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Wie Donald Trump die Welt verrückt

Das Phänomen Trump: Der Erklärungsbedarf lässt ebenso wenig nach wie die Hauruck-Entscheidungen und Personalauffälligkeiten im Weißen Haus. Also werden weitere Bücher über Trump geschrieben, ein erhellendes kommt von Ansgar Graw, bis vor Kurzem Zeitungskorrespondent in den USA. Titel: "Trump verrückt die Welt"

Von Marcus Pindur |
    US-Präsident Donald Trump (19.7.2017).
    US-Präsident Donald Trump. (dpa / picture alliance / Chris Kleponis)
    Donald Trump ist eine Zumutung. Für viele zumindest. Aber nicht für seine Kernwählerschaft. Diese steht weiterhin hinter ihm. Der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika polarisiert, innerhalb wie außerhalb der USA. "Trump verrückt die Welt" - findet Ansgar Graw.
    Der Journalist und bis vor kurzem USA-Korrespondent der Tageszeitung "Die Welt" hat insgesamt acht Jahre in den USA zugebracht und das Land ausgiebig bereist. Aus dieser intimen Kenntnis schöpft der Autor, wenn er in seinem Buch Donald Trump in einen politischen, gesellschaftlichen und erfreulicherweise auch historischen Kontext setzt.
    Graw schildert eindringlich, wie sich bei der Wahl Trumps Amerika entlang mehrerer Bruchlinien spaltete. Das ländliche Amerika gegen das urbane, das Küsten-Amerika gegen das Binnen-Amerika, die Collegeabsolventen gegen die Highschool-Absolventen.
    "Die Amerikaner sind so uneinig wie nie zuvor nach dem Sezessionskrieg im 19. und der Bürgerrechtsbewegung im 20. Jahrhundert. Ein Ausdruck dessen war, dass Trump zwar die electoral vote der Wahlleute [...] klar für sich entschied [...], aber Clinton in der popular vote der Direktstimmen mit einem Vorsprung von fast 2,9 Millionen Stimmen deutlich vor ihm landete."
    Trump ist ein Politiker und eine Person, die vielfältige und oft auch berechtigte Ängste und Sorgen weckt. Ansgar Graw gelingt es jedoch, das Phänomen Trump akkurat zu beschreiben, ohne dem Leser ständig weitreichende moralische Bewertungen aufzudrängen. Das ist nicht ganz einfach, schlicht weil Trump normale Werte und Normen des politischen wie persönlichen Verhaltens sprengt oder negiert.
    Erschütterte vermeintliche Gewissheiten
    Zunächst einmal erschüttert die Trump-Präsidentschaft den Glauben an bislang für selbstverständlich gehaltene Mechanismen der amerikanischen Politik, so der Autor:
    "Für die politische Kultur der USA bedeutet es eine Abkehr von allen bisherigen vermeintlichen Gewissheiten. Es gab Gewissheiten, dass nur jemand Präsident werden kann, der vorher mindestens Abgeordneter, nach Möglichkeit aber Senator, am besten Gouverneur gewesen ist, der im Militär eine große Karriere hingelegt hat. Und plötzlich kommt jemand als Quereinsteiger, von dem vorher alle gesagt haben, der wird nicht einmal die Nominierung der Republikaner packen. Und der dann sogar die general election, die eigentlichen Präsidentschaftswahlen gewonnen hat."
    Der Bruch der Erwartungshaltungen korreliert mit dem Bruch des politischen Verhaltenskodexes:
    "Er bringt einen völlig neuen Stil mit, indem er alles das, was man vielleicht unter dem Rubrum 'Würde des Amtes' zusammenfassen kann, weggekehrt hat, und einen nepotistischen, auf seine eigene Familie, auf seinen engsten Vertrautenkreis ausgerichteten, familiären Zirkel errichtet hat."
    Trump nur zu verdammen, würde nicht dem Phänomen gerecht, das dieser Mann für einen großen Teil der Amerikaner weiterhin verkörpere, so Graw. Man dürfe aber die schiere Macht, die ihm qua Amt zur Verfügung stehe, nicht mit politischer Größe verwechseln. Denn Trump stelle eine Gefahr dar, weil er die Welt ein Stück weit ins Unkalkulierbare verrücke.
    Das Phänomen Trump und sein historischer Rahmen
    Ansgar Graw zeichnet in seinem Buch ein gelungenes Bild der familiären und politischen Biographie Trumps - inklusive seiner erstaunlichen politischen Kehrtwenden, zweifelhaften geschäftlichen Usancen und unzweifelhaften charakterlichen Schwächen.
    Erfreulich ist, dass der Autor Trump nicht als unverbundenes und somit unerklärbares Phänomen beschreibt, sondern als Ausdruck eines historischen Stranges der amerikanischen politischen Kultur, des politischen Populismus.
    Dieser drängte immer wieder an die Oberfläche, so zum Beispiel mit den Agrar-Populisten der 1890er Jahre und den Linkspopulisten der 1930er Jahre, stellte aber bis auf eine Ausnahme nie den Präsidenten. Dieser Ausnahme widmet Ansgar Graw ein Kapitel: Andrew Jackson, der siebte Präsident der USA. Die Parallelen sind frappierend. Jackson forderte 200 Jahre vor Trump, den Einfluss von Ausländern und Eliten zurückzudrängen. Seine Zeitgenossen beschrieben ihn entweder als Lichtgestalt oder aber, wie zum Beispiel Alexis de Tocqueville, als Demagogen.
    "Und wenn man das vergleicht mit Trumps Wahlkampf 2016, sind die Parallelen ausgesprochen groß. Und auch da ging´s zum Beispiel um die Frage: Kampf gegen Banken, Kampf gegen eine Bundesbank, das, was Donald Trump im Wahlkampf mit Kampf gegen Wall Street gemacht hat. Andrew Jackson hat gesagt: Kampf gegen den Lobbyismus, Donald Trump hat gesagt: Kampf gegen den Washingtoner Sumpf, den müssen wir trockenlegen."
    Diese Parallelen sind nicht zufällig. Donald Trump bringt instinktgeleitet eine Saite im Gedächtnis der amerikanischen Nation zum Klingen, die wenig von internationalen Verpflichtungen wissen will und fremden Einflüssen gegenüber misstrauisch ist. Das wird auch nach dem Ende der Trump-Präsidentschaft nachwirken, ist Ansgar Graw überzeugt - ob in so schrillen Tönen wie bei Trump bleibt abzuwarten.
    Die außenpolitischen Konsequenzen
    Was in dem Buch fehlt, ist eine Erörterung Trumps als Teil einer rechtspopulistischen Internationale, die derzeit in vielen Ländern nicht nur der westlichen Welt grassiert.
    Mit einem Amtsenthebungsverfahren, das die Gegner des Präsidenten herbeisehnen, rechnet der Journalist nicht. Dies ist eine realistische Einschätzung - zumindest nach jetzigem Stand der Dinge. Doch Unberechenbarkeit ist ein bestimmendes Kennzeichen der Trump-Präsidentschaft.
    Das arbeitet Graw auch in einem ausführlichen Kapitel zur Außenpolitik heraus. Was das Trump‘sche Motiv des "America First" konkret bedeutet, bleibt im oft im Nebel und ist Schwankungen unterworfen. In Syrien feuert Trump erst Cruise Missiles auf die Assad-Luftwaffe und stimmt dann einem Waffenstillstand zu, der nur dem Assad-Regime und dem russischen Präsidenten nutzt. Die Nato hat Trump als überflüssig bezeichnet und dann wiederum widerwillig als notwendig.
    Europa bleibe auf die USA angewiesen, so der Autor in seinem Fazit. Das gelte umgekehrt auch, aber nicht im gleichen Maße.
    "Insbesondere für Deutschland wäre eine neue Mittellage zwischen Amerika und Russland fatal, weil sie Misstrauen bei allen Nachbarn, den Polen und Franzosen allen voran, wecken würde. Darum sollte Berlin seine Rüstungsanstrengungen erheblich stärken, aber zugleich intensiv daran arbeiten, dass die deutsch-amerikanischen Beziehungen nicht verwechselt werden mit der Präsidentschaft des Donald Trump. Außenpolitik ist an Interessen orientiert, nicht an einzelnen Akteuren. Europa muss die USA davon überzeugen, dass die gemeinsamen Interessen überwiegen."
    Und das gelte auch in einer Zukunft, in der Trump nicht mehr im Amt sein, manche seiner Positionen in Washington aber weiterhin virulent sein würden.
    Ansgar Graw hat ein lesenswertes, informiertes, und vor allen Dingen unaufgeregtes Buch über die USA und ihren Präsidenten geschrieben. Dies ist zu Zeiten eines Präsidenten, der nicht gerade zur Unaufgeregtheit einlädt, ein großes Verdienst.
    Ansgar Graw: "Trump verrückt die Welt. Wie der US-Präsident sein Land und die Geopolitik verändert"
    Herbig Verlag, 254 Seiten, 20 Euro.