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Venezuela nach der Parlamentswahl
Die Opposition könnte den Präsidenten aus dem Amt jagen

Der überwältigende Sieg des konservativen Parteienbündnisses bei der Parlamentswahl in Venezuela setzt den sozialistischen Präsidenten Nicolas Maduro gehörig unter Druck. Mit ihrer Zweidrittel-Mehrheit könnten die Abgeordneten im kommenden Jahr ein Referendum gegen ihn einleiten. Aber zunächst gibt es etwas Wichtigeres.

Von Anne-Katrin Mellmann, ARD-Hörfunkstudio Mexiko |
    Neu gewählte venezolanische Abgeordnete des siegreichen Bündnisses Tisch der Demokratischen Einheit und ein Anwalt inhaftierter Oppositionspolitiker auf einer Pressekonferenz in Caracas.
    Das Votum der Venezolaner hätte nicht deutlicher ausfallen können: Das Oppositionsbündnis Tisch der Demokratischen Einheit soll im Parlament mit seiner Zweidrittel-Mehrheit das Land verändern. 17 Jahre nach der Wahl von Hugo Chávez zum Präsidenten erlebt die politische Bewegung des Verstorbenen, der Chavismus, seine schlimmste Niederlage.
    Entsprechend getroffen zeigt sich der sozialistische Präsident Nicolas Maduro. Er betont unablässig, die Sozialreformen gegen Konterrevolutionäre verteidigen zu wollen: "Sie fühlen sich schon an der Macht, der Speichel tropft aus ihren Mündern, mit blutigen Eckzähnen sagen sie: Unsere Stunde ist gekommen. Jetzt gehen sie wieder gegen das Volk vor. Da sind sie: Die Unternehmerverbände, die Rechten, die uns den Neoliberalismus wieder aufzwingen wollen."
    Der Politikwechsel könnte besiegelt werden
    In die Wirtschaft eingreifen wird die Opposition zunächst voraussichtlich über die Preisgestaltung: Bislang kontrolliert die Regierung die Preise für alle Produkte. Dieses Gesetz könnte schnell kippen. Sollte das Oberste Gericht aber blockieren, könnte die neue Parlamentsmehrheit die Richter austauschen. Außerdem bedeutet diese Zweidrittel-Mehrheit, Präsident Maduro kann nicht mehr per Dekret regieren. Und nicht nur das schränkt ihn ein: Ab April kommenden Jahres könnte die Opposition mit ihrer Mehrheit sogar ein Abberufungsreferendum auf den Weg bringen. Das würde Maduro schon fast drei Jahre vor Ablauf seiner Amtszeit 2019 zu Fall bringen und den Politikwechsel im Land endgültig besiegeln.
    Die Vertreter der Opposition sprechen seit dem Wahlsonntag viel von Aussöhnung. Die wäre bitter nötig in dem stark polarisierten Land. Henrique Capriles, Gouverneur des Bundesstaats Miranda, der als Präsidentschaftskandidat zwei Mal unterlag: "Das Land ist weiterhin in einer kritischen, explosiven Situation. Was sollen wir machen, zu was sollen wir aufrufen? Zur nationalen Einheit! Die neue Nationalversammlung wird zur nationalen Einheit aufrufen, der Wandel gilt für alle. Uns wird es nicht darum gehen, alte Rechnungen zu begleichen."
    Als Erstes eine Amnestie
    Keinen Zweifel lässt die Opposition an ihrem ersten Vorhaben für Anfang Januar, wenn sich das neue Parlament konstituiert: eine Amnestie. Inhaftierte Politiker des Oppositionsbündnisses wie Leopoldo Lopez oder Manuel Rosales dürften dann freikommen. Das erhöht die Zahl der charismatischen Führungspersönlichkeiten - aber auch das Konfliktpotenzial innerhalb des zersplitterten Bündnisses. Wenn sich seine radikalen Kräfte durchsetzen, würde es das Land schnell umkrempeln und Schluss machen mit der bolivarischen Revolution des Hugo Chávez.