Nach außen war die US-Regierung um Schadensbegrenzung bemüht. Die Türkei sei ein enger Verbündeter, betonte Obamas Sprecher Josh Earnest. Sie sei bereit, die moderaten syrischen Rebellen auszubilden, lasse keine ausländischen Dschihadisten mehr nach Syrien einreisen und habe tausende Flüchtlinge aufgenommen. Auch Außenminister Kerry versuchte, von Paris aus zu beruhigen:
"Die Türkei ist ein wertvolles Mitglied der Koalition und engagiert sich für die Koalition. So weit ich weiß, gibt es keine Unstimmigkeiten."
Mit dieser Einschätzung steht Kerry in der amerikanischen Öffentlichkeit allerdings allein. Die Fernsehbilder türkischer Panzer, die der Belagerung der kurdischen Stadt Kobane passiv zuschauen, sorgen für empörte Leitartikel und Kopfschütteln unter Experten. Ausgerechnet der enge NATO-Partner Türkei lässt die kurdischen Zivilisten im Stich: Statt die radikalen Islamisten zu bekämpfen, greift die Türkei Stellungen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK an - ein aus US-Sicht völlig kontraproduktiver Nebenkriegsschauplatz. Denn die kurdischen Kämpfer sind derzeit der verlässlichste Partner Amerikas am Boden.
Nutzung der Luftwaffenstützpunkte
Schon Anfang der Woche waren die Meinungsverschiedenheiten der NATO-Partner offen zutage getreten. Obamas Nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice hatte im Sender NBC verkündet, die Türkei habe der Nutzung ihrer Luftwaffenstützpunkte zugestimmt.
"Sie haben gesagt, ihre Stützpunkte können von den Alliierten genutzt werden, von Amerikanern und anderen, um von dort im Irak und in Syrien aktiv zu werden."
Prompt folgte das Dementi aus Ankara. Der türkische Präsident Erdogan will die US-Regierung zunächst zu weiteren Zugeständnissen bewegen. Nicht nur der Islamische Staat soll besiegt werden, sondern auch der syrische Diktator Assam. Ein solches direktes Eingreifen in den syrischen Bürgerkrieg lehnt Obama jedoch ab. Außerdem will die Türkei die US-Regierung verpflichten, eine Sicherheitszone im Norden Syriens einzurichten: Für Ankara ein wichtiger Puffer, der verhindern soll, dass immer mehr kurdische und syrische Flüchtlinge in die Türkei fliehen. Dagegen hält die US-Regierung eine solche Zone für unnötig. Obamas Sicherheitsberaterin Susan Rice:
"Wir sehen das nicht als wesentlich an, um den IS zu zerstören. Aber wir bleiben mit den Türken darüber im Gespräch."
USA hoffen auf Entgegenkommen Ankaras
Auf keinen Fall will die US-Regierung tiefer in den syrischen Bürgerkrieg verstrickt werden. Doch die Einrichtung einer Pufferzone im Norden Syriens würde das Assad-Regime als Angriff auf sein Territorium betrachten. Amerika müsste die Sicherheitszone notfalls gegen Angriffe syrischer Soldaten oder IS-Kämpfer verteidigen. Dies ginge nur mit kämpfenden Bodentruppen, die Obama jedoch weiterhin ablehnt. Trotzdem hofft die US-Regierung auf ein Entgegenkommen Ankaras. Derzeit müssen die US-Kampfflugzeuge in der Golfregion starten und in der Luft betankt werden. Dürften sie von der Türkei aus starten, könnten sie innerhalb von einer Stunde die Stellungen des IS in Syrien und im Irak erreichen.
Dass die Türkei ihren NATO-Verbündeten weiter hinhält, lässt in den USA die Zweifel an der Schlagfähigkeit der internationalen Koalition wachsen. Wenn schon zwei wichtige NATO-Partner so uneins sind, so der Tenor, dann verheiße dies nichts Gutes.