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Venezuela
"Eine militärische Intervention ist keine Option"

"Das Maduro-Regime wird sich nicht leicht geschlagen geben", sagte der CDU-Politiker David McAllister im Dlf. Sanktionen seien eine Möglichkeit, den Druck weiter zu erhöhen. Eine militärische Intervention schloss er jedoch aus.

David McAllister im Gespräch mit Mario Dobovisek |
    David McAllister kommt zur CDU Vorstandssitzung am 19.09.2016 in Berlin.
    Es gehe in Venezuela vor allen Dingen darum, die Migrationskrise zu lösen, die Hyperinflation zu beenden und die Unterversorgung der Menschen zu stoppen, sagte David McAllister im Dlf. (picture-alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Mario Dobovisek: In Venezuela versucht also Parlamentspräsident Guaidó den amtierenden Präsidenten Maduro vom Thron zu stoßen, unterstützt von den USA, inzwischen aber auch von einer ganzen Reihe europäischer Staaten, darunter auch Deutschland. Am Telefon begrüße ich den CDU-Politiker David McAllister. Er ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament. Guten Morgen, Herr McAllister!
    David McAllister: Einen schönen guten Morgen aus Brüssel!
    Dobovisek: Mit Blick auf Venezuela spricht Europa nicht mit einer Stimme. So verweigerten gestern zum Beispiel die Italiener ihre Unterschrift unter einer gemeinsamen Erklärung. Welches Signal geht davon aus?
    McAllister: Die große Mehrheit der Europäischen-Unionsmitgliedsstaaten steht einheitlich zur Lage in Venezuela. Die EU hatte die Regierung in Caracas aufgefordert, innerhalb von acht Tagen Neuwahlen auszurufen. Nachdem die Frist abgelaufen ist, sind jetzt viele Staaten entschlossen und geschlossen nach vorne gegangen, darunter neben Deutschland auch so große Länder wie Frankreich, Spanien, Großbritannien, aber auch kleinere Länder wie die baltischen Staaten oder Österreich. Wer nicht mitmacht ist Italien. Dass die populistische Regierung in Rom da nicht mitmacht, die gemeinsame EU-Position blockiert, ist leider auch bezeichnend, aber zugleich auch bedauerlich, denn solche Botschaften untergraben letztlich unsere einheitliche Glaubwürdigkeit und unseren Einfluss.
    Dobovisek: Wie sehr ärgert Sie das Verhalten der italienischen Regierung in Rom?
    McAllister: Außenpolitik ist national verantwortet, das heißt, die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union müssen selber ihre Entscheidungen treffen, und die EU-Vertreterin Federica Mogherini kann auch nur auf der Basis von einstimmigen Beschlüssen operieren. Das Beispiel Venezuela zeigt einmal mehr, dass diejenigen, die in der Außenpolitik der EU Mehrheitsentscheidungen fordern, auf dem richtigen Weg sind. Bislang können außenpolitische Entscheidungen nur einstimmig getroffen werden, aber um schnell auf Krisen außerhalb der EU reagieren zu können – und so ein Beispiel ist ja Venezuela – und unsere Grundwerte von Demokratie und Menschenrechten besser zu verteidigen, brauchen wir nach meiner Auffassung schnellere Entscheidungsfindungen, und dazu zählt auch eine Mehrheitsentscheidung. Übrigens im Europäischen Parlament haben wir mit klarer Mehrheit am Donnerstag uns ja positioniert zu Venezuela und auch Herrn Guaidó als Übergangspräsidenten anerkannt.
    Dobovisek: Aber solche Mehrheitsentscheidungen sind es ja gerade, die viele Länder inzwischen kritisch sehen, ablehnen, weil sie ungern in ihrer nationalen Politik überstimmt werden.
    McAllister: Ich habe Donnerstag, Freitag im Außenministerrat in Bukarest teilgenommen als Gast und konnte beobachten, wie die Außenminister sehr ruhig, sehr sachkundig über die Lage in der Venezuela gesprochen haben, eine gemeinsame Positionierung der EU vorbereitet haben, und dann ist es so, wenn ein oder zwei Regierungen ausscheren, dann kann die Europäische Union als solches nicht reagieren. Auf der anderen Seite, die Mitgliedsstaaten spielen ja jetzt eine aktive Rolle. Ich begrüße auf jeden Fall sehr, dass sich die Bundesregierung gestern richtig positioniert hat.
    "In Rom regieren auch Linkspopulisten"
    Dobovisek: Was erwarten Sie von Italien?
    McAllister: Die Meinungsbildung in der italienischen Regierung ist offensichtlich schwierig. Die internationale Öffentlichkeit, auch wir in Deutschland sehen jetzt, dass in Rom nicht nur Rechtspopulisten regieren, sondern auch Linkspopulisten von der Cinque Stelle, und die haben offensichtlich noch einige ideologische Querverbindungen zu den regierenden in Caracas. Ob Italien sich noch der einheitlichen Positionierung anschließt, bleibt abzuwarten. In der Zwischenzeit sollten aber die anderen Europäischen Staaten weitergehen, und zum Beispiel ist ja auch wichtig, dass jetzt die Kontaktgruppe gebildet wird, damit wir auch politische Prozesse in Venezuela positiv begleiten können.
    Dobovisek: Kommen wir damit auch zur eigentlichen Entscheidung, zur Anerkennung Guaidós als Übergangspräsidenten Venezuelas durch viele EU-Staaten, eben auch Deutschland. Ist das klug, sich direkt in die venezolanische Politik einzumischen?
    McAllister: Ja, es ist richtig, dass Herr Guaidó als Interimspräsident jetzt anerkannt worden ist, denn natürlich ist das immer ein nicht ganz einfaches Thema, sich in Politik eines Drittlandes einzumischen.
    "Beispiellose wirtschaftliche und demokratische Negativsituation"
    Dobovisek: Und das ist ja immer das, was zum Beispiel Europa an den USA und der Lateinamerikapolitik kritisiert hat, das konkrete Einmischen in Staaten.
    McAllister: Ja, aber hier ist die Situation anders. Die Menschen in Venezuela sind diese endlose politische, wirtschaftliche und soziale Krise leid. Das Land geht ja durch eine beispiellose wirtschaftliche und demokratische Negativsituation, und im Übrigen hilft ja auch die venezolanische Verfassung, denn der Artikel 233 sagt ja, wenn es keinen Staatspräsidenten gibt, dann kann der Parlamentspräsident die Funktion des Übergangspräsidenten übernehmen. Es gibt ja momentan keinen Staatspräsidenten im Amt, denn die Wahl von letztem Jahr von Herrn Maduro, die hat ja demokratischen Mindeststandards nicht entsprochen. Sie ist nicht ordnungsgemäß gelaufen. Sie ist ja international zu Recht als Farce bezeichnet worden und auch nicht anerkannt worden. Insofern ist Herr Guaidó jetzt der Übergangspräsident, und sein Auftrag besteht darin, Neuwahlen zu organisieren und zwar freie, transparente und glaubwürdige.
    "Es geht nicht nur um Herrn Guaidó"
    Dobovisek: Das sieht Maduro, was Sie gerade beschreiben, sicherlich ganz anders. Guaidó wurde nicht als Präsident gewählt, Sie haben es gesagt, er steht dem Parlament vor. Was macht Sie so sicher, dass Sie nicht mit ihm auch auf dem demokratischen Holzweg gehen?
    McAllister: Ich habe gestern Abend mit einem Menschen telefoniert, der in Caracas lebt und der mir die Stimmung im Lande aus erster Hand geschildert hat, der mir geschildert hat, wie am Wochenende die großen Proteste der Opposition stattgefunden haben, übrigens wie friedlich diese Proteste auch waren, dass dort Familien mit Kindern präsent waren, die Oma war mit dabei und wie die Menschen Hoffnung jetzt schöpfen, dass immer mehr Länder international Herrn Guaidó als Übergangspräsidenten anerkennen, um damit auch deutlich zu machen, dass wir an der Seite derjenigen stehen, die für Recht und Freiheit stehen. Es geht ja hier nicht nur um Herrn Guaidó, wie es gerade im Korrespondentenbericht angeklungen ist, sondern es geht darum, dass die internationale Staatengemeinschaft, die westliche Welt an der Seite derjenigen steht, die für Recht und Freiheit auf der Straße stehen, die unsere gemeinsamen europäischen, globalen Werte verteidigen und dass wir jetzt in diesem kritischen Moment in der Geschichte dieses Landes die Menschen [nicht] unterstützen und nicht tatenlos zusehen, wie Herr Maduro versucht, Demonstrationen zu unterdrücken und die politische Opposition zu verfolgen.
    "Das Maduro-Regime wird sich nicht leicht geschlagen geben"
    Dobovisek: Die bisherige Drohkulisse der EU hatte ja offensichtlich wenig gefruchtet, die lautete nämlich sinngemäß, wenn Maduro keine Neuwahlen ansetzt, dann erkennen wir seinen Gegner als Übergangspräsidenten an. Was sollte folgen, wenn sich Maduro weiter weigert und Gaudió möglicherweise sogar festsetzt? Weitere Sanktionen?
    McAllister: Ich glaube, dass der Druck nicht nur der Europäer, sondern auch vieler südamerikanischer Länder, Kanada, Australien, USA, Israel, um nur einige zu nennen, dass dieser internationale Druck Wirkung zeigt. Im venezolanischen Militär sind erste Risse erkennbar. Auch wenn die meisten Generäle nach wie vor hinter Maduro stehen, zeigt sich doch deutlich, dass auch die einfachen Soldaten genauso unter dieser wirtschaftlichen Krise leiden, dass sie genauso unter der Hyperinflation leiden und unter der fehlenden ärztlichen Versorgung. Es ist wichtig, dass die Opposition Menschen aus allen Schichten und aus allen politischen Lagern mobilisieren kann. Die Proteste fanden ja am Wochenende nicht nur in Caracas statt, sondern auch in anderen Städten, überall im Land. Das zeigt, da ist ein Druck jetzt aufgebaut worden, gleichwohl, das Maduro-Regime wird sich sicherlich nicht leicht geschlagen geben.
    Dobovisek: Also noch einmal die Frage, Herr McAllister: Sollte es Sanktionen geben?
    McAllister: Natürlich sind Sanktionen auch ein Beitrag, um das Regime weiter unter Druck zu setzen. Es geht darum, dass wir den Menschen helfen, dass Hilfsleistungen organisiert werden, dass wir die Nachbarländer Südamerikas unterstützen. Es geht vor allen Dingen darum, die Migrationskrise zu lösen, die Hyperinflation zu beenden und die Unterversorgung der Menschen zu stoppen, aber Sanktionen sind natürlich auch ein Beitrag, um den Druck weiter zu erhöhen, insbesondere der Zugriff auf die internationalen Vermögenswerte der Regierenden.
    "Wichtig ist, dass Maduro international isoliert wird"
    Dobovisek: Da ist die Klaviatur der Möglichkeiten ja tatsächlich enorm. Sie haben einen Bereich jetzt angesprochen. Welche Bereiche für Sanktionen sehen Sie noch?
    McAllister: Also wichtig ist, dass Maduro international isoliert wird und dass das nicht nur eine Veranstaltung ist, USA, Trump gegen Maduro, denn das versucht ja Maduro deutlich zu machen. Hier steht eine breite internationale Staatengemeinschaft. Unseren Schwerpunkt setzen wir jetzt darauf, die humanitäre Situation im Land zu verbessern. Wir haben eine dramatische Versorgungslage, und deshalb ist es wichtig, dass jetzt humanitäre Hilfe geleistet wird, dass eine Geberkonferenz stattfinden könnte, ist auch ein positives Zeichen, und auch dass die Bundesregierung gestern erste Mittel in Höhe von fünf Millionen Euro bereitgestellt hat, das sind jetzt die richtigen Wege, um den Menschen vor Ort zu helfen. Gleichzeitig müssen wir den politischen Druck beispielsweise auch durch finanzielle Sanktionen weiter erhöhen. Eines ist nur klar, eine militärische Intervention ist keine Option. Diese Krise kann nur friedlich gelöst werden, und deshalb geht auch der Appell an das Militär, in Venezuela keine Gewalt einzusetzen, sich nicht gegen das Parlament und gegen das eigene Volk zu stellen.
    Dobovisek: David McAllister für die CDU im EU-Parlament und dort Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
    McAllister: Ich danke Ihnen auch! Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.