"Please welcome the athletes of the 31st Olympiad. Federated States of Micronesia, Djibouti, Aruba."
Das Olympische Motto "Dabei sein ist alles", bei der Eröffnungsfeier wird es durch die kleinen Länder zum Leben erweckt.
Und vielleicht gesellt sich beim Einmarsch der Athleten bald auch der Vatikan zwischen Vanuatu und Venezuela.
"Was die Olympischen Spiele angeht, ist es ein Traum von uns, einmal die vatikanische Fahne bei der Eröffnungsfeier ins Stadion zu tragen", sagt Monsignore Melchor Sanchez de Toca auf einer Pressekonferenz vor zwei Monaten. Er ist Präsident des ersten Sportvereins im Vatikan, dem neu gegründeten Leichtathletikverein "Athletica Vaticana".
Noch fehlen ausreichend nationale Verbände
Der Verein besteht aus rund 60 Vatikanmitarbeitern, allesamt passionierte Läufer. Sie wollen den Vatikan bei Marathons in ganz Italien vertreten. Die Gespräche über eine Aufnahme in den internationalen Leichtathletik-Verband laufen bereits. Und das soll nur der erste Schritt sein.
"Ich habe damals gesagt, es ist ein Traum. Ein Traum, den ich damals für wenig realistisch angesehen habe. Allerdings muss ich meine Meinung ändern, denn in den zwei Monaten gab es eine unglaubliche Entwicklung. Wir befinden uns momentan im Prozess mit dem IOC und dem Europäischen Olympischen Komitee. Der Traum scheint nun näher zu sein, es ist allerdings immer noch ein entferntes Ziel, das nur realistischer geworden ist."
Was den Vatikan noch zurückhält, ist die Olympische Charta. Sie fungiert als Regelwerk des Internationalen Olympischen Komitees. In ihr ist festgeschrieben, wer zu den Spielen darf und wer nicht. Die Regeln 27 und 28 beschäftigen sich alleine mit den Nationalen Olympischen Komitees. Das Bestehen eines solchen NOKs ist Voraussetzung, um vom IOC aufgenommen zu werden, sagt Pressesprecher Christian Klaue.
"Um ein Nationalen Olympischen Komitee zu gründen, müssen fünf nationale Verbände existieren, die aktive Mitglieder ihrer internationalen Verbände sind. Dies ist alles im Vatikan derzeit nicht der Fall. Und demzufolge ist aktuell auch keine Olympiateilnahme möglich, weil es aktuell eben deshalb auch kein NOK gibt."
Der religiöse Einfluss kann hinderlich sein
Bei einer Größe von wenigen Hundert Staatsbürgern könnte das durchaus schwierig werden. Deshalb spricht Melchor Sanchez de Toca von Ausnahmen, die das IOC im Falle eines Starts einer vatikanischen Mannschaft machen müsste. Und nicht nur beim NOK müsste das IOC ein Auge zudrücken, meint der Verbandspräsident.
"Das Problem ist, dass es zwei Institutionen gibt. Der Heilige Stuhl ist Gegenstand des Völkerrechts. Der Vatikanstaat wurde nur gegründet, um dem Heiligen Stuhl volle Unabhängigkeit zu gewähren und ihn zu unterstützen. Dementsprechend ist der Vatikan auch kein UN-Mitglied, sondern nur der Heilige Stuhl."
Ein Staat muss nach Olympischer Charta aber von einer internationalen Gemeinschaft anerkannt sein, um starten zu dürfen. Wann das der Fall ist, findet sich in der Charta allerdings nicht. Dazu kommt: Ein Nationales Komitee muss völlig autonom von jeglichen politischen oder religiösen Einflüssen agieren.
"Und daran könnte man dann ja nicht nur bei der geringen Größe, sondern auch bei den Verzahnungen Zweifel haben", meint Sportrechtsprofessor Martin Nolte. Um die vatikanische Staatsbürgerschaft zu erlangen bedarf es nämlich einer objektiven Verbindung zur Katholischen Kirche, ein Großteil der Staatsbürger arbeitet für den Heiligen Stuhl.
Athleten als Angestellte des Vatikans?
Und auch Athleten benötigen eine Staatsbürgerschaft. Der religiöse Hintergrund darf aber beim Nominierungsverfahren nach IOC-Charta keine Rolle spielen. Die Lösung: Eine temporäre Staatsbürgerschaft, sagt Melchor Sanchez de Toca. "Es kann eine Staatsbürgerschaft für einen limitierten Zeitraum gewährt werden. Das dann aber nur für Menschen, die für den Vatikan/Heiligen Stuhl arbeiten."
Athleten als Angestellte des Vatikans? Das wäre wohl die einzige Lösungsmöglichkeit. Und wie sieht es mit dem Verbot von Demonstrationen oder religiöser Propaganda an Olympischen Sportstätten aus? Kein Problem, meint Sportrechtsexperte Martin Nolte, "wenn die Sportler nicht demonstrieren oder keine religiöse Propaganda betreiben, sondern beispielsweise dann auch nur ein Kreuz tragen würden als Bekenntnis zu einer gewissen Glaubensangehörigkeit."
"Wir wollen nicht zu Olympia, um Leute zu bekehren"
Vereinspräsident Sanchez de Toca stellt jetzt schon einmal klar: "Wir wollen da nicht hin, um Leute zu bekehren, sondern nur, um den Sport auszuüben. Und wir wollen die Botschaft des Friedens und der Einheit einmal bestärken, die Olympischen Werte. Das ist, was wir erreichen wollen."
Die sportliche Leistung ist zweitrangig, dennoch wäre eine Teilnahme des Vatikans gerade in den krisengebeutelten Zeiten von IOC und Kirchenstaat Balsam auf die geschundene Seele. Das sieht auch Martin Nolte so.
"Ich glaube dass die Zugehörigkeit des Vatikans zum IOC einen erheblichen symbolischen Wert hätte. Die Herausforderungen, die es aktuell in der Kirche gibt sind ja bisweilen auch zu vergleichen mit denen im organisierten Sport. Denken Sie nur an die aktuelle Diskussion über sexuelle Übergriffe innerhalb dieser Systeme, so dass ich mir aber unabhängig davon, wer mehr gewinnt, eine Win-Win-Situation vorstellen kann."
Und deshalb hält es der Sportrechtsexperte auch für wahrscheinlich, "dass schon auch bei den nächsten oder übernächsten Olympischen Spielen eine vatikanische Mannschaft sehen werden".
Der Traum von Vereinspräsident Sanchez de Toca, er würde dann schneller Realität werden, als gedacht.