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Vaterschaft
Vaterschaftstest kann nicht generell erzwungen werden

Wer ist mein leiblicher Vater? Kinder, die dieser Frage nachgehen, haben es nach einem neuen Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht leichter. Die Richter wiesen die Forderung einer Frau ab, die ihren mutmaßlichen leiblichen Vater mit einer Abstammungserklärung zu einem Gentest zwingen wollte.

19.04.2016
    Ein Aktenordner mit der Aufschrift "Verhandlungsmappe §1598a BGB Abstammungserklärung" steht im Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
    Das Bundesverfassungsgericht hält die aktuellen Regelungen zum Abstammungsrecht für ausreichend. (picture alliance / dpa / Uli Deck)
    Die mittlerweile über 60-jährige Frau aus dem nordrhein-westfälischen Coesfeld vermutet schon seit vielen Jahren, wer ihr leiblicher Vater ist - einen Beweis dafür hat sie allerdings nicht. In der Geburtsurkunde der Klägerin steht, der Vater sei unbekannt.
    Die Frau glaubt, dass es sich um einen früheren Bekannten ihrer Mutter handelt. Sie zog vor das Bundesverfassungsgericht, um den Mann mit der sogenannten rechtsfolgenlosen Abstammungserklärung zu einem Gentest zu zwingen. Seit 2008 können Vater, Mutter und Kind bei Zweifeln verlangen, die Abstammung voneinander klären zu lassen - ohne rechtliche Folgen für die Beteiligten.
    Gesetzliche Regelungen ausreichend
    Weil der betroffene Mann in diesem Fall aber nur der mutmaßliche Vater - nicht der juristische - ist, wies das Verfassungsgericht die Klage der Frau ab. Der Mann muss also keinen DNA-Test über sich ergehen lassen - die aktuellen gesetzlichen Regelungen seien ausreichend. Der Gesetzgeber habe dabei "weite Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielräume". Die Richter verweisen darauf, dass durch einen solchen Test gegen den Willen des Mannes dessen Grundrechte verletzt würden, wie etwa das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Die Verfassungsrichter verwiesen auch darauf, dass Urteile des Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte in dieselbe Richtung gingen.
    Normalerweise gibt es in Deutschland auch die Möglichkeit zu einer Vaterschaftsklage. Doch dieser Weg war in diesem Fall nicht mehr möglich. In den 50er Jahren war die Mutter der Klägerin schon einmal vor Gericht gezogen, um die Frage so klären zu lassen. Nach damaligen medizinischen Standards - unter anderem mit einem Blutgruppengutachten - kam das Gericht zu dem Schluss, dass der Mann nicht der Vater ist. Dieses Urteil gilt bis heute. Deswegen wollte die Frau über die Abstammungserklärung zum gewünschten Ergebnis kommen.
    Nach der jetzigen Entscheidung des Verfassungsgerichts sprach die Klägerin von einem "schweren Rückschlag". Ihr Anwalt prüft nun, ob er vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen will.
    Ein Urteil im Sinne der Klägerin hätte es deutlich mehr Menschen ermöglichen können, auf solche Gentests zur Abstammungsklärung bestehen zu können. Kritiker hatten massenhafte Vaterschaftstests befürchtet.
    Bundesjustizministerium arbeitet an Änderungen
    Der Fall hat auch eine Reaktion des Bundesjustizministerium ausgelöst. Staatssekretärin Stefanie Hubig verwies auf eine "Arbeitsgruppe Abstammung" in ihrem Haus, die sich bis Mitte 2017 mit den schwierigen Abwägungsfragen befassen soll. Dabei geht es etwa darum, wie als Folge der Möglichkeiten moderner Fortpflanzungsmedizin mit Fällen "multipler Elternschaft" umgegangen werden soll.
    (pr/tj)