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USA-Experte über Donald Trump
„Er versucht aus diesen Wunden noch Vorteile für sich zu schlagen"

US-Präsident Donald Trump sei ein Stichwortgeber derer, die in den USA fremdenfeindliche Anschläge begingen, sagte der Politologe Thomas Jäger im Dlf. Trump wolle die Menschen zwar nicht radikalisieren, aber er wolle deren Stimmen. Er versuche die Polarisierung der Gesellschaft für sich zu nutzen.

Thomas Jäger im Gespräch mit Martin Zagatta |
Der Politikwissenschaftler Thomas Jäger
Der USA-Experte Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik an der Universität zu Köln (imago stock&people)
Martin Zagatta: Die USA haben ein blutiges Wochenende hinter sich: 29 Tote und dutzende Verletzte sind zu beklagen nach gleich zwei Mordanschlägen am Wochenende. Für Aufsehen sorgt dabei besonders der Vorfall im texanischen El Paso an der Grenze zu Mexiko, weil der Täter dort offenbar aus Hass geschossen hat, aus Hass auf Zuwanderer – ein Umstand, der auch Präsident Trump in Bedrängnis bringt, wie Thilo Kößler berichtet.
Aus Washington war das ein Bericht von Thilo Kößler, und mitgehört hat der USA-Experte Professor Thomas Jäger von der Universität hier in Köln. Hallo Herr Jäger!
Thomas Jäger: Grüße Sie, Herr Zagatta!
Zagatta: Herr Jäger, die Behörden sprechen jetzt von inländischem Terrorismus, meinen damit diesen Anschlag in El Paso an der Grenze mit Mexiko vor allem. Ist das so etwas so Neues in den USA oder hat es das nicht immer wieder gegeben? Also hat das jetzt eine neue Qualität?
Jäger: Das hat es immer wieder gegeben, es gab immer wieder Anschläge, auch terroristische Anschläge in den Vereinigten Staaten, die kamen in den 60er-Jahren von links und später von rechts. Die neue Qualität, die die Situation hat, die ist, glaube ich, damit gegeben, dass der Präsident wenigstens ja, man muss schon sagen, sozusagen auf die Seite neigt derer, die hier Anschläge ausüben, dass er ihnen die Stichworte gibt, dass er die Ideologie, die hinter der Radikalisierung zumindest eines der Täters, und wenn wir Charlottesville mit reinnehmen, noch mehrerer stecken, dass er dem Vorschub leistet.
"Es geht ihm nur um den Wahlkampf 2020 geht"
Zagatta: Aus Ihrer Sicht, Sie kennen das Land ja sehr gut, auch schon lange Jahre: Ist Trump da mit schuld?
Jäger: Ja, ohne Frage, wobei es ihm – und das ist das eigentlich Perfide an der Lage – schlicht und ergreifend nur um den Wahlkampf 2020 geht. Ihm ist sozusagen nicht daran gelegen, die Menschen zu radikalisieren, er möchte nur ihre Stimme. Das ist sozusagen eine unbeabsichtigte Nebenfolge der Politik der Polarisierung, die Präsident Trump seit einigen Wochen in aller Schärfe betreibt.
Zagatta: Jetzt soll es ja da bei dem Anschlag in El Paso auch ein Manifest geben, da hat der Attentäter offenbar über die hispanische Invasion von Texas geklagt, seinen Anschlag damit begründet, wenn das alles so stimmt. Das sind auch Begriffe, wie sie Trump gebraucht hat. Bringt ihn das jetzt nicht in Schwierigkeiten?
Jäger: Das bringt ihn bei seinen Anhängern nicht in Schwierigkeiten. Das ist ja genau seine Kalkulation. Trump geht davon aus, dass er die Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft ausbeuten kann für sich, dass es ihm gelingt, dieses Drittel gläubiger Republikaner in jedem Fall zu mobilisieren.
Und wenn die Demokraten jetzt auch noch ganz scharf auf ihn reagieren, dann wird er seine Wähler noch eher an die Urnen bringen können. Aber die Ideologie dahinter, die ja auch aus Europa kommt, die in den Anschlägen in Christchurch in Neuseeland eine Rolle spielte, ist eben, dass die Ursprungsgesellschaft – und das muss man ja in den Vereinigten Staaten dann schon ganz groß in Zweifel ziehen –, im Verständnis derer, die diese Ideologie betreiben, ausgetauscht wird, dass ein großer Austausch stattfindet, und das ist das Stichwort, zwischen der Bevölkerung, die derzeit dort lebt, und all denjenigen, die kommen.
Und das ist das ideologische Moment, das Trump eben mit seinem Begriff der Invasion herausgekitzelt hat.
"Das Land wird sich weiter spalten"
Zagatta: Jetzt haben die Amerikaner, zumindest aus der Ferne betrachtet, ja doch immer auch wieder ein großes Sicherheitsbedürfnis. Das FBI soll erst vor wenigen Tagen vor einer solchen Entwicklung gewarnt haben, vor ideologisch motivierten Hassverbrechen. Sorgt das jetzt nicht für eine große Unruhe und warum schadet das Trump dann tatsächlich nicht?
Jäger: Nun, das wird für Unruhe sorgen und wir werden auch in dieser Diskussion sehen, dass sich das Land weiter spaltet, dass es diejenigen gibt, die sagen, der Präsident ist schuld daran, und die anderen, die sagen, nein, da sind Einzelne, die krank sind, die zu diesen Taten fähig sind und damit das große Ganze sogar desavouieren, indem man nicht mehr in der Lage ist, darüber so zu diskutieren, wie die Rechten das eigentlich wollen.
Es gibt ja noch eine zweite Ebene, die hier völlig verstört, nämlich, dass ein Großteil der Amerikaner – und das schwankt in Umfragen zwischen 60 und 70 Prozent – eigentlich dafür sind, dass man die Waffengesetze verschärft, aber die Waffenlobby über ihre Organisation und die Spenden an die Abgeordneten immer wieder in der Lage ist, diese Diskussion zu unterdrücken und Gesetzesverschärfungen zu verhindern.
Und das wird dann auch die demokratische Partei treffen, denn hier gibt es eine Reihe von Abgeordneten, gerade aus den urbanen Zentren, die sagen, jetzt müssen wir aber verschärft auch dieses Thema adressieren, und die konservativen Demokraten, die im Land gewählt werden, die denken, hoffentlich muss ich mich dazu nicht äußern, denn damit verschrecke ich die Wähler zu Hause.
Zagatta: Das ist ja eine Diskussion, die wir immer wieder erleben aus den USA nach Anschlägen mit vielen Toten. Jetzt hat Trump dann nach früheren Anschlägen, nach Amokläufen ja selbst schon striktere Waffengesetze angekündigt. Waren das bisher nur leere Worte?
Jäger: Das waren bisher leere Worte, halbautomatische Waffen sind immer noch erlaubt, die Hintergrundchecks funktionieren nicht, und wenn man die Person des Präsidenten mit in die Betrachtung hineinnimmt, besteht hier nun wirklich auch ein Problem jetzt für die politische Kultur der USA, denn solche Anschläge, die reißen Wunden in die kollektive Psyche, und während es Präsident Obama etwa gelungen ist, dann die richtigen Worte zu finden, die richtigen Gesten zu setzen, ist das etwas, was Präsident Trump überhaupt nicht liegt, was momentan eben seinen taktischen Interessen widerspricht. Und deswegen tritt er nicht als der große Versöhner einer verwundeten Nation auf, sondern versucht, selbst aus diesen Wunden noch Vorteile für sich zu schlagen.
Trumps Kalkulation
Zagatta: Was heißt das für die Gesellschaft? Das klingt ja bedrohlich.
Jäger: Das klingt bedrohlich und das ist auch das, was die Vereinigten Staaten strukturell seit Jahren in eine ganz schwierige Lage bis hin zur Unregierbarkeit getrieben hat, nämlich, dass die Polarisierung der Gesellschaft so weit geht, dass man – und jetzt vergröbere ich etwas – 30 Prozent gläubige Republikaner auf der einen Seite hat, 30 Prozent gläubige Demokraten auf der anderen, die schon überhaupt keine gemeinsame Gesprächsebene mehr finden, die nicht mehr wissen, wie sie bestimmte Probleme gemeinsam bereden sollen, die sich gegenseitig für unamerikanisch halten, und in der Mitte ein Drittel, das mal auf die eine und mal auf die andere Seite schwankt.
Und Trumps Kalkulation ist: Je schärfer dieser Gegensatz vor der nächsten Präsidentschaftswahl wird, desto höher sind seine Chancen.
Zagatta: Was bedeutet das, Herr Jäger, Sie kennen ja beide Gesellschaften und beobachten die USA sehr lange, was bedeutet das unter Umständen für Deutschland? Erleben wir da nicht vielleicht, also nicht in diesem Ausmaß, aber vielleicht auch eine ähnliche Entwicklung? Wir haben ja hier auch im Moment Mordanschläge der unterschiedlichsten Art, also da wurde der CDU-Politiker Lübke umgebracht, offenbar von einem Rechtsterroristen, jetzt haben wir diese Debatte um vereinzelte Mordtaten an Bahnhöfen, das Aufsehen, dass dieser Schwert- oder Machetenmord da in Stuttgart erregt hat: Erleben wir etwas Ähnliches in Deutschland auch?
Jäger: Nun, es gibt eine große Kraft, die dem entgegensteht, und das ist jetzt das richtige Medium, das zu loben, das sind die deutschen Medien, die in der Lage sind, eine gesellschaftliche Diskussion noch zu führen.
Das ist anders als in den Vereinigten Staaten, in denen die Nachrichten quasi abgeschafft sind, in denen es nur noch Meinungsfernsehen gibt, in denen der hohe Fernsehkonsum und daran angeschlossen der hohe Konsum sozialer Medien eben dazu führt, dass man nur noch in seiner eigenen Echokammer lebt, nur noch mit Gleichgesinnten spricht, überhaupt nicht mehr in die Lage versetzt wird, seine eigene Argumentation, seine eigene Sichtweise mal zu überprüfen und eine andere Meinung zu hören. Das ist das, was in den Vereinigten Staaten diese Schärfe hineingebracht hat.
Und das ist etwas, worauf man in Deutschland achten muss, dass das genau nicht geschieht, denn was ähnlich ist wie in den Vereinigten Staaten, das ist, dass verschiedene Politiker erkannt haben, dass man in dieser Zeit des internationalen Umbruchs und des gesellschaftlichen Umbruchs, wo Unsicherheit entsteht, die Digitalisierung Fragen aufwirft, viele Menschen verunsichert sind über das, was sie in Zukunft erwartet, dass man da mit einfachen Lösungen, mit populistischen Parolen eben Anhänger gewinnen kann.
Und Demokratien sind aufgerufen, eben genau dagegen vorzugehen. In den Vereinigten Staaten hat ein Populist gewonnen, und das Resultat ist, dass die gesamte politische Diskussion durch dessen Meinungsführerschaft und durch dessen Setzung der Tagesthemen immer wieder in diese Richtung getrieben wird.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.