Sie demonstrieren gegen die hohe Inflation, Korruption, Versorgungsengpässe und die grassierende Kriminalität im Land. Seit zwei Wochen gehen Tausende, überwiegend studentische Gegner der Regierung des sozialistischen Präsidenten Nicolás Maduro auf die Straße. Immer wieder artet ihr Unmut in Zusammenstößen mit der Polizei aus. Nach Angaben von Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Díaz wurden 17 Menschen bei den Protesten getötet, mindestens 261 weitere verletzt.
Der venezolanische Kardinal Jorge Urosa hat die Regierung des Landes aufgefordert, die Verantwortlichen für die tödlichen Schüsse während der jüngsten Demonstrationen zu finden und zu bestrafen. Menschenrechtsorganisationen und die Opposition machen Sicherheitskräfte sowie regierungsnahe Paramilitärs für die Toten verantwortlich.
Maduro, der im vergangenen Jahr zum Nachfolger des verstorbenen Staatschefs Hugo Chávez gewählt wurde, sieht in den derzeitigen Protesten einen von den USA unterstützten Versuch, seine Regierung zu stürzen. Leopoldo López, einer der wichtigsten Anführer der Opposition, sitzt bereits in Haft. Ihm werden die Bildung einer kriminellen Vereinigung und Anstiftung zur Gewalt vorgeworfen. Auch sein Parteifreund Carlos Vecchio von der rechtskonservativen Voluntad Popular (Volkswille) wurde nun verhaftet.
US-Außenminister John Kerry ist nach eigenen Aussagen im Gespräch mit Kolumbien und anderen südamerikanischen Staaten, um den Einsatz eines Vermittlers in der Krise zu erörtern. Venezuelas Außenminister Elías Jaua wirbt dagegen bei einer Südamerika-Tour um Unterstützung für seine Regierung.
Opposition wenig schlagkräftig
Doch die lautstarken Proteste der Regierungsgegner und Opposition finden nicht ausreichend Gehör in der breiten Masse der Venezolaner; das Land ist von landesweiten Unruhen wie in der Ukraine weit entfernt. Das liegt auch daran, dass viele Einwohner die beiden wichtigsten Anführer der Opposition - López und Ex-Präsidentschaftskandidat Henrique Capriles - als elitär und mit den Nöten der Arbeiter wenig vertraut ansehen. Sie haben kaum Einfluss jenseits der gut ausgebildeten Mittelschicht, in der die Regierung jedoch großen Rückhalt genießt. So gewann Maduros Partei ohne Mühe die Kommunalwahlen im vergangenen Dezember.
Capriles spricht nun davon, dass die Demonstrationen zumindest fürs Erste Maduro gestärkt haben könnten. Denn jetzt hat der Präsident einen Sündenbock, den er für die Wirtschaftskrise verantwortlich machen kann. So sagte Maduro diese Woche: "Jetzt wollen sie mich für die Engpässe verantwortlich machen, aber sie lassen ja die Lastwagen mit Reis, Getreide, Milch und Mehl nicht durch."
Tausende Regierungsanhänger versammelten sich unterdessen vor dem Präsidentenpalast, um des Volksaufstands vor 25 Jahren gegen die neoliberale Politik des sozialdemokratischen Präsidenten Carlos Andrés Pérez zu gedenken. Während der Niederschlagung des sogenannten Caracazo am 27. Februar 1989 töteten Polizei, Armee und Nationalgarde nach amtlichen Angaben Hunderte Menschen.