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Usbekistan
Die sehr langsame Entdeckung der Pressefreiheit

Als Shavkat Mirziyoyev 2016 in Usbekistan Präsident wurde, erhofften sich viele bessere Bedingungen für die Medien des zuvor totalitär geführten Landes. Und tatsächlich hat sich die Situation zum Teil gebessert. Doch noch immer werden Journalistinnen und Journalisten bedroht oder eingesperrt.

Von Dieter Wulf |
Usbekistans Präsident Shavkat Mirziyoyev (r.), hier mit dem weißrussischen Ministerpräsidenten Sjarhej Rumas
Usbekistans Präsident Shavkat Mirziyoyev (r.), hier mit dem weißrussischen Ministerpräsidenten Sjarhej Rumas (picture alliance/Ramil Nasibulin/TASS/dpa)
"Meine Seite hat auf Facebook 4000 Abonnenten. Das usbekische Programm von Radio Free Europe dagegen hat etwa 100.000 und auf anderen Wegen nochmal etwa eine Million Nutzer", sagt der Journalist Aleksei Volosevich, der in Taschkent eine eigene Website mit Reportagen über Usbekistan betreibt. Seine Website werde bisher von der Regierung nicht als gefährlich eingestuft. Und auch viele andere Internetportale, die jahrzehntelang gesperrt waren, sind mittlerweile für jedermann in Usbekistan aufrufbar.
Radio Free Europe bleibt dagegen, wie schon seit Jahrzehnten blockiert und kann nur über Proxy Server empfangen werden. Trotzdem spricht Präsident Mirziyoyev immer wieder über die Notwendigkeit unabhängiger Medien. Im September lud er sogar medienwirksam Dutzende internationale Blogger und Influencer für eine Tour durch Usbekistan ein – natürlich mit Selfiemöglichkeiten mit dem Präsidenten.
Verhaftung wegen Protest
Dass die Situation im Land selber aber immer noch eine völlig andere ist, zeigt das Beispiel von Nafosat Olloshukurova. Die Bloggerin wurde im September verhaftet. Der Protestmarsch hatte keine Genehmigung der Behörden und wurde aufgelöst, erklärt ihr Anwalt Davlatov Umidbek. "Nur zwei Leute wurden verhaftet. Ein Journalist und meine Mandantin. Beide kamen für zehn Tage ins Gefängnis."
Dort reagierte Nafosat Olloshukurova mit Hungerstreik auf die Verhaftung, was die Behörden wiederum veranlasste, sie in eine psychiatrische Klinik einzuliefern. Er kenne seine Mandantin schon länger, betont ihr Anwalt. Bei seinen Besuchen habe er lediglich eine junge Frau angetroffen, die das sagt, was sie für richtig findet. Ende November aber wurde ihr Antrag auf Entlassung bei einer weiteren Verhandlung aus der Psychiatrie erneut abgelehnt.
"Ich kann Euch leicht zu Schwulen machen"
In einem anderen Fall rund um den Bürgermeister von Taschkent Jahongir Ortqxo´jayev erregte eine Sounddatei in sozialen Medien erhebliches Aufsehen. In der Tonaufnahme hört man den Bürgermeister , wie er auf Usbekisch und Russisch Journalisten massiv bedroht.
"Ich kann Euch leicht zu Schwulen machen. Es ist einfach. Ich setze Euch in ein Taxi mit einem Schwulen und fotografiere Euch." Homosexualität ist in Usbekistan eine Straftat. Eine massive Drohung also, aber der Bürgermeister gingen noch weiter: "Ihr könntet spurlos verschwinden, niemand würde nach Euch suchen", hört man ihn wettern. Die Aufnahme war im August entstanden, aber erst jetzt öffentlich geworden.
Bedroht hatte der Bürgermeister Journalisten des unabhängigen Internetportals "Kun" – das ist das usbekische Wort für "der Tag". Im Vorfeld hatte sich ein Geschäftsmann hilfesuchend an das Magazin gewandt, weil ein Bezirksbürgermeister ihn offenbar finanziell betrogen hatte. Die Journalisten begannen also zu recherchieren, erklärt Safarbek Solijonov, der seit zwei Jahren als Journalist und Rechtsanwalt für das Portal arbeitete. "Ein Kollege und jemand mit eine Videokamera gingen dorthin, um Fragen zu stellen, denn jede Münze hat ja zwei Seiten. Wir wollten also die andere Seite hören."
Kündigung statt Gefängnis
Der Bezirksbürgermeister aber weigerte sich, die Fragen der Journalisten zu beantworten und demolierte sogar die Kamera. Jetzt erst kam Jahongir Ortqxo´jayev, der Bürgermeister der Hauptstadt ins Spiel, der nun vermitteln sollte. Doch die Situation eskalierte. Statt zu vermitteln, bedrohte er die Journalisten. Diese hatten das Gespräch heimlich mitgeschnitten und gingen damit zur Staatsanwaltschaft, um Anklage zu erheben. Drei Monate später tauchte eine gekürzte Version im Netz auf. Wer das Gespräch veröffentlichte hat, ist unklar.
Nach einem weiteren Termin mit dem Bürgermeister hieß es plötzlich auf dem Internetportal von Kun.uz, ohne Absprache mit der Redaktion, alles sei geklärt. Und man forderte alle Journalisten und Blogger im Land auf, das Thema auf sich beruhen zu lassen. Safarbek Solijonov kündigte noch am selben Tag.
Vor einigen Jahren wäre das alles sicher nicht öffentlich geworden und er säße jetzt vermutlich im Gefängnis. So gravierend die Vorkommnisse sind, zeigen sie doch auch die Veränderung, meint der usbekische Journalist. "Nach meiner Kündigung hatte ich gleich 35 neue Jobangebote."