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USA
Lieber Trump als Franz

Eine papstnahe Zeitschrift hat evangelikale und katholische Trump-Anhänger kritisiert. Sie betrieben eine "Ökumene des Hasses", schrieb der Jesuit Antonio Spadaro. Die Kritisierten erklären nun erst Recht den Präsidenten zum Heilsbringer und dem Papst zum Feind Amerikas.

Von Jürgen Kalwa |
    US-Präsident Donald Trump zusammen mit seiner Frau Melania und Tochter Ivanka bei einer Audienz bei Papst Franziskus im Rahmen seiner ersten Auslandsreise.
    Trump Papstbesuch - im Vatikan schlug dem Präsidenten wenig Herzlichkeit entgegen (Evan Vucci / POOL / AFP)
    "Holy, holy, holy! Lord God Almighty! Early in the morning our song shall rise to thee; holy, holy, holy! Merciful and mighty, God in three persons, blessed Trinity!"
    Es ist Freitagmorgen. Und Father Bill Considine eröffnet die Messe mit einer Hymne aus dem frühen 19. Jahrhundert. Der Ort: eine der bekanntesten katholischen Wallfahrtsstätten in den Vereinigten Staaten. Sie heißt Lourdes in Litchfield und liegt in einer der schönsten Gegenden der dicht bewaldeten Hügellandschaften von Neuengland. Der Name der Grotte wurde dem berühmten Vorbild in den französischen Pyrenäen entliehen. Errichtet in den fünfziger Jahren vom Laienbrüderorden der Gabrieliten in einer der katholischsten Regionen in Connecticut, mit rund 40 Prozent der Bevölkerung wiederum einer der katholischsten Bundesstaaten.
    Trump und die Evangelikalen
    Politisch setzt die Gegend mehrheitlich auf die Demokratische Partei. Aber bei den Wahlen im November holte hier, in Litchfield County, Donald Trump die Mehrheit der Stimmen - der Immobilienunternehmer aus New York, der sich gerne religiös gibt und in einer offenen Allianz von Amerikas evangelikalen Predigern unterstützt wird. Um die Stimmen von Katholiken buhlte er natürlich auch: Die politische Kaste in Washington sei gegenüber der katholischen Kirche und ihren Anhängern feindselig eingestellt, sagte Trump in einer kurzen Videobotschaft und erbat Gottes Segen für die Gläubigen und das ganze Land.
    Evangelikale Wähler, vor allem Weiße, unterstützen den mutmaßlich unpopulärsten Präsidenten in der Geschichte des Landes noch immer, besagen Umfragen. Ihr politisches Kalkül basiert auf Machtinstinkten ihrer Führungsfiguren, nicht auf Bibeltreue.
    "Nicht weit entfernt vom Dschihadismus"
    Anders die Stimmung unter Katholiken: Bei ihnen formt sich prinzipieller ideologischer Widerstand. Und der kommt von oben - wie ein Essay in der papstnahen Publikation "La Civiltà Cattolica" vor einigen Wochen unterstrich. Der stark beachtete Text richtet sich nicht direkt gegen Trump, sondern gegen die Tendenz amerikanischer Christen, die gesellschaftliche Realität nur noch in Gut und Böse einzuteilen.
    Diese Haltung ebne den Weg in die Konfrontation und schaffe durch die Allianz Konservativer sowohl aus dem katholischen als aus dem evangelikalen Lager eine "Ökumene des Hasses". Es handele sich um einen Versuch, politische Gegner zu dämonisieren und für einen "theokratischen Typ von Staat" Stimmung zu machen. "Nicht weit entfernt vom Dschihadismus", sagt der Text, und ablesbar an solchen Forderungen wie der nach einer Mauer an der Grenze zu Mexiko und dem Einreiseverbot für Muslime aus bestimmten Ländern.
    Der Theologe und Journalist Antonio Spadaro überreicht Papst Franziskus eine Ausgabe der Jesuitenzeitschrift "Civiltà Cattolica". Die Zeitschrift wird zunehmend als Sprachrohr des Papstes verstanden.
    Der Theologe und Journalist Antonio Spadaro und Papst Franziskus sorgen unter amerikanischen Christen für Diskussionen (imago / Independent Photo Agency Int.)
    Der Text des Jesuitenpaters Antonio Spadaro, der "La Civiltà Cattolica" herausgibt, und des protestantischen Theologen Marcelo Figueroa, eines engen Vertrauten von Papst Franziskus, sorgt seitdem für Diskussionen. Auch weil er die seit der Wahl von Franziskus zum Papst entstandene Kluft zwischen dem konservativen amerikanischen Klerus und dem Vatikan weiter vertieft. Auch die Audienz von Donald Trump und seiner Familie im Mai in Rom änderte nichts an dem Eindruck, dass dem neuen Mann im Weißen Haus keine besondere Herzlichkeit entgegengebracht wird. Und Verständnis schon gar nicht. Unvergessen Franziskus' Trump-Schelte von 2016:
    "Ein Mensch, der nur darüber nachdenkt, Mauern zu errichten und keine Brücken, ist kein Christ."
    "Ein apokalyptischer Kulturkampf"
    Michael Sean Winters, Journalist und Autor von zwei Büchern, die sich mit der religiös geprägten amerikanischen Politiklandschaft beschäftigen – mit Katholiken und ihrer Beziehung zur Demokratischen Partei und mit Jerry Falwell, jahrzehntelang bis zu seinem Tod einer der treibenden Kräfte der Religiösen Rechten – beobachtet die Entwicklung mit großem Interesse:
    "Diese Texte werden vom Kardinalstaatssekretär im Vatikan vor der Veröffentlichung gegengelesen. Das Hauptargument ist nicht unbedingt neu. Neu ist, welchen Stellenwert diese Diskussion erreicht hat."
    Und: "Kritisiert wird nicht die politische Argumentation an sich, sondern die religiös geprägten Rechtfertigungsversuche. Es ist wirklich an der Zeit, dass jemand das mal tut."
    Bisherige Präsidenten suchten traditionell in der Bibel nach einem christlich geprägten Ratschluss. Trump beruft sich lieber aufs Alte als aufs Neue Testament; die Katholische Soziallehre spielt für sein Verständnis von Wirtschaftspolitik keine Rolle.
    Winters sagt: "Was bei Trump anders und beängstigend ist, wird von dem Artikel ebenfalls angesprochen: dieser Blick eines Beraters auf die Welt wie der von Steve Bannon. Der beschwört einen apokalyptischen Kulturkampf mit dem Islam herauf. Eine gefährliche und, wie die Autoren sagen, manichäische Perspektive. In der sind wir die Guten. Aber jeder, der unsere Ideen kritisiert, wird als Bösewicht eingestuft. Eine Politik der Angstmache."
    Vorwurf des Antiamerikanismus
    Manichäische Perspektive – das meint die klare Trennung von Licht und Dunkel, von Freund und Feind. Bannon, inzwischen nicht mehr im Weißen Haus, ist zumindest auf dem Papier Katholik. Und er hat manche Freunde im hohen, franziskuskritischen Klerus, etwa den Kurienkardinal Raymond Burke. Dort bezog man rasch Stellung gegen den "ignoranten, unmäßigen vatikanischen Angriff auf den amerikanischen Konservativismus", wie Phil Lawler, Gründer und Herausgeber des "Catholic News Service", schrieb. Die beiden Autoren hätten sich in etwas eingemischt, was sie gar nicht verstehen würden. Und so viele Amerikaner vor den Kopf gestoßen.
    Papst Franziskus und Kurienkardinal Raymond Burke (Bild: dpa / Osservatore Romano)
    Papst Franziskus und Kurienkardinal Burke - Burke gilt als Freund von Steve Bannon (dpa / Osservatore Romano)
    Das konservative Magazin "The American Spectator" machte mit dem Text noch kürzeren Prozess: Da werde nur der Antiamerikanismus von Franziskus deutlich. Dessen Wurzeln lägen im linken Spektrum Argentiniens.
    Pater Spadaro rechtfertigte sich gegenüber der "New York Times" gegen solche Anwürfe. Das Argument des Papstes sei: Religion im Dienst der Politik oder der Mächtigen sei reine Ideologie. Und wer die Ängste der Menschen für solche Zwecke manipuliere, sei auf dem Weg zu einer "Sekte der Puristen".
    Für die Katholiken in Connecticut stehen derzeit noch andere Probleme an, die auch ihr Held Trump nicht lösen kann. Der Erzbischof in Hartford verkündete im Mai, dass die bislang 212 Kirchengemeinden in der Region auf 127 zusammenschrumpfen müssen. Und, dass Kirchen geschlossen werden. Es mangelt nicht an Gläubigen, sondern an Priestern. Auch die Pilgerstätte Lourdes in Litchfield sieht schwierigen Zeiten entgegen. Father Bill ist der letzte aktive Priester und schon seit langem im Rentenalter. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht.