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USA
Strafzölle sind "ein sehr zwiespältiges Instrument"

Die USA setzen auf Sanktionen, zuletzt gegenüber Mexiko. Thomas Kleine-Brockhoff vom German Marshall Fund hält diese "Handelswaffen der ökonomischen Kriegsführung" für gefährlich. Ihr inflationärer Gebrauch werde auf Dauer die Macht der USA unterminieren, sagte der Transatlantiker im Dlf.

Thomas Kleine-Brockhoff im Gespräch mit Jürgen Zurheide |
US-Präsident Donald Trump (vorne) und sein Außenminister Mike Pompeo
Die USA haben "Zölle und alle möglichen Handelswaffen entdeckt für ökonomische Kriegsführung", sagt Kleine-Brockhoff (Saul Loeb / AFP)
Jürgen Zurheide: Der Besuch des Außenministers der USA, der Handelsstreit und all das, was sich da im Moment zwischen Europa und den Vereinigten Staaten, zwischen Deutschland und den USA abspielt, darüber wollen wir reden mit Thomas Kleine-Brockhoff vom German Marshall Fund. Schönen guten Abend!
Thomas Kleine-Brockhoff: Guten Abend!
Zurheide: Fangen wir an mit dem, was da in Berlin heute passiert ist. Wenn nach einem Besuch des amerikanischen Außenministers gesagt wird, dass man sich in einem moderaten Ton unterhalten hat und dass man offensichtlich für wichtig erachtet, dass so etwas erwähnt wird – was hinterlässt das bei Ihnen für Wertungen?
Kleine-Brockhoff: Ja, was ich heute erlebt habe dort, ist ein freundliches Herumeiern. Die Staatsgeschäfte müssen weitergehen, nachdem gestern die Bundeskanzlerin in Harvard einen Gegenentwurf zum amerikanischen Trumpismus den Studenten vorgestellt hat, muss am Tag darauf ihr Außenminister und sie selber übrigens auch im Gespräch mit Pompeo danach die praktischen Fragen weiter klären – und die sind weiterhin vorhanden und sie sind umstritten. Und es ist gar nicht schlecht, dass man das ein bisschen bespielt und nicht schweigt, sondern mit diesem Herumeiern begleitet. Denn wie sollte es auch anders sein, sollen die beiden sagen, dass sie sich in wesentlichen Fragen gestritten haben, das wäre vielleicht auch nicht hilfreich.
"Merkel verkörpert, was moderate US-Demokraten denken"
Zurheide: Wie wird denn die Merkel-Rede in den Vereinigten Staaten wahrgenommen? Jetzt erreichen wir Sie auch in der Nähe von Berlin, aber trotzdem: Was haben Sie da mitbekommen, wie wirkt das? Ich meine, Trump müsste ja eigentlich unter der Decke schweben, wie wir ihn kennen.
Kleine-Brockhoff: Ja, es ist ja ein gespaltenes Land. Und diese Rede sagt viel über das deutsch-amerikanische Verhältnis aus. Dort waren 20.000 Leute im Harvard-Yard und sie haben Angela Merkel begeistert zugejubelt, als sei sie die Oppositionsführerin Amerikas und würde sie morgen zur paarundzwanzigsten demokratischen Kandidatin, würde sie wahrscheinlich hochschießen in den Umfragewerten, denn sie verkörpert das, was moderate Demokraten in den USA denken. Und auch, und das darf man nicht verkennen, die amerikanischen Eliten denken, denn sie war ja dort in Harvard.
30.05.2019, USA, Cambridge: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) winkt den Zuhörern nach ihrer Rede in der Harvard Universität. In einer emotionalen Rede an der US-Eliteuniversität Harvard hat Kanzlerin Merkel für internationale Zusammenarbeit und gegenseitigen Respekt geworben - und sich scharf von US-Präsident Trump abgegrenzt. Foto: Omar Rawlings/dpa | Verwendung weltweit
In demokratisch geprägten Harvard wird Kanzlerin Merkel freundlichst empfangen, aber der Ton der Regierungskosultationen ist momentan eher kühl (Omar Rawlings/dpa / picture alliance)
Für das deutsch-amerikanische Verhältnis, das muss man sich immer vor Augen halten, wenn man mit Trump zu tun hat, hat man nicht mal mit einer Hälfte, nicht mal mit einem Drittel, sondern mit einem gewissen Teil Amerikas zu tun. Und Frau Merkel hat es eben mit der großen Menge aller anderen gestern auch zu tun gehabt. Und das ist die Bedeutung davon, dass sie zu diesem anderen Amerika gesprochen hat.
Gemeinsame Wertebasis mit Deutschland schmal geworden
Zurheide: Was ist eigentlich schlimmer, die ganzen inhaltlichen Divergenzen, von denen Sie gerade einige zumindest auf der grundsätzlichen Ebene angesprochen haben, oder dieses mangelnde wechselseitige Verständnis, das meine ich auch zu erkennen.
Kleine-Brockhoff: Letzteres. Wenn man eine gemeinsame Grundlage hat, auf der eine Wertebasis und eine Zukunftsorientierung von zwei Staaten innerhalb eines größeren Bündnisses stattfindet, dann kommt man auch über einzelne Fragen besser hinweg, in denen man unterschiedlicher Meinung ist.
Harvard-Studierende jubeln am Tag, an dem Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Ehrendoktor der renommierten US-Universität erhält und im Anschluss eine Rede hält
Die Menschen hätten Merkel "begeistert zugejubelt, als sei sie die Oppositionsführerin Amerikas", sagt Kleine-Brockhoff (Matthew Healey/newscom / picture alliance)
Es gab schon immer unterschiedliche Ansichten zwischen der Bundesrepublik und der USA in wesentlichen Fragen, übrigens auch in wirtschaftspolitischen Fragen, in währungspolitischen Fragen, wir erinnern uns an die Finanzkrise, wo Deutschland und Amerika grundsätzlich andere Herangehensweisen hatten. Weil man sich aber auf, ich nenne das mal so, philosophischer Ebene völlig in Gleichklang befand, konnte man über diese Divergenzen vernünftig reden und hinwegkommen. Jetzt werden die Divergenzen vergrößert, und die Liste ist unheimlich lang – zu lang für mein Gefühl.
Sanktionen werden auf Dauer "amerikanische Macht unterminieren"
Zurheide: Lassen Sie uns noch mal über das reden, was heute aktuell gekommen ist, man schafft es ja kaum, das alles nacheinander zu verarbeiten: Die Zölle sozusagen als Allheilmittel, als Allzweckwaffe. Und ich habe jetzt den Begriff "Waffe" ganz bewusst genutzt, weil Zölle werden als Waffe benutzt, jetzt trifft es gerade da die… na ja, es trifft ja nicht die Mexikaner, es trifft die Amerikaner, oder?
Kleine-Brockhoff: Ja, die amerikanische Regierung – und mit ihr interessanterweise der amerikanische Kongress – hat die Zölle und alle möglichen Handelswaffen entdeckt für ökonomische Kriegsführung, will ich mal sagen. Die Überbenutzung von Sanktionen und Sekundärsanktionen, ihr inflationärer Gebrauch ist ein sehr zwiespältiges Instrument, denn auf lange Sicht wird es die amerikanische Macht unterminieren, weil sich alle möglichen Länder, die davon betroffen sind, dem zu entziehen versuchen werden. Und das tut man, indem man den Status des Dollars als Zahlungssystem und Weltwährungsreserve zu unterminieren versuchen wird.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Außenminister Mike Pompeo im Kanzleramt in Berlin
"Sollen die beiden sagen, dass sie sich in wesentlichen Fragen gestritten haben? Das wäre vielleicht auch nicht hilfreich", erklärt Kleine-Brockhoff die diplomatische Rede vom "moderaten Ton" der Konsultationen (AFP / Odd ANDERSEN)
Das heißt also, die Amerikaner werden sehr vorsichtig auf mittlere Sicht mit diesem Instrument umgehen müssen, und Trump wirft, wie es seine Art ist, das Gewicht Amerikas in die Waagschale, als gäbe es kein Morgen.
Heikles Spiel der Sanktionen und Subventionen
Zurheide: Auf der anderen Seite fragt man sich ja, wie lange machen die Republikaner das auch mit, denn auch die eigene Basis zahlt am Ende die Zölle, wenn die Produkte aus dem Handelsaustausch in den Lieferketten, in dem Fall zwischen Mexiko und den Vereinigen Staaten, wenn diese Produkte teurer werden, zahlen schlicht die amerikanischen Verbraucher mehr, wenn sie sich das überhaupt noch leisten können. Wie lange machen die das mit? Es gibt andersherum natürlich auch die Farmer, die mit irgendwelchen Subventionen dann wieder bei Laune gehalten werden, aber dennoch ist ja die Frage, wie lange kann man so ein System aufrecht erhalten?
Kleine-Brockhoff: Sie sagen es. Das Agrarsystem ist das Vorbild. Donald Trump sagt und behauptet, durch die Zölle würden gewaltige Einnahmen getätigt, und diese Einnahmen können verwandt werden, um Subventionen an die Betroffenen zu geben, damit man diese Art der ökonomischen Konfrontation mit anderen Staaten aufrecht erhalten kann. Das ist deshalb heikel, weil seine eigene Wählerschaft besonders davon betroffen ist, und deshalb ist das auch innerhalb des mittleren Amerikas, da wo er seine meisten Wähler hat, problematisch angekommen bei den Bauern.
Zurheide: Auf der anderen Seite fragt man sich, das ist eine andere Form von Staatskapitalismus oder Sozialismus, wie immer wir das nennen wollen. Interessant vor dem Hintergrund, dass ja auch über Sozialismus in den USA wieder diskutiert wird. Oder ist das jetzt ein bisschen weit hergeholt?
Kleine-Brockhoff: Das ist nicht unberechtigt, dass Sie das hervorholen, aber ich glaube, Amerikaner sehen das nicht im Konnex, denn die Wähler von Donald Trump fühlen sich übervorteilt von anderen und glauben an die freie Marktwirtschaft. Und der Protektionismus ist nicht etwas, was sie als eine Art protektionistischer Merkantilismus als Lebenshaltung wollen, sondern als momentane Waffe. Ich glaube nicht, dass wir ein sozialistisches Zeitalter in Amerika anbrechen sehen werden.
Zurheide: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.