Archiv

USA-Experte zu G7 und Europa
"Wir müssen diesen Kontinent wetterfest machen"

"Amerika hat die Wertegemeinschaft der G7 mit Füßen getreten", sagte der USA-Experte Josef Braml im Dlf. Europa müsse strategischer denken und sich für die nächste Wirtschaftskrise wappnen. Dass Frankreichs Präsident jetzt das Mercosur-Abkommen blockiere, sei kontraproduktiv.

Josef Braml im Gespräch mit Sandra Schulz |
US-Präsident Donald Trump und der franzözische Staatschef Emmanuel Macron beim G7-Gipfel in Biarritz, Frankreich, am 24.8.2019
Man müsse jetzt das Format G7 anpassen, forderte Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik im Dlf (AFP / Nicholas Kamm)
Sandra Schulz: Pünktlich zum Auftakt dieses G7-Treffens zieht US-Präsident Donald Trump jetzt im Handelsstreit mit China die Zollschraube weiter an. Die ohnehin schon beschlossenen Abgaben für chinesische Importwaren sollen angehoben werden, die noch ausstehenden Güter im Wert von 300 Milliarden Dollar mit höheren Zöllen als bislang geplant belegt werden.
Josef Braml, bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik leitet er das Programm "USA/Transatlantische Beziehungen". Schönen guten Tag!
Josef Braml: Guten Tag, Frau Schulz!
Schulz: Inwiefern ist dieser nächste Eskalationsschritt, den Trump jetzt macht im Handelskonflikt mit China, eine Botschaft an den G7-Gipfel?
Braml: Ja, Trump wird wahrscheinlich noch ein paar mehr Botschaften für den G7-Gipfel auf Halde haben – wir denken an den letzten, als er das Kommuniqué dann 15 Minuten nach Verlautbarung einseitig gekündigt hatte. Dieses Mal setzt man gar kein Kommuniqué mehr auf, das ohnehin nichtssagend gewesen wäre. Also nicht mal dazu hat man mehr den Mumm in der sogenannten Wertegemeinschaft. Amerika hat diese Wertegemeinschaft der G7 mit Füßen getreten und damit auch den letzten Grund, die letzte Raison d'Être, überhaupt so etwas Anachronistisches wie die G7 am Laufen zu halten.
Das Satellitenfoto zeigt Rauch bei einem Waldbrand im brasilianischen Bundesstaat Para.
EU-Politiker: Parlament wird dem Abkommen so nicht zustimmen

Bei der Bundesregierung spielten Exportinteressen eine größere Rolle als Umwelt- und Klimaschutz, sagte der EU-Politiker Bernd Lange (SPD) im Dlf. Die EU müsse beim Mercosur-Vertrag nachverhandeln und Sanktionsmöglichkeiten einbauen – sonst werde man Bolsonaro nicht in den Griff bekommen.
Schulz: Wenn die Erwartungen jetzt zusammenschnorren – Sie skizzieren es ja gerade – von Mal zu Mal, wann ist dann der Punkt erreicht – oder haben Sie es eigentlich zwischen den Zeilen gerade schon beantwortet? Ist der Punkt erreicht, an dem man es auch lassen könnte?
Braml: Na ja, gut, man kann das machen, man könnte aber auch anderes machen. Man muss, so wie die Ökonomen sagen, auch immer die Opportunitätskosten sehen, das heißt, was man in dieser Zeit sonst hätte machen können. Wenn man sich jetzt dann mit den Ländern ins Benehmen setzte – nehmen Sie Brasilien oder China, dann innerhalb der G20 –, dann käme man sicher einen Schritt weiter, egal ob man jetzt das Klima retten will oder die anderen Brände löschen will, die es da auch gibt: einen Handelskrieg, Währungskrieg et cetera.
"Man muss jetzt das Format anpassen"
Schulz: Aber das Treffen in einer Runde, die zumindest bis auf Weiteres noch behauptet, gemeinsame Werte zu haben, ist das nicht auch eine wichtige Bühne in Zeiten, in denen der Multilateralismus von Bedrohungen von diversen Seiten getroffen ist?
Braml: Ja, so multilateral ist das nicht. Wir reden hier von etwa zehn Prozent der Weltbevölkerung, die hier vertreten wird. Sicherlich, es geht da um 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, und vielleicht liegt da auch das Problem begraben. Man unterhält sich da über Ungleichheiten und andere Sachen, die man teilweise dann auch selber verursacht hat. Insofern ist das schon redlich, nur man muss jetzt doch das Format anpassen an die neuere Zeit. Das ist aus der Zeit gefallen, das ist wirklich nicht mehr gemäß. Man sollte jetzt mit denen zusammen reden, die dann auch Abhilfe schaffen können, sei es jetzt in Klimafragen oder bei den anstehenden Währungskriegen – Handelskriege haben wir ohnehin schon seit Längerem.
Schulz: Aber ehrlicherweise eine ähnliche Kritik hören wir regelmäßig ja auch zum G20-Gipfel. Da wird dann auch gesagt, das Treffen in dieser Runde, was soll das denn bringen.
Braml: Ja, beim G20-Gipfel gibt es dann Möglichkeiten, dass die relevanten Spieler sich am Rande des Gipfels unterhalten. Das ist ja nicht nur bei akademischen Konferenzen so, dass das Hauptprogramm nicht immer das interessanteste ist. Da gibt es dann auch Nebengipfel, und auch Trump hatte Nebengipfel genutzt. Da kann man das eine oder andere dann doch besprechen und vielleicht doch entschärfen – das konnte man beim letzten G20-Gipfel. Ich glaube, dass man die Formate dann doch anpassen muss. Sicherlich, die Medien hätten dann einen Aufhänger weniger und wir eine Möglichkeit weniger, miteinander ins Gespräch zu kommen. So sehr ich diese Gelegenheiten immer wieder schätze, aber ich würde dann doch lieber bei G20-Gipfeln oder anderen Gelegenheiten dazu mehr sagen.
"Macron geht es um seine Bauern"
Schulz: Okay, aber dann ergreifen wir die Gelegenheit und sprechen an dieser Stelle natürlich auch über Inhalte. Wir sehen jetzt diese neue Eskalation, diese, na ja, sagen wir mal, diese neue Zuspitzung, diesen neuen Streit, diese neue Diskussion über die Digitalsteuer, die Frankreich ja vor einigen Wochen im Wege eines Alleingangs auf den Weg gebracht hat. Trump antwortet jetzt mit dieser Drohung mit Weinzöllen. Ist das nicht ein Beispiel dafür, dass es wirklich schwierig ist, mit diesem US-Präsidenten bilateral zu sprechen?
Eine Rinderherde mit Cowboys im Staub in Brasilien.
BUND: "EU gibt Bolsonaro Freifahrtschein zur Abholzung des Regenwalds"

Mehr Rindfleisch und Soja – das Freihandelsabkommen zwischen den südamerikanischen Mercosur-Staaten und der EU sei darauf angelegt, den Agrarhandel auszuweiten, sagte die BUND-Handelsexpertin Lia Polotzek im Dlf. In dieser Form würde das Abkommen die Klimakrise allerdings verschärfen.
Braml: Es ist schwierig, da gebe ich Ihnen recht, aber es macht es dann auch wieder einfacher. Trump hat ja auch dafür gesorgt, dass die Europäer angefangen haben zu begreifen, dass sie sich zusammenraufen müssen, ob sie das nun wollen oder nicht. Wir haben ja bezeichnenderweise damals auch auf dem G20-Gipfel den Abschluss des Mercosur-Abkommens der EU mit den südamerikanischen Staaten hinbekommen, weil Macron wahrscheinlich im Überschwang dann auch seine Bauern vergessen hat. Jetzt schiebt er einen anderen Grund vor, um sich da wieder aus der Affäre zu ziehen, aus der innenpolitischen, namentlich Umwelt und andere Waldbrände. Macron geht es um seine Bauern, die ihm die Hölle heiß machen werden. Sollte er hier Mercosur zustimmen, dann muss Europa nachgeben, um mit Lateinamerika dann besser ins Handelsgespräch zu kommen.
Das sind richtige Schritte, wir müssen jetzt, wenn wir schon nicht multilateral handeln können innerhalb der WTO, dann bilateral oder eben mit Regionen zusammen etwas machen. Trump macht das umso nötiger, der hat eben nicht nur Handelskriege angesagt, sondern er will diese regelbasierte Handelsordnung zerstören, und da müssen wir retten, was wir retten können. Mercosur war da ein erster Schritt. Leider ist hier Macron auch ausgeschwenkt und hat sogar einen Streit wieder innerhalb der EU losgetreten.
"Wir müssen uns gut wappnen"
Schulz: Ja, das wollte ich gerade sagen, da zieht Europa nun nicht an einem Strang. Bei der Digitalsteuer, die ich gerade zitiert habe, haben wir eigentlich das gleiche Bild: Frankreich macht diesen Schritt, in Deutschland hat man zu große Angst vor Autozöllen, mit denen Trump sich ja rächen könnte, deswegen spricht Europa da ja gerade nicht mit einer Stimme. Sehen Sie dieses Zusammenraufen Europas, das Sie hier gerade zitieren, sehen Sie das?
Braml: Ja, Trump wird dafür sorgen. Wir werden die Autozölle sehen, wir werden bedroht, dass diese Zölle kommen. Die Strafzölle auf Stahl und Aluminium sind ohnehin noch heiß, und die für Autos werden kommen und die werden auch wieder mit nationaler Sicherheit begründet. So viel dann auch zu unserer Schutzmacht, die sich durch unser Handeln in ihrer nationalen Sicherheit bedroht wähnt. Das wird kommen, und sobald das kommt, werden dann die Bedenken auch wegfallen. Und man denkt dann hoffentlich endlich strategischer, dass man eben dann auch vielleicht einen europäischen Finanzminister etabliert und dem dann auch Mittel gibt, um hier Europa auf die Beine zu stellen. Wir müssen uns gut wappnen, die nächste Wirtschaftskrise kommt so sicher wie das Amen in der Kirche, wir sehen schon das Wetterleuchten. Wer die ökonomischen Zeichen der Zeit lesen kann, weiß, dass wir auch diesen Kontinent wetterfest machen müssen, um dann weitere politische Verwerfungen zu verhindern.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.