Sarah Zerback: Dass US-Präsident Donald Trump zuweilen sorglos mit sensiblen Informationen umgeht, dafür gab es in den vergangenen Wochen immer wieder mal Beispiele. Jetzt hat er sich da doch selbst übertroffen und hoch sensible Geheimdienstinformationen an ranghohe russische Regierungsvertreter weitergegeben. Nach einem ersten Dementi hat Präsident Trump das mittlerweile bestätigt und als rechtens verteidigt.
Am Telefon begrüße ich jetzt Hans-Christian Ströbele, Abgeordneter der Grünen im Bundestag, und er ist Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das die Arbeit der deutschen Geheimdienste kontrolliert. Guten Morgen, Herr Ströbele.
Hans-Christian Ströbele: Guten Morgen!
Zerback: Herr Ströbele, ist Donald Trump ein Verräter?
Ströbele: Ja er ist jedenfalls jemand, der die Geheimnisse der Nachrichtendienste, vor allen Dingen ausländischer Nachrichtendienste, die den Amerikanern helfen, der NSA und der CIA, mit Füßen tritt. Weil es ist eine fast heilige Regel, das nennt man "need to know", dass jemand nur die Information bekommen soll, die unbedingt für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist.
Und wenn er jetzt Informationen, die von einem ausländischen Geheimdienst gegeben worden sind unter dem Diktum, sie auf gar keinen Fall weiterzugeben, weil sie ganz sensibel sind und die Quelle geschützt werden muss, wenn er die dann weitergibt, dann riskiert er für diese mögliche Quelle sehr viel, für das Verhältnis zu ausländischen Geheimdiensten, natürlich insbesondere zu dem, der die Informationen gegeben hat.
Zerback: Da sind ja viele alarmiert, dass diese Rückschlüsse zugelassen werden und dann gesagt werden kann, wer ist die Quelle und welche Fähigkeiten hat dieser entsprechende Geheimdienst? Wie gefährlich ist denn eine solche Information?
Ströbele: Wissen Sie, wir haben ja die Auseinandersetzung in Deutschland gerade auch hinsichtlich Informationen, die die NSA betreffen und die unser deutscher Geheimdienst, Bundesnachrichtendienst, dadurch gewonnen hat. Da haben wir im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss von der Bundesregierung immer wieder verlangt, dass wir als geheim tagendes Gremium oder als Untersuchungsausschuss die Informationen bekommen, damit wir beurteilen können, ob da alles in Ordnung gewesen ist.
Aber uns wurden die nicht gegeben, mit der Begründung: Nein, das würde den internationalen Regeln widersprechen. Da gibt es ein Konsultationsverfahren, da müssen die Amerikaner konsultiert werden, und wenn die Nein sagen, dann heißt das Nein, dann kriegen wir die nicht. Das heißt, wir warten da seit drei Jahren drauf, aber da geht es nicht darum, dass diese Informationen an eine andere Regierung weitergegeben werden, sondern dass sie im eigenen Land von der Regierung zu Kontrollzwecken an das Parlamentarische Kontrollgremium gegeben werden. Und hier Herr Trump gibt die gar an die russische Regierung weiter, die ja nun gerade in diesem Bereich kein vertrauensvoller Partner sein kann.
"Israelis werden sich in Zukunft genau überlegen, was sie weitergeben"
Zerback: Aber mit der Begründung, dass er diese Informationen teilen muss, um Menschenleben zu retten. Es geht ja um den Kampf gegen den IS. Humanitäre Gründe - das müsste für Sie als Grüner doch ein nachvollziehbares Argument sein.
Ströbele: Diese Begründung kenne ich gar nicht von ihm, sondern es ist zu vermuten, dass er das einfach irgendwie in den Raum geworfen hat, ich weiß nicht, aus Übermut, oder man kann auch auf ganz andere Gedanken kommen, weil Trump macht ja sehr, sehr gute Geschäfte oder hat gute Geschäfte gemacht in Millionenhöhe mit Firmen in Russland und mit Russland überhaupt, dass das vielleicht der Lockerung der Atmosphäre gedient hat.
Jedenfalls hat er es nicht gemacht, um der Quelle zu helfen oder Menschenleben zu retten. Dann hätte das auf dem Wege, auf dem so was geht, dann hätte man mit dem Staat, von dem die Informationen stammen, darüber reden müssen, können wir die an die Russen weitergeben, könnt ihr die nicht mal an die Russen weitergeben? So ist das ja alles nicht gelaufen, sondern er hat sich über diese Regeln einfach hinweggesetzt.
Zerback: Jetzt gibt es ja Spekulationen, um welchen Staat es sich da genau handeln soll, nämlich einen Geheimdienst aus dem Nahen Osten.
Ströbele: Na Israel soll es wohl sein.
Zerback: Israel, der Mossad, ganz genau. Und der hatte wiederum wiederholt gedroht, wenn Daten, die wir euch als USA bereitstellen, noch mal weitergegeben werden, dann wird dort die Kooperation eventuell aufgekündigt. Glauben Sie, da steht jetzt diese Zusammenarbeit auf dem Spiel?
Ströbele: Das ist eigentlich undenkbar, weil gerade die beiden Geheimdienste ungeheuer eng seit Jahrzehnten oder schon immer, seit es die gibt, zusammengearbeitet haben. Ich glaube, eine engere Zusammenarbeit zwischen Geheimdiensten ist gar nicht vorstellbar als da. Ich kann mir diese dramatische Entwicklung nicht vorstellen. Aber es wird sicherlich Konsequenzen haben. Die Israelis werden sich das in Zukunft genau überlegen, was sie weitergeben und was sie nicht weitergeben.
Zerback: Und der BND, der deutsche Nachrichtendienst, sollte der sich jetzt auch zweimal überlegen, ob er mit den USA geheime Informationen teilt?
Ströbele: Der deutsche Geheimdienst hat da auch sehr zweifelhafte Erfahrungen gemacht. Er hat mal einen Agenten, den er selber hatte - der hieß mit Decknamen "Curveball" - an die Amerikaner und das Wissen von dem weitergegeben, und die haben das dann als Grund benutzt, den Irak-Krieg zu begründen. Das war damals noch der US-Präsident Bush. Und auch diese schlechte Erfahrung, die wird mit dazu beitragen, oder muss dazu beitragen, dass auch die Deutschen da sehr zurückhaltend sein werden.
Aber wir hören ja jeden Tag was Neues von Herrn Trump. Heute geht jetzt die Meldung um die Welt, dass er direkt die Gewaltenteilung durchbrochen hat in den USA, nämlich indem er auf Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen einen eigenen Mitarbeiter Einfluss genommen hat und sich den FBI-Chef damals hat kommen lassen und gesagt hat, er soll doch diese Ermittlungen einstellen, und da geht es immerhin auch um sehr gravierende Vorwürfe. Man kann sich das gar nicht vorstellen, was passieren würde, wenn das hier der Fall wäre.
"Wie lange halten die Republikaner zu Trump?"
Zerback: Was glauben Sie denn, könnte ihm das gefährlich werden?
Ströbele: Ich gehe mal davon aus, dass das nicht nur die Demokraten, die Opposition in den USA im Kongress erheblich problematisieren werden, sicherlich auch in parlamentarischen Untersuchungen. Die entscheidende Frage ist, wie lange halten die Republikaner zu ihm?
Was kann er an wichtigen rechtsstaatlichen Grundsätzen noch verletzen, ohne dass dann ein Impeachment-Verfahren, ein Absetzungsverfahren in Gang gebracht wird?
Zerback: Da warten wir ab, wie sich die aktuellen Entwicklungen dort bewegen. Das war das Interview mit Hans-Christian Ströbele von den Grünen. Ich danke Ihnen für Ihre Zeit heute Morgen.
Ströbele: Auf Wiederhören.
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