Der neue Jude war ein Mann, der kräftig war, gestählt, der nicht schwächlich war, der das Land bearbeitet und der gleichzeitig zur Selbstverteidigung dieses Gewehr über der Schulter hat. Die zionistische Bewegung reagierte ja auf eine Jahrhunderte lange Verfolgung von Juden. Und die zionistische Bewegung hat argumentiert, wir müssen wehrhaft sein, wir dürfen uns nicht mehr verfolgen lassen, wir dürfen nicht schwach sein, wir müssen wehrhaft sein. Der wehrhafte Mann stand im Mittelpunkt des zionistischen Selbstverständnisses, und wir müssen den neuen Juden schaffen.
Welche Rolle der Frau zukam, ob sie dem Mann gleich sein sollte oder sich deutlich von ihm unterscheiden - darüber wurde in den 20er und 30er Jahren heftig gestritten. Unter den Zionistinnen gab es die treu sorgende Mutter, die fleißige Farmerin im Kibbuz, aber auch die Kämpferin, die zu den zionistischen Parteien in den Untergrund ging und an die Waffe drängte.
Ich habe Dokumente gefunden, aus denen hervorgeht, dass Frauen immer und immer wieder sich zusammengeschlossen haben und ihre Genossen zur Rede gestellt haben, warum sie eben doch letztendlich wieder als weiblich erachtete Tätigkeiten machen sollten, also: hinten sein sollten, die Verpflegung der Soldaten sichern oder der Mitglieder der Untergrundgruppen, sich um Kleidung kümmern. Und wenn dann eben bewaffnete Aktionen stattfanden, sind die Frauen in der Regel doch ausgeschlossen worden.
Weil man aber nicht auf sie verzichten konnte, erlaubten die jüdischen Untergrundkämpfer auch einigen Frauen, Waffen zu tragen. Als dann 1948 der Staat Israel gegründet und gleich von den Arabern angegriffen wurde, verabschiedete das Parlament ein Verteidigungsgesetz, das die allgemeine Wehrpflicht auch für Frauen festschrieb. Doch an Hand der alten Debattenprotokolle weist Uta Klein nach, dass die Männer damals keineswegs an einem Wandel der traditionellen Geschlechterbilder interessiert waren. Faktisch blieb es bei der Ungleichbehandlung von Mann und Frau. Der Wehrdienst war und ist für Frauen kürzer als für Männer. Frauen werden hauptsächlich als Sekretärin oder Telefonistin eingesetzt. Auf keinen Fall sollen sie an die Front kommen, weil nur Männer für den direkten Kampf gegen den Feind geboren seien. Diese Haltung haben die führenden Militärs bis heute beibehalten, allen Forderungen der Frauenbewegung nach Gleichbehandlung zum Trotz. Das führt bisweilen zu geradezu absurden Geschlechterverhältnissen, die Uta Klein in ihrem Buch sehr anschaulich beschreibt.
Frauen konnten in den letzten Jahren trotz des Kampfverbotes wohl als Lehrerinnen oder Instrukteurinnen arbeiten, haben also den männlichen Soldaten beibringen können, wie ein Panzer funktioniert, wie man einen Panzer fährt. Wenn aber eine Übung auf dem Feld vorgenommen wurde, blieben diese Frauen auf dem Stützpunkt und konnten nicht mit ins Feld, weil sie dem Kampfverbot unterlagen. Das hat ihre Stellung in der Truppe natürlich wesentlich beeinflusst. So eine Person wird natürlich nicht für ebenso voll genommen wie der Mann, der dann mit aufs Feld gehen kann.
Entsprechend machten auch ausschließlich Männer Karriere beim Militär. In den höheren Offiziersrängen und erst recht im Generalstab waren sie unter sich. Das hat Auswirkungen bis weit ins zivile Leben hinein. Das Militär ist im ständig in seiner Existenz bedrohten Israel die zentrale gesellschaftliche Institution. Wer es hier zu etwas bringt, der hat gute Kontakte, der steigt auch in Wirtschaft und Politik schnell auf. Kriegshelden wie Yitzak Rabin oder Ehud Barak brachten es bis zum Premierminister. Feministinnen haben deshalb jahrzehntelang gefordert, auch Frauen die höchsten Ränge in der Armee zu öffnen. Erst im vergangenen Jahr konnten sie sich durchsetzen. Vielleicht hat es mit dieser formalen Gleichstellung solange gedauert, weil die meisten Soldatinnen über die Ungleichbehandlung in gewisser Hinsicht auch ganz froh waren. In zahlreichen Interviews mit Rekrutinnen hat Uta Klein erfahren, dass die gar nicht interessiert waren, an die Front zu kommen oder auch nur an der Waffe ausgebildet zu werden.
Ich habe in vielen Erzählungen gehört: Bei uns fiel das aus, das Wetter war zu schlecht, und da hat unsere Offizierin gesagt, da bleiben wir zu Hause. Oder in einem anderen Fall habe ich von der Tochter von Freunden erfahren, dass sie sich mit ihrer Freundin um diese drei Tage Übung an der Waffe einfach drücken konnte, durch Ausflüchte, dass das ging. Ihr ging es halt nicht so gut, und dann haben die beiden das vermieden. Das wäre bei einem Soldaten, einem männlichen, nicht denkbar.
Männer, die kein soldatisches Ethos zeigen, sind selten in Israel. Aber ihre Zahl wächst seit einigen Jahren. Soldaten können sich nicht mehr als Helden fühlen. Als Saddam Hussein Israel angriff, mussten sie tatenlos zusehen, während die Amerikaner das Land verteidigten. Wenn sie heute in die besetzten Gebiete geschickt werden, müssen sie auf Steine werfende Kinder schießen - keine ebenbürtigen Gegner. Und zuhause werden sie dann womöglich noch kritisiert von einer Friedensbewegung, die entscheidend von Frauen getragen wird. Als eine "symbolische Kastration der Krieger" bezeichnet Uta Klein diesen Imageverlust. Einige wenige Männer wagen es sogar schon, den Kriegsdienst zu verweigern. Die Aussicht auf Frieden mit den Palästinensern hat zudem in den letzten Jahren die alles beherrschende Stellung des Militärs in Israel relativiert. Das klassische soldatische Männlichkeitsideal bröckelt an allen Ecken und Enden. Und so kommt die Autorin zu dem Fazit: Die Teilhabe an der Armee hat die Emanzipation der Frauen kaum gefördert. Aber die Hoffnung auf Frieden und eine Zivilisierung der Gesellschaft gibt beiden Geschlechtern mehr Spielräume, die alten Rollenmuster zu verlassen.
"Militär und Geschlecht in Israel", das neue Buch von Uta Klein ist bei Campus erschienen, hat 353 Seiten und kosten 68 Mark. Rezensent war Andreas Beckmann.