Eine Kreuzfahrt von Lissabon bis zum Kap der Guten Hoffnung dauert heute rund 24 Tage. Vasco da Gama brauchte für die Strecke noch viereinhalb Monate. Am 8. Juli 1497 war der Portugiese mit seinem Dreimaster São Gabriel, drei Begleitschiffen und rund 150 Mann Besatzung aufgebrochen. Da Gama sollte im Auftrag von König Manuel I. versuchen, übers Meer bis nach Indien zu gelangen - so wie es sich Anfang des 15. Jahrhunderts schon Dom Henrique de Avis vorgestellt hatte.
Erkundungsfahrten entlang der afrikanischen Westküste
Der Prinz, besser bekannt als „Heinrich der Seefahrer“, war zwar selber nie zur See gefahren; aber er hatte die Werke namhafter Geografen, Astronomen und Kartografen studiert und die ersten Erkundungsfahrten entlang der afrikanischen Westküste organisiert. Vor allem mit Gewürzen - wie Zimt, Pfeffer und Muskat - ließen sich damals exorbitante Gewinne erzielen.
Ulli Kulke, Autor einer 2010 erschienenen Vasco da Gama-Biografie, sagte dazu in einem Radiobeitrag: „Die Portugiesen wollten eigentlich die Rolle übernehmen, die vorher die italienischen Stadtrepubliken hatten. Die hatten eigentlich den ganzen Gewürzhandel so lange in der Hand, wie er noch über den Landweg lief. Das war im 14. und dann besonders im 15. Jahrhundert immer schwerer, weil der Orient versperrt wurde. Das Mameluckenreich und die Osmanen haben sich dort ausgebreitet und haben eigentlich da die Seidenstraße der Meere, die dort losging, über den Indischen Ozean, versperrt.“
Nach dem Tod von Heinrich dem Seefahrer drangen die Portugiesen immer weiter nach Süden vor. 1488 segelte Bartolomeu Dias als Erster um die Südspitze Afrikas mit dem „Kap der Guten Hoffnung“ - eine bravouröse Leistung, die seine Auftraggeber in ihrer Überzeugung bestärkte, dass es den sagenumwobenen Seeweg, der den Portugiesen einen direkten Zugang zu den Schätzen des Orients verschaffen würde, tatsächlich gab.
Kulke: „Und dann war Vasco da Gama dann derjenige, der den letzten - man kann schon fast sagen, kleinen Schritt für ihn, aber den großen Sprung für die Menschheit, also für die Seefahrer, die nach Indien wollten, getan hat.“ Da Gama, der einer portugiesischen Adelsfamilie enstammte, war erst Ende zwanzig, als er das Kommando über die Indien-Fahrt übernahm. „Ein Chronist hat damals mal geschrieben, König Manuel habe ihn für die Reise ausgesucht, weil er in Seedingen erfahren gewesen sei. Warum, weiß man nicht.“
Kap der Guten Hoffnung glücklich umschifft
„Im Namen Gottes, Amen! Im Jahre 1497 sandte der König Manuel, der erste selbigen Namens in Portugal, vier Schiffe auf Entdeckungen aus, die nach Gewürzen fuhren“, schrieb einer der Seeleute in sein Tagebuch. Die Männer holten weit nach Westen in den Atlantik aus, um dann wieder auf das afrikanische Festland zuzsteuern. Am 4. November, nach fast vier Monaten auf offener See, gingen sie in der Sankt-Helena-Bucht, rund 160 Kilometer nördlich des heutigen Kapstadt, vor Anker, um noch einmal Kräfte zu sammeln.
„Dieweil wir unsere Schiffe getakelt, gereinigt und Holz eingenommen hatten, fuhren wir von selbigem Lande ab an einem Donnerstag Morgen - es war der 16. November - unklar darüber, wie weit wir vom Kap der guten Hoffnung noch entfernt waren. Am Samstag Abend hatten wir Sicht von besagtem Kap und selbigen Tag drehten wir auf hohe See bei. Sonntag Morgen kamen wir abermals auf die Höhe des Kaps und konnten es nicht bezwingen, dieweil der Wind Südsüdost war. Mittwoch Mittag endlich glückte es uns, vor dem Winde um besagtes Kap die Küste entlang herumzufahren.“
Es war der 22. November 1497, als Vasco da Gama und seine Männer das Kap der Guten Hoffnung glücklich umschifften. Von dort ging es bis nach Malindi im heutigen Kenia und dann quer über den Indischen Ozean bis nach Calicut an der Malabarküste, wo die kleine Flotte am 20. Mai 1498 landete. Zum ersten Mal waren europäische Schiffe auf dem Seeweg um Afrika herum bis nach Indien gelangt. Für die Portugiesen war es der Beginn eines goldenen Zeitalters, in dem sie den Seehandel mit Indien dominierten und sich als führende europäische Seemacht etablierten. Schon die erste, noch relativ kleine Schiffsladung mit Gewürzen, Seide und Edelsteinen, die Vasco da Gama mit nach Hause brachte, soll sechsmal so viel eingebracht haben, wie die ganze Expedition gekostet hatte.