"Die Gewalt in Venezuela hat meine Brüder getötet. Und es gibt keine Gerechtigkeit, nichts als Schweigen, nur Gewalt."
Ein Zeugnis der dramatischen Situation und der Straflosigkeit der Verbrecher, eines von vielen in dem Video "Sos Venezuela". Fotos von Gewaltexzessen und von weltweiten Protestaktionen ergänzen sie. Dazu spielt Gabriela Montero eine eigene Komposition. Die 44-jährige Ausnahmekünstlerin ist die berühmteste Pianistin des Landes.
Sie gehört zu zahlreichen Musikern, Schauspielern, Malern, Fotografen, Dichtern und Filmemachern, die jede Möglichkeit wahrnehmen, um ihre Stimme gegen die unerträglichen Zustände zu erheben und die Protestbewegung zu unterstützen. In der Pause eines Konzerts in der Queen-Elizabeth-Hall in London sagte Gabriela Montero:
"Ich wünsche mir ein Venezuela, in dem es für alle gerecht zugeht. Ein Venezuela ohne Hass und Spaltung, wo alle an den Reichtümern des Landes partizipieren können, wo es keinen Mangel und keinen Hunger gibt. Ein Venezuela, in dem wir ohne Angst, ermordet oder entführt zu werden, auf die Straße gehen können. Ich wünsche mir eine wirkliche Demokratie in Venezuela, ein Land, in das wir alle, die wir außerhalb leben, ohne Furcht zurückkehren können."
Dirigent Dudamel hält sich mit Kritik zurück
Gabriela Montero nimmt bei vielen ihrer Auftritte auf den internationalen Konzertpodien gegen die Gewalt Stellung. Genauso wie die venezolanischen Dirigenten Jan Wagner und Carlos Izcaray, die vor allem in Europa arbeiten und bereits Solidaritätskonzerte organisierten. Eine solche Haltung haben viele von dem Weltstar Gustavo Dudamel erwartet. Doch der Kandidat für die Nachfolge Simon Rattles bei den Berliner Philharmonikern mochte das Thema in einem Interview der New York Times lediglich im Weltmaßstab betrachten.
"Ich verurteile die Gewalt, wo immer sie herkommt ...Wir werden unsere Probleme nicht mit Gewalt lösen. Mal ehrlich, darüber müssen wir nachdenken und zwar nicht nur als Gemeinschaft oder als Land, sondern in der ganzen Welt, denn wir haben nur diese eine."
Er scheint sich die politische Zurückhaltung auferlegt zu haben, mit der El Sistema, das venezolanische Jugendorchester, berühmt und auch er groß geworden sind, denn es könnte ohne Zuwendungen des Staates nicht bestehen. Die meisten Künstler, die heute in Venezuela protestieren, sehen jedoch gerade in der Regierung Maduro den Hauptverursacher der Gewalt - wie dieser junge anonyme Filmemacher in dem Video "Meine persönliche Meinung".
"Am 12. Februar, dem Tag der Jugend in Venezuela, riefen Studenten und Opposition dazu auf, öffentlich viele der vom Gesetz garantierten Rechte und Ideale zu reklamieren. Doch der friedliche Protest eskalierte durch eine Gruppe von Gewalttätern in einer Konfrontation zwischen Polizei und Studenten. Danach entlud sich der lange angestaute soziale Unmut in Massendemonstrationen überall im Land. Die diktatorische Regierung kannte nur eine Methode, sie zum Schweigen zu bringen: Schlagstöcke, Tränengas, Schüsse aus Pistolen und Gewehren. Bald gab es das erste Opfer: einen Studenten, durch Kopfschuss getötet von der bolivarianischen Polizei."
Hunderte von Zeugnissen über Gewalttaten im Netz
Videos von anonymen Autoren wie dieses zirkulieren zu Hunderten im Internet. Auf der Plattform El Efecto Eco werden persönliche Zeugnisse über Gewalttaten gesammelt. Sie basieren meist auf kurzen Twitter-Nachrichten. Damit soll ein Echo erzeugt und all jenen ein Medium geboten werden, die keinen eigenen Zugang besitzen wie die Ehefrau des 42-jährigen Guillermo Sánchez, der in Valencia ermordet wurde. Ihren Text liest der Schriftsteller Boris Izaguirre.
"Mein Mann malte gerade, als etwa 50 Motorradfahrer ankamen, auf das Haus Steine warfen und Schüsse abfeuerten. Mein Mann versuchte zu fliehen, aber sie erwischten ihn, schlugen zuerst auf ihn ein und schossen ihn dann zusammen. Eine Kugel zerstörte mehrere innere Organe. Das ist unser Echo auf die Vorgänge in Venezuela."
Künstler, Intellektuelle, Studenten und Bürger laden zu öffentlichen Lesungen ein, um "Freiheit für Leopoldo López" zu fordern, den radikalen Führer der Opposition, und für die zahlreichen "politischen Häftlinge", die wegen angeblicher "Aufwiegelung zur Gewalt" bei Demonstrationen festgenommen wurden.
Die Straßen-Musikanten wollen mit venezolanischen Melodien sogar eine Brücke schlagen zwischen den Fronten. Eine regelrechte Bewegung hat sich vielerorts gebildet und wirbt im öffentlichen Raum, in Einkaufszentren, Bus- und Metrostationen für Frieden und Dialog.