Dirk Müller: Gestern hat das Unternehmen alles offiziell gemacht und Insolvenz ,angemeldet beim Amtsgericht in Ulm. Deutschlands einst größte Handels- und Drogeriekette Schlecker ist Pleite. 30.000 Mitarbeiter alleine hierzulande fürchten um ihre Arbeitsplätze. Beobachter haben die Zahlungsunfähigkeit kommen sehen, kritisieren seit Jahren das Produktangebot wie auch die Filialen selbst als wenig attraktiv und nicht konkurrenzfähig. Die bereits eingeleitete Sanierung ist demnach viel zu zaghaft und ohne überzeugendes Konzept auf den Weg gebracht worden. Firmengründer und Firmenchef Anton Schlecker haftet auch mit seinem Privatvermögen, deshalb will er das Unternehmen retten, weiterführen, die Sanierung in Eigenregie umsetzen - mithilfe der Gläubiger, wie auch immer das gehen soll. - Darüber sprechen wollen wir nun mit Stefanie Nutzenberger, im Verdi-Vorstand zuständig für den Handel. Guten Morgen!
Stefanie Nutzenberger: Einen schönen guten Morgen!
Müller: Frau Nutzenberger, ist Schlecker ein miserables Unternehmen?
Nutzenberger: Die Beschäftigten bei Schlecker haben seit vielen Jahren aufgezeigt, wie ihre Arbeitsbedingungen sind, und haben ihren Teil dazu beigetragen, dass sich die Arbeitsbedingungen verbessern. Die Betriebsrätinnen bei Schlecker haben sozusagen mit dafür gesorgt, dass die Arbeitsbedingungen besser werden, und von daher würde ich den Begriff "miserabel" nicht verwenden wollen.
Müller: Schlecker ist ja häufig thematisiert worden in den Medien mit schlechten Noten. Sie haben gesagt, es ist etwas besser geworden. Was hat sich denn verbessert?
Nutzenberger: Schlecker hat von der Führung aus signalisiert, dass sie eine Umkehr vornehmen wollen, dass sie den Druck und die Kontrolle abwenden wollen, dass sie mit ihren Führungskräften arbeiten wollen. Das ist ein langfristiger Prozess, der in den Filialen in dieser Form aus meiner Sicht nicht angekommen ist bisher. Wichtig ist, dass eine Umkehr erkannt wurde und dass die Diskussionen, die die Betriebsrätinnen geführt haben, von Schlecker inzwischen, so hoffen wir, denn auch umgesetzt und ernst genommen werden.
Müller: Frau Nutzenberger, ich muss da noch mal nachfragen, weiß nicht so genau, ob ich Sie richtig verstanden habe. Sie haben gesagt, es ist besser geworden, aber Sie zweifeln daran, ob das bei den Filialen bislang angekommen ist.
Nutzenberger: Na ja, wenn ein Verfahren über mehrere Jahre durchgeführt wird, das Druck und Kontrolle heißt, dann braucht es eine Zeit, bis ein Veränderungsprozess auch in den Filialen ankommt. Und die Kolleginnen und Kollegen beschreiben, dass dies in dieser Form noch nicht konkret vor Ort ist, aber sozusagen die Herangehensweise der Führung, der Unternehmensführung sagt, sie wollen, dass sich etwas ändert zum Positiven.
Müller: Wie viel haben die normalen Mitarbeiter bei Schlecker verdient?
Nutzenberger: Eine Verkäuferin im Einzelhandel verdient etwas über 2000 Euro.
Müller: Und das entspricht dem marktüblichen Durchschnitt?
Nutzenberger: Das entspricht absolut dem Tarifvertrag. Schlecker zahlt seit den Auseinandersetzungen tariftreu.
Müller: Könnten jetzt Lohnkürzungen auf die Mitarbeiter zukommen als ein Zugeständnis, um das Unternehmen zu retten?
Nutzenberger: Schlecker ist an uns herangetreten wie bekannt mit dem Wunsch eines Sanierungstarifvertrages. Sanierungstarifverträge haben das Ziel, die Tarifbindung dauerhaft zu halten, haben aber auch den Inhalt, zur Absicherung der Arbeitsplätze auf tarifliche Entgeltbestandteile zu verzichten. Inwieweit dies zum Tragen kommt, wird von dem Konzept abhängen und von den entsprechenden Gesprächen.
Müller: Aber die Gewerkschaft ist da durchaus bereit, Zugeständnisse zu machen?
Nutzenberger: Die Gewerkschaft wird repräsentiert durch die Beteiligten und durch die Betroffenen im Betrieb und davon wird abhängig sein, inwieweit die Kolleginnen und Kollegen das Konzept für tragfähig erachten, inwieweit sie das prüfen und dann gegebenenfalls auch Entscheidungen in dieser Richtung zu treffen sind.
Müller: Es geht ja in Deutschland um 30.000 Mitarbeiter. Wie viele Arbeitsplätze, denken Sie, sind davon ernsthaft gefährdet?
Nutzenberger: Die Gespräche sind an dieser Stelle nicht fortgeschritten und eine Spekulation aus heutiger Sicht halte ich für nicht angemessen.
Müller: Befürchten Sie denn, dass viele den Job verlieren?
Nutzenberger: Ich würde es umgekehrt formulieren. Wir kämpfen um jeden einzelnen Arbeitsplatz. Wir kämpfen um den Erhalt der Arbeitsplätze und um die Fortführung des Unternehmens, und das ist bei uns die Überschrift, unter der wir handeln.
Müller: Jetzt geht es bei dieser Insolvenz um eine sogenannte Planinsolvenz. Das heißt, auch staatliche Hilfen werden mit einbezogen. Da hat Trigema-Chef Wolfgang Krupp gesagt, hier werden diejenigen belohnt, die dem Größenwahn und der Gier frönen, während die Anständigen die dummen sind. Hat er recht?
Nutzenberger: Ich halte nichts von sozusagen so Extrempositionen, sondern eher den Blick, was ist gut für die Beschäftigten, und eine Insolvenz bedeutet für Beschäftigte immer Ängste und Verunsicherung. Und die Frage der Planinsolvenz scheint nach der aktuellen Informationslage ein gangbarer Weg. Und wenn das Ziel der Erhalts des Unternehmens und das Ziel der Erhalt der Arbeitsplätze damit eine Chance haben, dann, finde ich, muss man dies ernsthaft prüfen und auch den Weg gehen.
Müller: Bleiben wir bei der Planinsolvenz, Frau Nutzenberger. Haben wir das richtig verstanden, dass unter anderem drei Monate Lohnkosten eingespart werden könnten durch das Unternehmen, weil der Staat, weil der Steuerzahler einspringt?
Nutzenberger: Es gibt gesetzliche Regeln, die sagen, dass bei Insolvenzen drei Monate Insolvenzgeld gezahlt wird.
Müller: Was heißt das in der Praxis?
Nutzenberger: Das heißt in der Praxis, dass der Insolvenzverwalter beziehungsweise in dem Fall bei der Planinsolvenz gemeinsam mit dem Unternehmen entsprechende Gelder beantragt werden und damit der Übergang für die Beschäftigten stabil, was die Einkommensverhältnisse angeht, gewährleistet wird.
Müller: Blicken wir noch einmal, Frau Nutzenberger, auf die ungewisse Zukunft des Unternehmens. Was muss sich insgesamt an der Aufstellung, am Angebot, an den Filialen ändern, damit Schlecker für die Kunden wieder attraktiv wird?
Nutzenberger: Es braucht ein Sanierungskonzept, welches in die Zukunft gerichtet ist, wo die Anzahl der Filialen sehr konkret beschrieben wird, wo die Zielgruppen klar sind, wo sozusagen die Strategie des Unternehmens insoweit zu erkennen ist, wie stellen sie sich auf, wie wollen sie die Filialen gestalten, wie wollen sie sie ausgestalten, wie ist das Investitionsvolumen, welches benötigt wird, und vor allen Dingen, was für die Beschäftigten entscheidend ist, wie ist die Personalbesetzung in den Filialen und wie wird denn gewährleistet, dass die Kundinnen und Kunden dauerhaft gut bedient werden können.
Müller: Also Sie sind da durchaus noch optimistisch, dass Schlecker wieder konkurrenzfähig werden könnte?
Nutzenberger: Ich bin optimistisch in der Form, dass wir alles dazu beitragen werden, was notwendig ist und was auf soliden Füßen steht, dass die Beschäftigten in der Vergangenheit wesentlich dazu beigetragen haben, dass die Menschen bei Schlecker einkaufen, und wir erwarten - das sagte ich -, dass Schlecker alles ihnen zur Verfügung stehende nutzt, hier entsprechend auch seinen Namen, der ja sozusagen als Schlecker steht, konkurrenzfähig zu machen.
Müller: Um darauf noch einmal zurückzukommen. Sie sagen, Sie werden alles dafür tun, damit es weitergeht. Das heißt auch im Klartext weniger Geld für die Mitarbeiter?
Nutzenberger: Die Herangehensweise - davon sprach ich vorhin - ist so, dass wir prüfen, was ist zukunftsfähig, was ist sanierungsfähig, wie sind die einzelnen Etappen, und dann mit den Beschäftigten, mit den Betriebsrätinnen, den Kolleginnen und Kollegen, die quasi ja ihr Geld zur Verfügung stellen sollten, falls das ein Thema ist, das entsprechend zu beraten und kluge Entscheidungen zu treffen.
Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Stefanie Nutzenberger, im Verdi-Vorstand zuständig für den Handel. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Nutzenberger: Auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Stefanie Nutzenberger: Einen schönen guten Morgen!
Müller: Frau Nutzenberger, ist Schlecker ein miserables Unternehmen?
Nutzenberger: Die Beschäftigten bei Schlecker haben seit vielen Jahren aufgezeigt, wie ihre Arbeitsbedingungen sind, und haben ihren Teil dazu beigetragen, dass sich die Arbeitsbedingungen verbessern. Die Betriebsrätinnen bei Schlecker haben sozusagen mit dafür gesorgt, dass die Arbeitsbedingungen besser werden, und von daher würde ich den Begriff "miserabel" nicht verwenden wollen.
Müller: Schlecker ist ja häufig thematisiert worden in den Medien mit schlechten Noten. Sie haben gesagt, es ist etwas besser geworden. Was hat sich denn verbessert?
Nutzenberger: Schlecker hat von der Führung aus signalisiert, dass sie eine Umkehr vornehmen wollen, dass sie den Druck und die Kontrolle abwenden wollen, dass sie mit ihren Führungskräften arbeiten wollen. Das ist ein langfristiger Prozess, der in den Filialen in dieser Form aus meiner Sicht nicht angekommen ist bisher. Wichtig ist, dass eine Umkehr erkannt wurde und dass die Diskussionen, die die Betriebsrätinnen geführt haben, von Schlecker inzwischen, so hoffen wir, denn auch umgesetzt und ernst genommen werden.
Müller: Frau Nutzenberger, ich muss da noch mal nachfragen, weiß nicht so genau, ob ich Sie richtig verstanden habe. Sie haben gesagt, es ist besser geworden, aber Sie zweifeln daran, ob das bei den Filialen bislang angekommen ist.
Nutzenberger: Na ja, wenn ein Verfahren über mehrere Jahre durchgeführt wird, das Druck und Kontrolle heißt, dann braucht es eine Zeit, bis ein Veränderungsprozess auch in den Filialen ankommt. Und die Kolleginnen und Kollegen beschreiben, dass dies in dieser Form noch nicht konkret vor Ort ist, aber sozusagen die Herangehensweise der Führung, der Unternehmensführung sagt, sie wollen, dass sich etwas ändert zum Positiven.
Müller: Wie viel haben die normalen Mitarbeiter bei Schlecker verdient?
Nutzenberger: Eine Verkäuferin im Einzelhandel verdient etwas über 2000 Euro.
Müller: Und das entspricht dem marktüblichen Durchschnitt?
Nutzenberger: Das entspricht absolut dem Tarifvertrag. Schlecker zahlt seit den Auseinandersetzungen tariftreu.
Müller: Könnten jetzt Lohnkürzungen auf die Mitarbeiter zukommen als ein Zugeständnis, um das Unternehmen zu retten?
Nutzenberger: Schlecker ist an uns herangetreten wie bekannt mit dem Wunsch eines Sanierungstarifvertrages. Sanierungstarifverträge haben das Ziel, die Tarifbindung dauerhaft zu halten, haben aber auch den Inhalt, zur Absicherung der Arbeitsplätze auf tarifliche Entgeltbestandteile zu verzichten. Inwieweit dies zum Tragen kommt, wird von dem Konzept abhängen und von den entsprechenden Gesprächen.
Müller: Aber die Gewerkschaft ist da durchaus bereit, Zugeständnisse zu machen?
Nutzenberger: Die Gewerkschaft wird repräsentiert durch die Beteiligten und durch die Betroffenen im Betrieb und davon wird abhängig sein, inwieweit die Kolleginnen und Kollegen das Konzept für tragfähig erachten, inwieweit sie das prüfen und dann gegebenenfalls auch Entscheidungen in dieser Richtung zu treffen sind.
Müller: Es geht ja in Deutschland um 30.000 Mitarbeiter. Wie viele Arbeitsplätze, denken Sie, sind davon ernsthaft gefährdet?
Nutzenberger: Die Gespräche sind an dieser Stelle nicht fortgeschritten und eine Spekulation aus heutiger Sicht halte ich für nicht angemessen.
Müller: Befürchten Sie denn, dass viele den Job verlieren?
Nutzenberger: Ich würde es umgekehrt formulieren. Wir kämpfen um jeden einzelnen Arbeitsplatz. Wir kämpfen um den Erhalt der Arbeitsplätze und um die Fortführung des Unternehmens, und das ist bei uns die Überschrift, unter der wir handeln.
Müller: Jetzt geht es bei dieser Insolvenz um eine sogenannte Planinsolvenz. Das heißt, auch staatliche Hilfen werden mit einbezogen. Da hat Trigema-Chef Wolfgang Krupp gesagt, hier werden diejenigen belohnt, die dem Größenwahn und der Gier frönen, während die Anständigen die dummen sind. Hat er recht?
Nutzenberger: Ich halte nichts von sozusagen so Extrempositionen, sondern eher den Blick, was ist gut für die Beschäftigten, und eine Insolvenz bedeutet für Beschäftigte immer Ängste und Verunsicherung. Und die Frage der Planinsolvenz scheint nach der aktuellen Informationslage ein gangbarer Weg. Und wenn das Ziel der Erhalts des Unternehmens und das Ziel der Erhalt der Arbeitsplätze damit eine Chance haben, dann, finde ich, muss man dies ernsthaft prüfen und auch den Weg gehen.
Müller: Bleiben wir bei der Planinsolvenz, Frau Nutzenberger. Haben wir das richtig verstanden, dass unter anderem drei Monate Lohnkosten eingespart werden könnten durch das Unternehmen, weil der Staat, weil der Steuerzahler einspringt?
Nutzenberger: Es gibt gesetzliche Regeln, die sagen, dass bei Insolvenzen drei Monate Insolvenzgeld gezahlt wird.
Müller: Was heißt das in der Praxis?
Nutzenberger: Das heißt in der Praxis, dass der Insolvenzverwalter beziehungsweise in dem Fall bei der Planinsolvenz gemeinsam mit dem Unternehmen entsprechende Gelder beantragt werden und damit der Übergang für die Beschäftigten stabil, was die Einkommensverhältnisse angeht, gewährleistet wird.
Müller: Blicken wir noch einmal, Frau Nutzenberger, auf die ungewisse Zukunft des Unternehmens. Was muss sich insgesamt an der Aufstellung, am Angebot, an den Filialen ändern, damit Schlecker für die Kunden wieder attraktiv wird?
Nutzenberger: Es braucht ein Sanierungskonzept, welches in die Zukunft gerichtet ist, wo die Anzahl der Filialen sehr konkret beschrieben wird, wo die Zielgruppen klar sind, wo sozusagen die Strategie des Unternehmens insoweit zu erkennen ist, wie stellen sie sich auf, wie wollen sie die Filialen gestalten, wie wollen sie sie ausgestalten, wie ist das Investitionsvolumen, welches benötigt wird, und vor allen Dingen, was für die Beschäftigten entscheidend ist, wie ist die Personalbesetzung in den Filialen und wie wird denn gewährleistet, dass die Kundinnen und Kunden dauerhaft gut bedient werden können.
Müller: Also Sie sind da durchaus noch optimistisch, dass Schlecker wieder konkurrenzfähig werden könnte?
Nutzenberger: Ich bin optimistisch in der Form, dass wir alles dazu beitragen werden, was notwendig ist und was auf soliden Füßen steht, dass die Beschäftigten in der Vergangenheit wesentlich dazu beigetragen haben, dass die Menschen bei Schlecker einkaufen, und wir erwarten - das sagte ich -, dass Schlecker alles ihnen zur Verfügung stehende nutzt, hier entsprechend auch seinen Namen, der ja sozusagen als Schlecker steht, konkurrenzfähig zu machen.
Müller: Um darauf noch einmal zurückzukommen. Sie sagen, Sie werden alles dafür tun, damit es weitergeht. Das heißt auch im Klartext weniger Geld für die Mitarbeiter?
Nutzenberger: Die Herangehensweise - davon sprach ich vorhin - ist so, dass wir prüfen, was ist zukunftsfähig, was ist sanierungsfähig, wie sind die einzelnen Etappen, und dann mit den Beschäftigten, mit den Betriebsrätinnen, den Kolleginnen und Kollegen, die quasi ja ihr Geld zur Verfügung stellen sollten, falls das ein Thema ist, das entsprechend zu beraten und kluge Entscheidungen zu treffen.
Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Stefanie Nutzenberger, im Verdi-Vorstand zuständig für den Handel. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Nutzenberger: Auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.