Eine Million Liter Superbenzin zum Preis von umgerechnet 20 Cent? Nein, Sie haben sich nicht verhört! Venezuelas Wirtschaft schwebt am Abgrund, ist in fünf Jahren um die Hälfte geschrumpft. Die Erdölproduktion ist von einst 3,5 Millionen Fass pro Tag auf rund eine Million gefallen. Die Inflation lag 2018 bei sagenhaften 1,5 Millionen Prozent. Vor den staatlichen Supermärkten bilden sich lange Schlangen. Die Menschen hoffen ein paar Kilo Maismehl oder Reis zu ergattern, wofür sie auch in den subventionierten Läden glatt ein Sechstel ihres Monatslohnes hinblättern. Benzin indes wird verschenkt.
"Der Preis ist der gleiche wie früher", berichtet Tankwart Carlos Fajardo, von Beruf ursprünglich Journalist.
"Eine Tankfüllung kostet 100 Bolivar, aber es gab eine Währungsumstellung, die neue Währung hat wieder an Wert verloren und jetzt gibt es kein Zahlungsmittel, das klein genug ist, eine Tankfüllung zu begleichen."
100 alte Bolivar - das sind 0,001 neue Bolivar und von denen braucht man mehr als 3.000, um einen Dollar zu kaufen!
"Das Benzin ist gratis", stellt Tankwart Carlos Fajardo denn auch lapidar fest.
"Kein Geldschein ist klein genug, die Tankfüllung zu zahlen", sagt Taxifahrer Freddy. "Deshalb gibst Du dem Tankwart den kleinsten Schein oder was Du willst, einfach um zu bezahlen. Mir ist es auch passiert, dass ich keinen kleinen Schein hatte und sie mir das Benzin gratis gegeben haben." Oder im Tausch gegen eine Packung Kekse.
Benzinschmuggel ein äußerst lukratives Geschäft
An den Tankstellen in Caracas herrscht nach Aussage von Tankwart Carlos kein Benzinmangel. Anders in der Grenzregion zu Kolumbien. Dort dürfen auch nicht mehr als 30 Liter getankt werden. Denn bei dem Preisgefälle ist Benzinschmuggel nach Kolumbien ein äußerst lukratives Geschäft. Weshalb wird nicht wenigstens der Selbstkostenpreis verlangt?
"Weil die Regierung ängstlich und schwach ist. So kostet die Benzinsubventionierung mindestens 20 Milliarden Dollar pro Jahr", glaubt der Soziologe Trino Márquez von der Universidad Central in Caracas.
Lieber Benzin statt Medikamente
Der Aberwitz ist nämlich, dass das erdölreichste Land der Welt Benzin zu großen Teilen importieren muss, da es nicht über ausreichende Raffineriekapazität verfügt. Infolge der Sanktionen könnte demnächst Benzin knapp, aber nicht teurer werden. Das, was im Boden ist, nämlich Öl, gehört dem Volk - so lautet das venezolanische Credo.
Regierungen, die es wagten den Benzinpreis zu erhöhen, sind in der Vergangenheit gestürzt. Das will Nicolas Maduro auf alle Fälle vermeiden, weshalb er das Benzin weiter verschenkt statt die 20 Milliarden Dollar pro Jahr für Nahrungsmittel und Medikamente auszugeben, die das Volk dringend benötigt.