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USA-Nordkorea-Konflikt
"Diese gefährliche Politik können wir nicht unterstützen"

Während US-Verteidigungsminister Mattis versucht, die Verbalattacken seines Präsidenten gegen Nordkorea "zurückzuholen", legt Donald Trump nach. SPD-Fraktionssprecher Niels Annen sagte im Dlf, er sorge sich, dass Trump den Konflikt als eine Art persönlichen Wettkampf mit dem nordkoreanischen Diktator verstehe.

Nils Annen im Gespräch mit Stefan Heinlein |
    SPD-Außenpolitiker Niels Annen.
    "Trump hat bis heute offensichtlich nicht verstanden, dass jede Äußerung von ihm weltweit verbreitet, interpretiert und auch ernst genommen wird", sorgt sich SPD-Außenpolitiker Nils Annen. (imago - photothek)
    Stefan Heinlein: Noch ist es nur ein Krieg der Worte, doch weltweit wächst die Sorge vor einer militärischen Eskalation des Konfliktes zwischen den USA und Nordkorea. Es bestehe die Gefahr wie im Ersten Weltkrieg, schlafwandlerisch in einen Krieg hineinzumarschieren, so die mahnenden Worte des deutschen Außenministers. Verbal wird indes weiter aufgerüstet, per Twitter drohte Donald Trump Nordkorea jetzt mit einer militärischen Lösung.
    Niels Annen, er ist außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Donald Trump droht weiter mit einer militärischen Lösung. Spielt der US-Präsident mit dem Feuer?
    Annen: Ja, das ist eine hochgefährliche Politik, die Washington dort betreibt. Man muss noch darauf hinweisen, Donald Trump ist der erste US-Präsident, der wirklich mit dem offensiven Einsatz von Atombomben wiederholt jetzt gedroht hat. Das ist schon eine neue Qualität, weil diese gesamte Taktik der Amerikaner, das gesamte Einsatzkonzept ja eigentlich auf Abschreckung beruht und darauf beruht, dass man weiß, dass der sozusagen angegriffene Staat oder derjenige, über den man vielleicht nachdenkt anzugreifen, über ein solches militärisches Potenzial verfügt, dass man sich das sozusagen zweimal überlegt, aber eben nicht darüber spricht, sondern das einfach als ein Abschreckungspotenzial in der Hinterhand hält. Das ist gefährlich, und deswegen muss man auch eine klare Politik aus Europa, denke ich, hier fahren und der amerikanischen Seite deutlich machen, wir stehen an der Seite der internationalen Staatengemeinschaft, wenn es darum geht, eine gemeinsame Haltung zu erarbeiten, aber diese gefährliche Politik können wir nicht unterstützen und dürfen wir auch nicht mittragen.
    Nixons Madman-Theorie "hat auch damals nicht funktioniert"
    Heinlein: Diese wiederholte Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen, ist das aus Ihrer Sicht eine abgestimmte, eine überlegte außenpolitische Strategie oder ist das Außenpolitik aus dem Bauch heraus?
    Annen: Nein, das halte ich nicht für abgestimmt. Das würde unterstellen, dass Donald Trump sich mit seinen Verbündeten und mit den Partnern auf eine detaillierte Strategie verständigt hätte. Das wäre – das darf man, glaube ich, sagen, ohne unhöflich zu sein –, das wäre ein völlig neuer Ansatz der amerikanischen Politik. Ich weiß, es gibt diese sogenannte Madman-Theorien. Richard Nixon hat ja auch einmal während des Vietnamkrieges solche Andeutungen gemacht. Da war dann angeblich die Überlegung – dahinter stand Henry Kissinger –, die Vietnamesen und die verbündeten Chinesen so zu verunsichern, dass man gesagt hat, der Mann ist nicht zurechnungsfähig, der ist auch am Ende in der Lage, eine Atombombe abzuwerfen. Ich darf Ihnen sagen, das hat auch damals nicht funktioniert, und ich glaube, Richard Nixon war auch von einem ganz anderen Kaliber intellektueller Art als Donald Trump.
    "Trump sieht diesen Konflikt als eine Art persönlichen Wettkampf"
    Heinlein: lst Donald Trump dennoch ein Madman, spielt er verrückt, damit man ihn ernst nimmt und die USA nicht angreift?
    Annen: Meine allergrößte Sorge – das muss ich wirklich sagen – ist, dass Donald Trump diesen Konflikt als eine Art persönlichen Wettkampf zwischen dem nordkoreanischen Diktator und ihm selbst versteht, dass es hier um eine persönliche Frage geht. So verhält er sich ja ein bisschen. Und wir haben schon in anderen Konflikten ein Muster erlebt in Washington, dass der amerikanische Präsident über Twitter oder über eine unbedachte Äußerung für große Aufregung sorgt, für Verunsicherung sorgt. Der amerikanische Präsident hat bis heute offensichtlich nicht verstanden, dass jede Äußerung von ihm weltweit verbreitet, interpretiert und auch ernst genommen wird. Und in der Regel hat ja dann sein Sicherheitsteam, das durchaus aus professionellen Menschen besteht, wie Herr McMaster, Herr Tillerson oder auch der amerikanische Verteidigungsminister Mattis, dann diese Äußerung eingeordnet, man könnte auch sagen wieder zurückgeholt. Das ist auch diesmal wieder passiert, nur was mir Sorge bereitet, ist, dass Donald Trump danach jetzt schon zweimal wieder nachgelegt hat. Also wir sind in einer Situation, die durchaus gefährlich ist. Ich rechne jetzt nicht mit dem unmittelbaren Ausbruch von Feindseligkeiten, aber man darf eben schon darauf hinweisen, es entscheidet nicht Herr Tillerson, es entscheidet nicht Herr McMaster oder irgendein Berater aus seinem Umfeld, sondern es entscheidet am Ende der amerikanische Präsident über Krieg und Frieden, und deswegen muss man sich schon Sorgen machen.
    "Man zerstört möglicherweise mutwillig eine einheitliche Position"
    Heinlein: Halten Sie es tatsächlich für möglich, Herr Annen, dass der US-Präsident, dass Donald Trump aus verletzter persönlicher Eitelkeit oder aus Rivalität gegenüber dem nordkoreanischen Diktator tatsächlich auf den Knopf drückt und Atomwaffen einsetzt oder zumindest den Konflikt militärisch eskalieren lässt?
    Annen: Ich will nicht spekulieren, aber ich habe mir angewöhnt, Dinge, die so mächtige Männer sagen, ernst zu nehmen, und das müssen Sie auch bei Donald Trump tun. Man muss schon feststellen, dass die Rhetorik des amerikanischen Präsidenten ja fast genauso provokativ klingt wie die Rhetorik des nordkoreanischen Diktators, und das ist unangemessen für diese Situation, die hochkomplex ist. Er ist ja nicht der erste amerikanischen Präsident, der es mit einem schwierigen Land wie Nordkorea zu tun hat. Das ist ein Konflikt, in dem die Chinesen eine wichtige Rolle spielen und übrigens auch der Kontakt mit Peking für eine mögliche politische, diplomatische Lösung von zentraler Bedeutung ist. Die Amerikaner haben ja durchaus auf dem diplomatischen Parkett etwas erreicht, das macht die Lage ja so absurd. Es gab einen einstimmigen Beschluss des UN-Sicherheitsrates, die Sanktionen sind verschärft worden, auch Peking hat die Provokation aus Pjöngjang verurteilt. Und mit dieser Rhetorik zerstört man möglicherweise mutwillig eine einheitliche Position der internationalen Gemeinschaft, und auch das ist eigentlich unverantwortlich.
    "China ist das Land, das den meisten Einfluss hat"
    Heinlein: Was Sie gerade gesagt haben, Herr Annen, mit Blick auf China, unterstützt auch Ihr Parteikollege, Ihr Parteigenosse Außenminister Gabriel. Er hofft auf weiteren Druck aus China auf Nordkorea, um diese Krise zu lösen. Hat Peking tatsächlich den Schlüssel in der Hand, um diesen Konflikt zu entschärfen? Peking verhält sich aktuell ja eher passiv in diesem Konflikt.
    Annen: Ja, ich glaube, es gibt zwei Staaten, die zentral sind. Das sind die Vereinigten Staaten und das ist China, aber man darf nicht vergessen, der Koreakrieg ist ja auch formal nicht beendet. Es gibt einen Waffenstillstand, der jetzt über mehrere Jahrzehnte mehr oder weniger hält, aber die nordkoreanische Seite ist auch mental noch im Kriegszustand, und die nordkoreanischen Führer haben alle die Überzeugung gehabt, dass sie die Existenz ihres Regimes nur durch die nukleare Bewaffnung sichern können. Das heißt, auch in Pjöngjang vertraut man dem Partner China nicht, und umgekehrt ist das, glaube ich, auch sichtbar geworden, sonst hätte Peking ja auch im Sicherheitsrat anders abgestimmt. Trotzdem kann Nordkorea ohne die politische Unterstützung und ohne die wirtschaftliche Kooperation mit China auf Dauer nicht überleben. Deswegen darf man sich das, glaube ich, nicht so vorstellen, dass der chinesische Präsident dort irgendwo auf einen Knopf drücken könnte oder zum Telefonhörer greifen und die Krise lösen könnte, aber das ist das Land, das den meisten Einfluss hat. Deswegen glaube ich, es ist ganz zentral, dass sich die Vereinigten Staaten, von denen ja die Nordkoreaner erwarten, dass sie auf Augenhöhe quasi behandelt werden, dass es so etwas gibt wie eine Sicherheitsgarantie, ein Anerkenntnis der Amerikaner, dass die Existenz dieses Regimes für legitim betrachtet und anerkannt wird. Und diese beiden Faktoren kann man ja gegeneinander ausspielen. Man kann kooperieren, man kann Angebote machen, aber eben auch deutlich machen, es gibt eine Einigkeit der internationalen Gemeinschaft und es gibt Konsequenzen, wenn man – wie das ja Kim Jong-un tut – gegen internationale Verträge und Beschlüsse verstößt. Und deswegen kann ich nur noch mal wiederholen: Das zu gefährden, ist unverantwortlich, und deswegen müssen sie sich dringend an einen Tisch setzen.
    Im Bündnisfall wird sich "die NATO miteinander beraten"
    Heinlein: Herr Annen, lassen Sie uns kurz zum Schluss noch einmal den schlimmsten Fall durchdenken, eine militärische Eskalation des Konfliktes, ein Angriff mit Raketen, wechselseitig. Sollte die USA angegriffen werden in Guam oder an anderer Stelle, in welchem Fall ist dann auch die NATO mit im Bund, wann muss auch die Bundeswehr dem großen Alliierten beistehen?
    Annen: Ja, der NATO-Vertrag ist relativ eindeutig, auch was die geografischen Bedingungen angeht. Guam gehört sozusagen nicht zu dem Geltungsbereich des NATO-Vertrages, aber es ist natürlich vollkommen klar, wenn einer unserer wichtigsten oder vielleicht sogar der wichtigste Verbündete angegriffen wird, dass dann die NATO auch miteinander sich zusammensetzen und beraten wird. Aber es gibt keinen Automatismus, weil sozusagen Guam als ein Territorium der Vereinigten Staaten von dieser Bündnisverpflichtung nicht mit eingeschlossen ist.
    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen der SPD-Außenpolitiker Niels Annen. Herr Annen, ich danke für Ihre Zeit und ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!
    Annen: Ihnen auch, vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.