Archiv

USA
Rassismus - das Erbe der Sklaverei

Die Zeit der Sklaverei ist ein dunkles Kapitel, mit dem sich die USA bis heute schwer tun. Zwar sind Sklaverei und Rassentrennung längst abgeschafft, doch der Virus des Rassismus grassiert weiterhin, kritisieren Menschenrechtler. Die Gewalt der extremen Rechten nimmt zu.

Von Thilo Kößler |
Demonstranten marschieren durch eine Straße und halten Plakate hoch.
Immer wieder ziehen Bürger in den USA gegen Rassismus auf die Straße - hier in Charlottesville 2018 (AP / Steve Helber)
Montgomery in Alabama. Die Menschenrechtsorganisation Equal Justice Initiative hat ihren Sitz in der Hauptstraße dieses kleinen Ortes mit der großen Bürgerrechtsgeschichte. Er sei ein Produkt der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung, sagt Bryan Stevenson, der Gründer dieser NGO. Sie kümmert sich vor allem um die vielen afroamerikanischen Häftlinge in den US-Gefängnissen.
Bryan Stevenson ist Jurist, ein im ganzen Land bekannter Anwalt, der schon viele Unschuldige in den Todeszellen vor der Todesstrafe bewahrt hat. Stevenson ist in Sussex County in Delaware aufgewachsen – in einem Schwarzen-Viertel auf dem Land. Sozial, politisch und kulturell isoliert, wie er sagt.
Die Rassentrennung ist das Erbe der Sklaverei, sagt Bryan Stevenson. Und sie sei keinesfalls überwunden, trotz der Erfolge der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den 1960er-Jahren. Deshalb hat er sich so für das "National Memorial for Peace and Justice" eingesetzt, das im April vergangenen Jahres in Montgomery eröffnet wurde und das den Opfern der Lynchjustiz an Afroamerikanern ein Denkmal setzt. 400 Jahre, nachdem die ersten Sklaven aus Afrika in Jamestown, Virginia, in Ketten an Land geführt wurden, gebe es immer noch keine Gleichbehandlung zwischen Weißen und Schwarzen. Stevenson sieht darin eine schwere politische Belastung und spricht von einer Art "historischem Smog", der über dem Land liege. Sklaverei und Rassentrennung seien bei weitem noch nicht aufgearbeitet, sagt Stevenson. Weder historisch - noch moralisch.
Narrativ der weißen Überlegenheit
Nicht nur, dass es niemals ein Schuldeingeständnis gegeben habe. Oder eine Entschuldigung für die brutale Gewalt an Sklaven und schwarzen US-Bürgern. Geschweige denn eine Wahrheits- und Versöhnungskommission. Auch das Narrativ von den ethnischen Unterschieden zwischen Weißen und Schwarzen sei bis heute ungebrochen, sagt Bryan Stevenson: Mit dieser These sei die Sklaverei damals gerechtfertigt worden. Heute sei sie das politische Credo der White Supremacists, der Verfechter der angeblichen weißen Überlegenheit.
Die Folgen dieser Haltung sieht Stevenson in geradezu reflexhaftem Verhalten vieler Polizisten und Richter. Schwarze würden allein wegen ihrer Hautfarbe als "gefährlich" eingeschätzt. Deshalb würden sie auch vom amerikanischen Justizsystem benachteiligt und mit besonders harten Strafen belegt. Es sei verständlich, dass die "People of color" so allergisch zum Beispiel auf die Polizeigewalt reagieren, sagt Stevenson.
Kein Land der Welt sperrt so viele Menschen hinter Gitter wie die USA – 2,2 Millionen Gefangene sind in den oft privaten Haftanstalten des Landes interniert. Die Afroamerikaner sind bei weitem überrepräsentiert. Schwarze werden achtmal so häufig von Polizisten erschossen wie Weiße.
Auch Frauen und Teenager werden häufig wegen Bagatelldelikten zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Diese Praxis der massenhaften Inhaftierung und der unverhältnismäßig harten Strafen sei Teil des kulturellen Erbes der Sklaverei, sagt Bryan Stevenson.
Sorge vor rechter Gewalt
Der Norden hat zwar im amerikanischen Bürgerkrieg gewonnen. Aber der Süden gewann den Krieg der Narrative. Man hat von den Südstaaten niemals verlangt, die Versklavung abzulehnen und zurückzuweisen – als unmoralischen Akt, der niemals einen Platz in der menschlichen Erfahrung haben dürfte. Man hat niemals von ihnen verlangt, der These von der weißen Überlegenheit abzuschwören.
Bryan Stevenson beobachtet mit Sorge den Anstieg der Gewaltakte von Seiten der extremen Rechten in den USA – die Donald Trump als einen der ihren sehen und ihn für sich reklamieren. Und doch gibt Stevenson den Kampf um die Veränderung der Narrative nicht auf.
"Unsere Arbeit zielt darauf ab, das Bewusstsein der Menschen zu verändern, sie herauszufordern und es ihnen schwerer zu machen, sich aus der historischen Verantwortung zu stehlen."