USA
Athleten mischen im Wahlkampf mit

Der US-Wahlkampf spitzt sich immer mehr zu, das wird auch im Sport deutlich: Beide politischen Lager versuchen, den Sport für die eigenen Zwecke zu nutzen.

Von Raphael Späth |
Amerikas Basketball-Nationaltrainer Steve Kerr bei seiner Rede am Demokratischen Parteitag.
Amerikas Basketball-Nationaltrainer Steve Kerr behält seine politische Meinung nicht für sich. Der ehemalige NBA-Champion hat im Präsidentschaftswahlkampf eine klare Favoritin. (dpa / picture alliance / Ron Sachs )
Es ist ein begeisterter Empfang für Steve Kerr auf dem Parteitag der Demokraten Mitte August: Der ehemalige Basketball-Star der Chicago Bulls hat als Trainer der US-Nationalmannschaft erst ein paar Tage davor Gold bei den Olympischen Spielen in Paris gewonnen. Jetzt steht er auf der gleichen Bühne, auf der Kamala Harris später offiziell als Präsidentschaftskandidatin der demokratischen Partei nominiert wird.

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„Die Freude, das Mitgefühl und den Einsatz, den wir von Athleten für unser Land während der Olympischen Spiele gesehen haben, genau dafür stehen auch Kamala Harris und Tim Walz. Und genau das ist es, was unser Land braucht: Echte Führungsstärke. Nicht die Art von Anführer, die versuchen, uns auseinanderzutreiben und gegeneinander aufzubringen, sondern die, die nach einem gemeinsamen Nenner suchen.“

Sportler setzen sich aktiv für Harris ein

Steve Kerr ist ein bekennender Unterstützer von Kamala Harris und ihrem Vize-Kandidaten, Tim Walz. In den vergangenen Jahren hat er sich offen gegen Missstände im Land ausgesprochen und politisch klar Stellung bezogen, jetzt geht er noch einen Schritt weiter:
Gemeinsam mit neun weiteren ehemaligen und aktiven Sportlerinnen und Sportlern steht er an der Spitze der „Athletes for Harris“-Kampagne. Eine Kampagne, die ganz gezielt Werbung macht: Für die demokratische Partei und für Kamala Harris als Präsidentin.
„Ich glaube, das ist das erste Mal in der jüngeren Geschichte, dass man diese Art von Konter von der linksgerichteten Politik sieht“, sagt der Soziologe Douglas Hartmann, der sich seit vielen Jahren mit Aktivismus im amerikanischen Sport beschäftigt.
„Für mich ist die wichtigste Tatsache daran, dass das ein eindeutiger Wandel innerhalb der demokratischen Partei ist, jetzt mehr mit dem Sport und vor allem dem American Football verbunden zu sein.“

Kampagne will junge, männliche Sportfans gewinnen

Das Wahlkampfteam von Kamala Harris betont in seiner Pressemitteilung: Die „Athletes for Harris“-Kampagne zielt vor allem darauf ab, die Stimmen von jungen, männlichen Sportfans zu gewinnen. Eine Wählergruppe, die in Umfragen bisher eindeutig pro Trump stimmt. Teil der Kampagne sind deshalb auch 15 ehemalige Top-Stars der American Football-Liga in den USA, der NFL.
„Das ist eine bewusste Strategie, vor allem mit Blick auf den Mittleren Westen, auf die Staaten, in denen Football sehr populär ist“, erklärt Doug Hartmann.
„Aber ich glaube auch, dass die Demokraten versuchen, Maskulinität neu zu definieren und für sich zu beanspruchen. Eine Maskulinität, die nicht laut, aufdringlich und frauenfeindlich ist, sondern eher fürsorgend und aufmerksam, eine Maskulinität, die eher den durchschnittlichen, alltäglichen Mann widerspiegeln soll. Und dafür steht auch Tim Walz als Vize-Präsident: Er ist ein Football Coach, er ist Jäger, er besitzt Waffen, er war im Militär. Das sind normalerweise alles Merkmale, mit denen konservative Republikaner gepunktet haben.“

Viele Akteure im US-Sport positionieren so offen wie nie

Aber: Auch die Republikaner, angeführt von Donald Trump, versuchen in diesem Wahlkampf aktiv, den Sport für die eigenen Zwecke zu nutzen. Der ehemalige US-Präsident zeigt sich in diesen Tagen bei College-Football-Spielen oder bei Show-Boxkämpfen. Einer seiner engsten Verbündeten ist Dana White, der CEO der populärsten Kampfsport-Organisation in den USA, der UFC.
Ex-US-Präsident Donald Trump spricht mit UFC-Präsident Dana White
Donald Trump ist bekennender MMA-Fan und eng befreundet mit Dana White, dem Chef der populären Kampfsportserie UFC. Beide vereint die rechte Ideologie. (dpa / picture alliance / Frank Franklin II)
„Ich weiß, dass Donald Trump den American Dream retten will. Und das steht bei dieser Wahl auf dem Spiel. Wir entscheiden, wer uns in diesem Kampf anführt. Und ich weiß, dass Donald Trump ein anerkannter, furchtloser Anführer ist, und dass es dem Land sehr viel besser ging, als Donald Trump noch Präsident war.“
Viele Akteure im US-Sport positionieren sich in diesen Tagen des Wahlkampfes so offen wie nie. Für den Sport ist das durchaus ungewöhnlich, erklärt Soziologe Doug Hartmann.
„Die Art von Politik, mit der der Sport in den USA sich eigentlich gemein machen will, ist eine Art apolitischer Zentralismus. Weil er eigentlich versucht, eine breite Masse anzusprechen und sowohl Demokraten als auch Republikaner als Fans zu gewinnen. Deshalb wollen diese Sportorganisationen sich eigentlich nicht in eine Ecke drängen lassen.“

Trump hat sich bereits offen mit Sportlerinnen und Sportlern angelegt

Der Sport ist unpolitisch – das war in den vergangenen Jahrzehnten die gängige Meinung in den USA, die viele Fans auch heute noch teilen. Aber:
„Donald Trump ist eine transformierende Persönlichkeit gewesen im Sport, so wie er es in vielen Teilen der amerikanischen Gesellschaft war. Weil er fast schon bewusst diese Tabus und Normen im Sport aufgebrochen hat.“
Während seiner Zeit als US-Präsident hat Donald Trump sich offen mit Sportlerinnen und Sportlern angelegt. Als im American Football zum Beispiel viele Sportler, angeführt von Quarterback Colin Kaepernick, friedlich gegen Polizeigewalt protestiert und sich während der US-Hymne hingekniet haben, forderte Trump, dass diese Spieler von ihren Teams entlassen werden. Colin Kaepernick sucht seitdem auch nach einem neuen Arbeitgeber.

Demokraten zielen auf Sportler ab

Soziologe Doug Hartmann erkennt darin einen Trend. „In den vergangenen Jahren hat die rechte Politik im Sport dominiert. Es gibt immer mehr Ausschlüsse von trans Personen im Sport zum Beispiel, es gibt viele Verschwörungstheorien um die Freilassung der Basketballerin Brittney Griner, die ja in Russland festgehalten wurde. All das wurde auch im Wahlkampf von den Republikanern instrumentalisiert.“
Mit der „Athletes for Harris“-Kampagne versuchen die Demokraten, jetzt gegenzusteuern. Kamala Harris tritt vermehrt auch in Sport-Podcasts auf, immer mehr Athletinnen und Athleten unterstützen sie offen im Wahlkampf. Aber: Hat das auch einen Einfluss auf das Wahlergebnis?
„Normalerweise machen solche Positionierungen von Prominenten im Wahlkampf keinen großen Unterschied“, erklärt Autor Mark Harvey, der sich in einem Buch explizit damit beschäftigt hat.
„Wenn Leute entscheiden, wen sie wählen, dann schauen sie eher darauf, wie viel Geld sie für Sprit oder Lebensmittel zahlen und wie es um die Wirtschaft steht. Das steht an erster Stelle. Und was ein Sportler sagt, das steht auf dieser Liste steht weit unten.“
Mark Harvey erklärt: Ein Großteil der US-Bevölkerung sieht es nicht gerne, wenn Sportlerinnen und Sportler sich politisch positionieren.
„Es gibt viele Risiken, vor allem für Athleten. Sportler sind normalerweise einer Art Monopol untergestellt, und das Beispiel Colin Kaepernick hat ja gezeigt: Wer ausschert und die Liga oder das TV-Publikum herausfordert, der wird schnell rausgeworfen. Und deshalb ist das Risiko groß. Vor allem wenn man dazu noch Sponsoren hat, die nicht wollen, dass man sich politisch engagiert.“
Basketball-Trainer Steve Kerr ist sich diesen Risiken bewusst. Seit Jahren wird er mit Hasskommentaren in den Sozialen Medien konfrontiert. Auf der Bühne der demokratischen Partei betont er:
„Ich weiß, dass es heutzutage riskant ist, politisch Stellung zu beziehen. Aber als ich gefragt wurde, wusste ich auch, dass es für mich als US-Bürger einfach zu wichtig war, in einem Wahlkampf von solcher Bedeutung meine Stimme zu erheben.“