Deregulieren vs. Investieren
Was Trump und Harris für die US-Wirtschaft planen

Wirtschaft ist eines der zentralen Themen im US-Wahlkampf. Die beiden Kandidaten Kamala Harris und Donald Trump bieten den Wählern zwei entgegengesetzte Bilder vom Zustands ihres Landes. Wo sie Probleme sehen – und welche Lösungen sie anbieten.

    Ein Walmart-Mitarbeiter in Florida schiebt Einkaufswägen über einen Parkplatz.
    Für viele US-Amerikaner stellt schon der Weg in den Supermarkt ein Problem dar: Trotz Rückgang der Inflation machen ihnen die gestiegenen Preise für Lebensmittel und Energie zu schaffen. (picture alliance / Sipa USA / Michele Eve Sandberg)
    Inflationsfolgen abfedern, Verschuldung bekämpfen, Unternehmenssteuer heben oder senken: Die US-Präsidentschaftskandidaten Kamala Harris und Donald Trump wollen im Wahlkampf mit Wirtschaftsthemen überzeugen. Wo setzen die Kandidaten ihre Schwerpunkte? Und wie steht das Land wirtschaftlich da? Ein Überblick.

    Inhalt

    Zwei gegensätzliche Kandidaten – auch beim Thema Wirtschaft

    Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump zeichnet bei seinen Auftritten ein düsteres Bild der US-Wirtschaft. Er erinnert seine Zuhörer regelmäßig an ihre gestiegenen Lebenshaltungskosten und macht für Entwicklungen wie den sich abkühlenden Arbeitsmarkt die Demokraten verantwortlich.
    Für seine zweite Amtszeit hat sich der frühere Präsident weitreichende Deregulierungen vorgenommen. US-Bundesbehörden sollen geschrumpft werden, ihre Weisungs- und Kontrollbefugnisse stark eingeschränkt werden. Besonders betroffen dürften die Bereiche Energie, Umwelt, Arbeit und Gesundheit sein.
    Kamala Harris verfolgt die entgegengesetzte Strategie zu Trump: Sie zeichnet ein optimistisches Bild der wirtschaftlichen Entwicklung ihres Landes und konzentriert sich auf gute Wirtschaftsdaten wie die historisch niedrige Arbeitslosenquote oder dass die USA nach dem Rückgang der Inflation nicht in eine Rezession geraten sind.
    Die Kandidatin der Demokraten präsentiert ihre wirtschaftspolitischen Vorhaben als „Politik für die Mittelschicht“, als eine „opportunity economy“, eine Wirtschaft der Chancen, der Möglichkeiten für jedermann. Harris, Vizepräsidentin unter Präsident Biden, will die von ihm initiierte Gesetzgebung mit Investitionen in Infrastruktur, Bildung und grüne Energie fortsetzen.

    Inflation ist zentrales Wahlkampfthema

    Auch wenn die Inflation in den USA inzwischen unter drei Prozent gesunken ist, sind die gestiegenen Preise eines der zentralen Wahlkampfthemen. Denn die Lebenshaltungskosten sind immer noch hoch und stellen für viele Bürger oft ein existenzielles Problem dar. Neben hohen Lebensmittel- und Energiepreisen klagen viele über die Benzinpreise, die höher als vor der Pandemie sind.
    Die Statistik zeigt die Inflationsrate und Kerninflation in den USA von Juli 2020 bis Juli 2024
    Die Inflationsrate in den USA lag im Juli 2024 bei rund 2,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat (Statista)
    Kamala Harris will hier Preiskontrollen durchsetzen: Auf dem Parteitag der Demokraten gab sie bekannt, dass sie das erste bundesweite Verbot von Preisabsprachen bei Lebensmitteln einführen will.
    Trump setzt hingegen beim Thema Energie und Autos an. Er möchte den Ausbau der heimischen Öl- und Gasproduktion vorantreiben und Umweltvorschriften aufheben. Schon jetzt, unter Präsident Biden, wird in den USA diesbezüglich mehr gefördert als jemals zuvor.
    Streichen will der Republikaner hingegen Subventionen für E-Autos und erneuerbare Energien, die er verantwortlich für den Anstieg der Energiepreise in den USA macht. Harris will Investitionen von Bürgern und Unternehmen in grüne Technologien dagegen stärker fördern, über Zuschüsse und zusätzliche Steueranreize.

    Niedrige Löhne und eine hohe Verschuldung

    Der US-Arbeitsmarkt hat sich nach der Pandemie wieder erholt, doch nun steigen die Arbeitslosenzahlen wieder leicht. Viele US-Bürger wünschen sich höhere Löhne, finden diese aber nicht. 40 Prozent der US-Amerikaner können eine plötzliche Ausgabe von 400 Dollar nach Angaben der US-Notenbank nur mithilfe eines Kredits oder eines Verkaufs zahlen.
    So wundert es nicht, dass die Kreditkartenverschuldung deutlich zugenommen hat. Sie liegt bei durchschnittlich 5500 Dollar. Die hohen Kreditzinsen treiben die Schulden weiter in die Höhe. Auch hohe Hypothekenzinsen machen es vielen US-Bürgern zudem unmöglich, ein Haus oder ein Apartment zu kaufen, obwohl die USA traditionell ein Käuferland sind.
    Trump setzt seinen Fokus auf den Schutz von Arbeitsplätzen und Industrien in den USA und will die handelspolitischen Pläne seiner ersten Präsidentschaft fortführen. Importe, egal woher, würden nach seinen Vorstellungen mit einem zehnprozentigen Zoll belegt. Dass Harris Joe Bidens Kurs der Zölle, Strafzölle und Exportverbote gegenüber China fortführen wird, gilt als wahrscheinlich.

    Verlängerung der Steuersenkungen – aber nicht für alle?

    Kamala Harris will Bürgerinnen und Bürger unterstützen, indem sie die Steuergutschrift für Arbeitseinkommen ausweitet, den Freibetrag für Krankenversicherungsprämien erhöht und niedrige Einkommenssteuersätze beibehält – allerdings nicht für alle.
    Im kommenden Jahr laufen die Steuersenkungen der Regierung Trump aus dem Jahr 2017 aus, die nicht nur bei Reichen und Superreichen äußerst populär sind. Von den niedrigeren Einkommenssteuersätzen profitieren seither auch viele Familien aus der Mittelschicht. Sollte er wiedergewählt werden, will der frühere Präsident die Steuersenkungen verlängern. Die Besteuerung von Renten will Trump vollständig abschaffen. Daneben plant er, Trinkgelder nicht mehr zu besteuern – ebenso wie Harris.
    Die Demokratin will die Steuersenkungen als US-Präsidentin ebenfalls verlängern - allerdings nur für US-Haushalte mit einem Einkommen unter 400.000 Dollar im Jahr, was etwa 98 Prozent der US-Bürger entspricht. Den Steuerfreibetrag für die Gründung von Kleinunternehmen will Harris von 5000 auf 50.000 Dollar erhöhen. Der Spitzensteuersatz für US-Bürger, die mehr als eine Million Dollar verdienen, soll einschließlich eines Sonderzuschlags auf 33 Prozent steigen. Das ist deutlich weniger als die von Joe Biden vorgesehenen 45 Prozent.

    Harris plant teure Steuererleichterungen für Familien

    Für Familien plant die Präsidentschaftskandidatin zusätzliche Steuererleichterungen. Bisher erhalten Familien pro Kind einen Kinderfreibetrag von 2000 Dollar im Jahr. Hier könnte es mit Harris bis zu 10 Prozent Steuererleichterung geben. Da arme Familien davon kaum profitieren würden, hat die Demokratin zusätzlich angekündigt, den sogenannten Child Tax Credit, eine dem Kindergeld vergleichbare Leistung, für US-Familien unterhalb einer Einkommensgrenze von 400.000 Dollar zu erhöhen.
    Bei Trump ist noch unklar, ob er den Kinderfreibetrag erhöhen würde. Sein Vize JD Vance hatte zuletzt im US-Senat gegen eine Erhöhung gestimmt.  
    Sollte Harris ihre Vorhaben für Familien umsetzen, wird dies teuer: Die Pläne könnten Experten zufolge das US-Haushaltsdefizit um mehrere 100 Milliarden Dollar über zehn Jahre erhöhen. Finanzieren will Harris ihre Pläne unter anderem mit Einnahmen aus Unternehmenssteuern.

    Unternehmenssteuer als Streitpunkt

    Die Körperschaftssteuer für Unternehmen könnte unter den Demokraten von derzeit 21 auf 28 Prozent steigen. Sie wollen ein transparenteres US-Steuersystem und eine schärfere Steueraufsicht, um Steuerhinterziehung und -vermeidung einzudämmen.
    Mit Trump könnten sich Unternehmen hingegen über eine weitere Senkung der Körperschaftssteuer freuen: von derzeit 21 auf 15 Prozent. Vor 2017 lag sie bei 28 Prozent. Trumps Erwartung: Mehr Geld bei Unternehmen und in den Taschen der Bürger werde die Wirtschaft ankurbeln und so zur Haushaltsreduzierung beitragen.
    Experten erwarten durch die Verlängerung der Steuersenkungen einen Anstieg des US-Haushaltsdefizits um 5,8 Billionen Dollar über zehn Jahre - und langfristig sogar noch mehr: wegen der zunehmenden Verschuldung und Gefahren für das Wirtschaftswachstum.
    Die Statistik zeigt die Staatsverschuldung der USA in Billionen US-Dollar von Juli 2014 bis Juli 2024.
    Im Juli 2024 lag die Staatsverschuldung der USA bei rund 35,1 Billionen US-Dollar. (Statista)
    Die Staatsverschuldung war schon unter der aktuellen Regierung auf rund 35 Billionen US-Dollar gestiegen, vor allem durch den "Inflation Reduction Act", Bidens milliardenschweres Subventionsprogramm, das allerdings ein hohes Wirtschaftswachstum brachte.

    Doris Simon, ikl