offenen Streit gesucht, glaubt der Politologe George Hawley von der Alabama State University in Tuscaloosa: Er hat ein Buch über die rechtsextreme Alt-Right-Bewegung geschrieben, diese politische Sammlungsbewegung, die sich Alternative Rechte nennt. Das sei keine organisierte Bewegung, eher eine lose Gruppierung Gleichgesinnter, sagt er. Und sie hätte mit den gängigen Nationalsymbolen amerikanischer Patrioten eigentlich gar nichts im Sinn. Alt-Right sei einfach nur rassistisch.
    Während etliche Beobachter der rechten Szene in den USA glauben, dass sich die Alt-Right-Bewegung mit den Unruhen von Charlottesville mehr geschadet als genutzt hat, warnen Bürgerrechtler vor jeder Verharmlosung. Sie verweisen auf die Reaktionen Donald Trumps, die entlarvend gewesen seien und darauf abgezielt hätten, die äußerste Rechte politisch hoffähig zu machen. Trump hatte nach Unruhen von Charlottesville erklärte, er habe unter den rechtsextremen Schlägern ebenso viele anständige Leute ausmachen können wie auf Seiten der Gegendemonstranten.
    Kritische Aussagen Donald Trumps
    Damit habe der Präsident seine Maske fallen lassen, sagen viele afroamerikanische Bürgerrechtler. Sie finden es beunruhigend, mit welcher Selbstverständlichkeit Donald Trump immer wieder rassistische Reflexe seiner Anhänger bedient – wenn er etwa Mexikaner pauschal zu Verbrechern erklärt. Oder afroamerikanischen Politikern, Journalisten oder Sportlern unterstellt, einen niedrigen Intelligenzquotienten zu haben.
    Bryan Stevenson, Gründer der Bürgerrechtsorganisation Equal Justice Initiative aus Montgomery in Alabama, sieht diese politischen Tendenzen als Folge der unterbliebenen Aufarbeitung der Sklaverei. Die Verfechter der weißen Vorherrschaft seien nicht stärker geworden, sagt er. Es habe sie immer gegeben. Nur könnten sie sich unter Donald Trump jetzt offen zeigen.
    Zum Jahrestag von Charlottesville, am Sonntag, will die rechte Szene Amerikas erneut mobil machen. Dieses Mal in Washington DC – in Rufweite zum Weißen Haus.