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Varianten von SARS-CoV-2
Was über die neuen Corona-Mutationen bekannt ist

Bei Viren gibt es stetig zufällige Veränderungen im Erbgut, so auch bei SARS-CoV-2. Diese Mutationen verschaffen dem Erreger Vorteile - etwa, indem sie ihn leichter übertragbar machen. Was über die neue Varianten des Coronavirus in Großbritannien sowie in Südafrika bislang bekannt ist.

Informationen von Volkart Wildermuth |
Ein Virus leuchtet im Dunkeln.
Viren passen sich im Lauf der Zeit immer besser an den Wirt an - und bilden dabei Varianten aus (imago / Achim Prill)
Die neue aus Großbritannien bekannte Coronavirus-Variante ist zum ersten Mal auch in Berlin nachgewiesen worden, wie die Senatsverwaltung für Gesundheit mitteilte. Der betroffene Mensch und zwei weitere erkrankte Kontaktpersonen seien inzwischen wieder genesen. Der Patient soll laut Senat zuvor in Großbritannien gewesen sein.
Die Mutation ist nach derzeitigem Stand wahrscheinlich ansteckender als frühere Formen. Experten befürchten daher, dass die Ausbreitung die Pandemiebekämpfung erschweren könnte. Bei Viren gibt es stetig zufällige Veränderungen im Erbgut, Mutationen genannt. Manche verschaffen dem Erreger Vorteile - etwa, indem sie ihn leichter übertragbar machen. Im Dezember wurden die neue Variante des Coronavirus (B.1.1.7) in Großbritannien sowie eine ähnliche (501Y.V2 oder B.1.351) in Südafrika nachgewiesen. Was bislang darüber bekannt ist, erklärt Volkart Wildermuth im Deutschlandfunk.
Was ist das Besondere an den beiden SARS-CoV-2-Varianten?
Beide neuen Varianten sind unabhängig voneinander entstanden, aber tragen ungewöhnlich viele Mutationen, die sich zum Teil überlappen, so Richard Neher, der in Basel mit dem Nextstrain-Projekt die weltweite Evolution von SARS-CoV-2 verfolgt. Vor allem verbreiten sich diese Varianten deutlich schneller aus. Die britische Variante B.1.1.7 etwa anderthalb Mal so schnell wie andere Coronaviren, deshalb dominiert sie inzwischen überall auf der Insel. Ähnlich ist es mit der Variante B.1.351, die von der Nelson Mandela Bay ausgehend die schnell wachsende Epidemie in Südafrika übernommen hat. Beide Varianten treten vereinzelt auch in anderen Ländern auf, auch in Deutschland, konnten sich dort aber bisher nicht im gleichen Maße festsetzen.
Wichtig ist: Für den Einzelnen ist es egal, mit welcher Variante er sich ansteckt, das Risiko für einen schweren Verlauf bleibt gleich. Aber gesellschaftlich macht es einen großen Unterschied, ob ein Virus sich schneller verbreitet. Denn dann greifen die Gegenmaßnahmen nicht mehr so gut. In England ist es mit dem scharfen Lockdown gelungen, die anderen Varianten zurückzudrängen, aber B.1.1.7 hat sich weiter verbreitet. Das hat die Virologin Isabella Eckerle aus Genf auf der Pressekonferenz des Science Media Center hervorgehoben.
Ein Rettungswagen fährt vor der Altstadt über die Friedensbrücke. Im Landkreis Bautzen kletterte die 7-Tage-Inzidenz nach Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) über die Marke von 500 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche.
Coronavirus-Mutationen - "Erkrankungsrate wird im Laufe der Zeit deutlich geringer"
Die neue SARS-CoV-2-Mutation ist nach Einschätzung des Virologen Martin Stürmer ansteckender, verursache aber keine schwereren klinischen Symptome.
Warum breiten sich gerade diese Virus-Varianten schneller aus?
Das zu verstehen dauert leider länger. Es gibt aber vorläufige Ergebnisse. Erstens scheinen Menschen, die sich mit B.1.1.7 angesteckt haben, mehr Virus zu produzieren. Zweitens sieht auch so aus, als ob ein höherer Prozentsatz ihrer Kontaktpersonen tatsächlich erkrankt. Aber das sind noch sehr kleine Studien, da muss man ein Fragezeichen dran machen. Drittens weiß man etwas über eine dieser Mutationen. Die sitzt nämlich genau dort im Spike Protein, wo es Kontakt zu menschlichen Zellen aufnimmt. Die Mutation namens N501Y verstärkt hier die Bindung. Ob das wirklich die Infektion für das Virus erleichtert, bleibt abzuwarten. Dafür muss man Laborexperimente machen, das braucht einfach Zeit.
Wirken denn die Impfstoffe auch gegen die neuen Varianten?
Impfstoffe lösen die Bildung einer Vielzahl von Antikörpern aus, einige wenige Veränderungen am Spike Eiweiß sollten da keinen Einfluss haben. Das zumindest ist die Theorie. Gerade heute hat Pfizer verkündet, dass es 16 Virusmutation aus der englischen Variante überprüft hat und gegen die wirkt die Antikörper der geimpften Personen im Reagenzglas. Was sie aber offenbar nicht nicht gemacht haben, ist die komplette neue Variante zu testen. Hier wird auch noch mal die Variante aus Südafrika wichtig, die hat eine Mutation namens E484K die in früheren Laborexperimenten den Immunschutz unterlaufen konnte. Also da bleibt eine Unsicherheit, aber unterm Strich glauben die Experten nicht, dass die Impfstoffe damit wirkungslos werden könnten. Vielleicht ist der Effekt bei der neuen Variante etwas geringer, aber das würde die Impfbemühungen nicht nutzlos machen.
Was ist jetzt zu unternehmen?
Da haben die Experten bei der Pressekonferenz zwei Aspekte hervorgehoben. Erstens ist trotz aller Unsicherheit klar, was zu tun ist. Auch die neuen Varianten lassen sich mit den bekannten Maßnahmen eindämmen: Kontaktbeschränkungen, breites Testen, schnelles Isolieren. Hier kommt es darauf an, die Regelungen konsequent umzusetzen, auch wenn Politik und Bevölkerung und nebenbei auch die Forscher selbst inzwischen müde sind, wie Andreas Bergthaler aus Österreich sagte. Die nächsten Wochen und Monate wird es bei Beschränkungen bleiben müssen. Im Sommer dann sollte der Impfschutz bei den Risikogruppen greifen, dann erst sei Zeit für Entspannung. Wobei die Gruppenimmunität bei der neuen Variante etwas später greifen würde.
In Madrid wird derzeit Grippe geimpft. 
Virologe: "Kurzfristig wird man das nicht flächendeckend hinbekommen" (Audio)
Der Virologe Martin Stürmer hat im Dlf eine Steigerung der Tests von Gensequenzen gefordert, um die neuartige Corona-Mutation aufzuspüren. Denn nur so könne man effektivere Mutanten verhindern.
Der zweite Aspekt: Es sollte mehr und vor allem zeitnah sequenziert werden, damit nicht nur die genannten, sondern auch weitere neue Varianten schnell erkannt und verfolgt werden können. Das ist aufwendig, denn das können die normalen Testlabore nicht leisten. Dafür braucht es Geld, aber das ist nicht unmöglich. Bei der Grippe gibt es ja auch ein weltweites Überwachungsprogramm, unter anderem für die Anpassung der Impfstoffe. So etwas könnte auf Dauer auch für SARS-CoV-2 notwendig sein.