Rechtsstaatlichkeit
Trump gegen die Justiz: Droht in den USA eine Verfassungskrise?

Mehrere Gerichte in den USA haben Entscheidungen von Präsident Trump angefochten. Der reagiert mit Drohungen gegen die Justiz. Wie weit reicht Trumps Macht inzwischen – und kann die Judikative ihn in die Schranken weisen?

    Eine US-Flagge weht im Wind vor dem Gebäude des Supreme Court in Washington mit der Inschrift "Equal justice under law".
    Der Supreme Court - auch dem obersten Gericht der USA fehlt es letztlich an Durchsetzungskraft für den Fall, dass eine Regierung Urteile missachtet (picture alliance / newscom / Leigh Vogel)
    In den USA bahnt sich ein Machtkampf zwischen Donald Trump und der Judikative an. Mehrere Bundesgerichte haben Entscheidungen des Präsidenten angefochten, mehr als 100 Verfahren laufen.
    Trump reagiert verärgert auf den Widerstand der Justiz - mit wütenden Beleidigungen und Drohungen. Einige Gerichtsentscheidungen hat die US-Administration sogar ignoriert. Auch gegen Anwaltskanzleien und Staatsanwälte geht die Regierung immer rigider vor.
    Beobachter sehen darin den Versuch, die präsidentielle Macht immer stärker auszuweiten und die Rechtsstaatlichkeit anzugreifen. Nach Ansicht von Experten ist die US-amerikanische Demokratie in Gefahr, sollte es Trump gelingen, die Judikative auszuhöhlen.

    Inhalt

    Warum gerät Trump in Konflikt mit den Gerichten?

    Der US-Präsident trifft viele seiner Entscheidungen über Dekrete, die „executive orders“. Das sind Anordnungen, die bestehende Gesetze präzisieren oder weiterentwickeln können.
    Anders als Gesetze durchlaufen Dekrete nicht den Gesetzgebungsprozess im US-Kongress. Der Kongress hat zwar die Möglichkeit, Dekrete durch ein neues Gesetz zu ersetzen oder keine finanziellen Mittel für deren Umsetzung bereitzustellen. Doch aktuell hat die republikanische Partei im Kongress die Mehrheit. Sie sei nicht gewillt, Trumps Macht einzuhegen, sagt der Politikwissenschaftler Marco Overhaus von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Als Kontrollinstanz ist der US-Kongress aktuell ein Totalausfall.
    Deshalb blieben nur die Gerichte als „letzte Verteidigungslinie“ der Gewaltenteilung, so Overhaus. Denn: Auch präsidiale Dekrete müssen mit der US-Verfassung vereinbar sein. Gerichte können Beschlüsse aufheben, wenn sie ihren Inhalt für verfassungswidrig halten. Möglich sind auch einstweilige Verfügungen, um die Verfassungstreue von Dekreten zu überprüfen. In diesem Fall müssen die Beschlüsse bis zu einer finalen Entscheidung ausgesetzt werden. Beides ist zuletzt in mehreren Fällen geschehen.

    Um welche Fälle geht es?

    Rund 120 Klagen gegen Entscheidungen von Präsident Trump sind derzeit bei Bundesgerichten in den Vereinigten Staaten anhängig. Thematisch sind die Verfahren sehr unterschiedlich. So gehe es etwa um die Entlassung von Beamten, das Einfrieren von Bundesmitteln, Abschiebungen oder den Zugriff auf sensible Daten der Sozialversicherungsverwaltung, zählt Overhaus auf.
    Jüngst hat Trump vor Gericht einige Niederlagen erlitten. So hielt es eine Richterin für verfassungswidrig, Transpersonen vom Militärdienst auszuschließen. Und auch die Zerschlagung der Entwicklungshilfebehörde USAID verstößt nach Ansicht eines Gerichts gegen die Verfassung.
    Der vorläufige Höhepunkt der Auseinandersetzung zwischen Trump und den Gerichten im ganzen Land war die Abschiebung von mehr als 200 Menschen nach El Salvador im März. Unter den Häftlingen befanden sich Mitglieder gewalttätiger Gangs, aber offenbar auch versehentlich aufgegriffene Migranten. Ein Richter hatte per Eilentscheidung angeordnet, die Flüge zu stoppen. Doch die Abschiebebehörde USCIS ignorierte die richterliche Anordnung - Menschen wurden teils ohne rechtsstaatliches Verfahren außer Landes gebracht.
    Die meisten Entscheidungen sind bisher in erster Instanz gefallen und die Verfahren noch nicht beendet. Denn die Regierung kann Berufung gegen Urteile von Bundesgerichten einreichen. Die Verfahren werden dann in der nächsthöheren Instanz verhandelt, bis sie schließlich vor dem Verfassungsgericht, dem Supreme Court, landen. Bis zu einer finalen Entscheidung könne es deshalb Jahre dauern, sagt der Kulturhistoriker Michael Hochgeschwender.
    Ende Februar hat der Supreme Court erstmals über eine Anordnung von Trump entschieden. Die sofortige Entlassung des Leiters einer Bundesbehörde wurde für unzulässig erklärt.

    Wie reagiert die Trump-Administration auf die Gerichtsentscheidungen?

    Trump hat mehrfach betont, dass er sich an Gerichtsentscheidungen halten wolle. Aus seinem Umfeld wurde der Justiz hingegen mehrfach Machtmissbrauch vorgeworfen. Viele seiner Berater vertreten die Ansicht, dass der Präsident über den Gerichten steht. Richter dürften die legitime Macht der Exekutive nicht kontrollieren, findet etwa Vizepräsident JD Vance. „Langsam wird erkennbar, dass Trump die Rechte der Justiz aushöhlen will“, meint Hochgeschwender.
    Dennoch habe die Regierung bisher auf die meisten Gerichtsentscheidungen reagiert, berichtet Dlf-Korrespondentin Doris Simon. So seien etwa in der Probezeit entlassene Mitarbeitende von Bundesbehörden wieder eingestellt worden. Andere Entlassene Staatsbedienstete müssen aber möglicherweise jahrelang auf ihre Wiedereinstellung warten. Auch in vielen anderen Fällen sei bereits erheblicher Schaden entstanden, etwa durch das Einfrieren von Geldern, betont Simon.
    Trump hat Richter angegriffen und beleidigt, die Dekrete vorläufig gestoppt haben. Der US-Präsident bezeichnete sie unter anderem als linksradikal, korrupt oder parteiisch. Im Fall des Richters James Boasberg, der die Abschiebungen nach El Salvador stoppen wollte, forderte Trump sogar dessen Amtsenthebung. Damit provozierte der Präsident sogar eine ansonsten untypische Rüge des obersten Richters des Supreme Court, John Roberts. Ein Amtsenthebungsverfahren sei keine angemessene Reaktion auf eine Meinungsverschiedenheit über eine richterliche Entscheidung, stellte Roberts klar.

    Welche Möglichkeiten hat Trump, gegen die Justiz vorzugehen?

    Da Bundesrichter in den USA auf Lebenszeit berufen werden, kann Trump sie nicht absetzen. Das stellt eine deutliche Grenze für die Macht des Präsidenten dar.
    In seiner letzten Amtszeit hat Trump mehr als 300 Richterinnen und Richter auf freie Posten berufen. In der Tendenz entscheiden von Republikanern ernannte Richter zwar eher in deren Sinne - jedoch bei weitem nicht immer. In den vergangenen Wochen haben immer wieder auch Richter, die von konservativen Präsidenten ernannt wurden, Trump-Dekrete vorläufig gestoppt.
    Weiter als bei Richterposten reicht die Macht des US-Präsidenten bei anderen Mitarbeitern des Rechtsapparats. Viele Staatsanwälte, die an Verfahren gegen Trump oder seine Anhänger beteiligt waren, zwang die Administration, ihre Ämter aufzugeben.
    Außerdem geht Trump gegen Anwaltskanzleien vor, die seine Dekrete vor Gericht anfechten. Er hat sogar Dekrete gegen bestimmte Großkanzleien erlassen. Die Strafen sind geschäftsgefährdend: Entzug der Sicherheitsfreigabe, kein Zutritt zu US-Bundeseinrichtungen, keine Regierungsaufträge. Auch von Drohungen gegen Klienten von Kanzleien ist die Rede.

    Wie problematisch ist das für die Demokratie in den USA?

    Die Einschüchterung von Anwaltskanzleien wird von Juristen als umfassender Angriff auf das Justizsystem gesehen. Wenn die Kanzleien nicht mehr bereit seien, Klagen gegen Regierungs-Anordnungen oder Trump-Anhänger zu übernehmen, sei die Rechtsstaatlichkeit aufgehoben, sagte die Anwältin Rachel Cohen im Gespräch mit dem US-Fernsehen.
    Fraglich ist außerdem, inwiefern die Trump-Regierung sich künftig an Gerichtsentscheidungen halten wird. Wenn Verfahren bis zum Supreme Court geführt würden und die Regierung sich dann nicht an Urteile halte, stürze das die USA in eine Verfassungskrise, warnt Kulturhistoriker Hochgeschwender. Es handele sich dann um eine Krise von zwei zentralen Stützen der US-Demokratie – Regierung und Verfassungsgericht.
    Den Gerichten fehle es an Durchsetzungskraft. Denn Zwangsmaßnahmen, mit denen Richter die Regierung zwingen können Gerichtsurteile umzusetzen, gibt es nicht. „Im Grunde basiert es darauf, dass man sich wechselseitig akzeptiert“, so Hochgeschwender.
    Durch seine Politik der Dekrete habe Trump bereits die Legislative lahmgelegt. „Wenn es ihm gelingt, die Judikative auch noch auszuschalten, dann ist das eine Form von autoritärer Regierung.“

    kau