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Vatikan
Mann: Papst packt grundlegenden theologischen Reformen nicht an

Auch wenn Franziskus sich als erster Papst für die Armen stark mache, packe er grundlegende Reformen nicht an, sagt der Kirchenkritiker Frido Mann. Franziskus wolle zwar die Frauen stärken, sei aber gegen Frauen im Priesteramt, erklärt der Schriftsteller.

Frido Mann im Gespräch mit Karin Fischer |
    Karin Fischer: Die Rasanz und Zielstrebigkeit, mit der Papst Franziskus über die Reform der Kirche nicht nur spricht, sondern sie auch verbal einfordert, ist erstaunlich und enorm. In seinem Apostolischen Schreiben, einer 180-Seiten-Schrift, hat er jetzt niedergelegt, was er – von den Kirchenvätern bis hin zum Kapitalismus – denkt. Alles ist darin enthalten, wovon er überzeugt ist: Hilfe für die Armen, das Rausgehen, das Sich kümmern, die Ablehnung des Institutionellen. Zitat: "Mir ist eine verbeulte Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und Bequemlichkeit krank ist." Und Papst Franziskus hat einen ganz eigenen Ton dafür gefunden, der bislang so noch nicht zu hören war und jedenfalls noch nie aus dem Vatikan.
    Frido Mann ist nicht nur Schriftsteller wie sein berühmter Großvater, sondern auch studierter katholischer Theologe und Kritiker der Kirche. Eines seiner vielen Bücher trägt den Titel "Das Versagen der Religion. Betrachtungen eines Gläubigen."
    Was ist das für ein Ton von Franziskus in Ihren Ohren, wie klingt er? Das habe ich Frido Mann vor der Sendung gefragt.
    Frido Mann: Er ist für mich eigentlich im Vergleich zu dem, was man bisher von ihm gehört hat, sehr neu. Ich muss ja sagen: Ich habe diesen Brief, diese langen Seiten ja nicht gelesen. Aber heute in der Presse kamen ja einige wichtige Auszüge davon, und mir ist irgendwo deutlich geworden: Er ist ja jemand, der hat zum ersten Mal in der Papst-Geschichte überhaupt das Thema Armut oder beziehungsweise die Tatsache, dass das Evangelium in erster Linie Hilfe für die Armut verkündet, aufgeworfen. Er hat wirklich jesuanische Aspekte eingebracht, wie kein Papst vor ihm. Das tut er, das verwirklicht er so in kleinen Ansätzen selber und er fordert das auch wirklich ein, und das ist ja sehr wichtig.
    Aber es sind ja zwei Aspekte. Es ist einmal der taktische Aspekt, für den er sich sehr stark macht. Es ist aber auch der theologische Aspekt. Das heißt, die Grundlagen der Kirche, die Grundlagen aber auch der ganzen Hierarchie, der Organisation der Kirche. Da hat er wohl auch gesagt, dass er die Zügel etwas locker lassen wollte - auf diesen Nenner kann man es wohl bringen – und dass er Reformen irgendwie machen möchte, dass die Papst-Autorität für ihn dann auch nicht ein Heiligtum ist, dass man da auch drüber reden kann und einiges verändern kann. Aber diese grundlegenden theologischen Reformen, die packt er offensichtlich bis jetzt nicht an.
    Fischer: Welche grundlegenden theologischen Reformen meinen Sie?
    Mann: Ich denke zum Beispiel an die Rolle der Frau, wie die Frau gesehen wird, auch als Mensch. Wie wir aus der Religion ja wissen, aus allen monotheistischen Religionen: Diese Religionen sind ja entstanden in einer Zeit und an einem Ort, nämlich in den arabischen Staaten, wo die Rolle der Frau immer eine mindere Rolle gewesen ist, und die Religionen sind davon sehr stark geprägt. Schon in der Schöpfungsgeschichte fängt das ja an mit Adam und Eva.
    Fischer: Aber möchte Franziskus nicht die Kirche auch den Frauen öffnen oder die jedenfalls nicht mehr so fernhalten wie bisher?
    Mann: Ja, und da ist genau der Punkt. Er sagt zwar, die Rolle der Frau soll aufgewertet werden. Aber dann, wenn es zum Beispiel darum geht – das ist ja auch dann wieder eine theologische Frage -, dass eventuell wie in der Evangelischen Kirche Frauen auch zur Ordination zugelassen werden sollen, dass sie auch Priesterberufe ausüben können, da hat er, was ich verstanden habe, eindeutig gesagt, das kommt überhaupt nicht in Frage.
    Und ich denke, Reformen, die da schon enden, sind eigentlich keine, gehören nicht zu diesen tief greifenden und dringenden Reformen, die die Kirche eigentlich benötigt. Bis jetzt sehe ich nicht etwas, dass er mal an irgendwelchen Dogmen zum Beispiel rüttelt, die ja zum Beispiel auch Hans Küng schon mal angegriffen hat, weswegen ihm ja die Lehrerlaubnis entzogen worden ist: Mariendogmen, Unfehlbarkeitsdogmen. Das sind ja auch noch relativ oberflächliche Dinge. Nichts daran wird geändert.
    Reform der Kurier ist schwierig
    Fischer: Andererseits, Frido Mann, meint Franziskus, kirchliche Lehren seien nicht ganz so in Stein gemeißelt, wie man das landläufig denkt. Das hatten Sie erwähnt. Und dann diese massive Kapitalismus- und Reichtumskritik mit dem Satz, der einfach und ganz wirkungsvoll lautet: "Diese Wirtschaft tötet". Ich denke, vor 500 Jahren wäre der Mann auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden.
    Mann: Ja, ja, das kann schon sein. Auch Papst Johannes XXIII wäre auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden, und der hat ja nur ein Konzil ins Leben gerufen und der hat wirklich Dinge gemacht. Man wünscht sich und hofft, dass er das auch tut. Kapitalismus-Kritik ist auch noch keine wirklich theologische Kritik, ist auch mehr eine praktische der Anwendung des Gebotes, den Armen zu helfen, statt die einem Wirtschaftssystem auszusetzen, auszuliefern, wo sie zugrunde gehen. Andere Dinge, die Aussage von "in Stein gemeißelt", das könnte darauf hinweisen, das könnte, die Chance würde ich ihm auch noch geben wollen. Aber so, wie ich ihn bis jetzt sehe, würde ich mich sehr wundern, wenn es so weit käme. Ich würde mich sehr freuen, wenn es so weit käme, aber ich bin da sehr skeptisch und ich bleibe auch skeptisch.
    Fischer: Frido Mann, auch wenn Sie persönlich dieses Programm noch nicht so wahnsinnig revolutionär finden: Muss man nicht trotzdem befürchten, dass die Institution Kirche, wie wir sie heute kennen und die ja auch unter verkrusteten Strukturen wirklich leidet, davon schon deutlich überfordert ist?
    Mann: Ich glaube, der Papst kann ja auch gar nicht allein alles entscheiden. Papst Johannes XXIII. wäre ja auch schon fast zerbrochen an seiner Institution, an den Kardinälen. Er hat ja längst nicht das erreichen können, was er wollte. Und bei diesem Papst, der auch eingebunden ist in eine Kurie, in einen riesigen Apparat, den er ja auch reformieren möchte –da hat man jetzt auch in letzter Zeit nichts mehr gehört, aber da will er ja auch was verändern -, ich fürchte, dass diese Abhängigkeit von ihm ihm auch sehr schwer zu schaffen machen wird, wenn er nun wirklich mal etwas ändern will, und ich fürchte auch: wo soll man anfangen bei dieser riesigen Flut von veralteten, verkrusteten Dogmen, die nun mal da sind und die verändert werden sollten. Da bin ich auch schon skeptisch, nicht nur, was seine Person betrifft. Ich will ihm auch gar nicht unterstellen, dass er in erster Linie ein Taktiker ist. Er hat ein Anliegen. Aber was er da zustande bringen will und kann, ist eine ganz andere Frage, und das ist die Frage, ob es nicht schon fünf Minuten nach zwölf sind. Das wissen wir einfach nicht.
    Fischer: Das war Frido Mann, Schriftsteller und Kirchenkritiker, zum Apostolischen Schreiben von Papst Franziskus.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.