Mittagszeit im Stadtzentrum von Caracas. Das staatlich subventionierte Mittagessen wird aus einem rot-weißen LKW verkauft: Mit Fleisch gefüllte Maisfladen. Die kapitalistische Alternative gibt es gleich nebenan: Ein Big Mac und ein Softdrink kosten 73 Bolívares. Umrechnen lässt sich das nur schwer. Der Hamburger kostet irgendetwas zwischen 80 Cent und 8,40 Euro. Denn in Venezuela gibt es vier verschiedene Wechselkurse. Vom niedrigen offiziellen Kurs bis zum Schwarzmarktkurs, nach dem der Bolívar viel weniger wert ist.
Der damalige Präsident Hugo Chávez hat im Jahr 2003 eine strikte Währungskontrolle eingeführt. Er wollte der Währungsspekulation entgegenwirken und die Preise stabil halten. Das Gegenteil ist eingetreten. Die Inflation erreichte im vergangenen Jahr einen Rekordwert von 56 Prozent. Und die Folgen der Währungskontrolle kann man fast überall beobachten. Etwa im Einkaufszentrum "Millenium Mall" im Osten von Caracas.
Dollars sind Mangelware
Im "iStore", in dem eigentlich Apple-Produkte verkauft werden, herrscht gähnende Leere. Seit mehr als zwei Monaten gibt es keine Computer und Tablets mehr, sagt der Verkäufer. Das liege an den fehlenden Dollars. Denn wer in Venezuela Produkte importieren will, muss beim Staat Devisen beantragen, mit denen er ausländische Lieferanten bezahlen kann.
"Ein Unternehmer kann zwar Dollar beantragen, aber meistens werden sie ihm nicht gewährt. Oder sie werden ihm zwar gewährt, aber er bekommt sie dann nicht ausgezahlt. Eine Wirtschaft, in der es vier verschiedene Wechselkurse gibt, aber keine Devisen, ist eine Wirtschaft, in der alles nur beschönigt wird."
Víctor Maldonado ist Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer in Caracas. Er schimpft auf die Regierung, die mit ihrem "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" die Wirtschaft an die Wand fahre.
Leere Supermarktregale sind Folge der Misswirtschaft
Präsident Maduro hat vergangene Woche nun eine "neue Wirtschaftsoffensive" angekündigt. Weg von der zu starken Abhängigkeit vom Erdöl, hin zu mehr nationaler Produktion. Gerade die Privatwirtschaft soll animiert werden, im Land zu investieren. Ob das klappt, ist fraglich. Nötig ist es in jedem Fall, denn der Mangel ist offensichtlich. Lebensmittel und andere Basisgüter werden zwar staatlich subventioniert unters Volk gebracht, Höchstpreise sind festgelegt. Die Supermarktregale, in denen Zucker, Öl und Toilettenpapier stehen sollten, sind aber meistens leer.
Blühender Schwarzmarkt
An der Währungskontrolle indes gibt es nur leichte Korrekturen. Die Regierung hat eingesehen, dass sie etwas gegen den Schwarzmarkt unternehmen muss. Vor wenigen Wochen führte sie deshalb einen dritten offiziellen Wechselkurs ein, der den Bolívar deutlich abwertet und sich nach Angebot und Nachfrage richten soll. Aber das Verfahren ist bürokratisch und viele haben kein Vertrauen, dass sie das getauschte Geld dann auch wirklich bekommen.
Die kolumbianische Grenzstadt Cúcuta bleibt der Ort, an dem der Bolívar frei gehandelt wird. Ein Dollar ist hier mehr als zehnmal so viel wert wie nach dem offiziellen Kurs. Das ist zugleich die Referenz für den Schwarzmarkt in Venezuela.
Louisa, eine junge Britin, die in Caracas an einer internationalen Schule arbeitet, handelt eifrig mit. Alle wollen Dollars, sagt sie, denn bei der hohen Inflation sei das die einzige Möglichkeit, Geld anzusparen.
"Du schaust erst mal online den offiziellen Schwarzmarktkurs nach. Und dann kannst du Geld auf ein ausländisches Konto überweisen. Viele Leute hier haben eins in Spanien oder den USA. Sie überweisen dir dann Bolívares auf dein Konto."
Manchmal wickeln sie das Geschäft auch in bar ab, sagt Louisa. Sie kann auf diese Weise mit ihrem eher bescheidenen Gehalt ein ziemlich luxuriöses Leben führen.
Währungschaos fördert Korruption
Auch viele Venezolaner wollen von dem Währungschaos profitieren. Die unterschiedlichen Wechselkurse laden geradezu ein zur Korruption, sagt der Wirtschaftsprofessor Roland Balza von der Katholischen Universität Andrés Bello in Caracas.
"Wer als Unternehmer Dollars zum günstigsten Kurs von 6,30 Bolívares pro Dollar bekommt, gibt diese nicht unbedingt dafür aus, um Medizin oder Lebensmittel zu importieren. Wenn er sie auf dem Schwarzmarkt verkauft, kann er eine Menge Geld machen."
Allein im Jahr 2012 sind nach Schätzung der venezolanischen Zentralbank auf diese Weise 20 Milliarden US-Dollar versickert.