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Veränderte Tonlage

Heute ist der internationale "Tag gegen den Lärm". Menschen, die in Innenstädten, an Schnellstraßen, Bahntrassen oder Flughäfen wohnen, wissen, wovon hier die Rede ist. Aber wie wirkt sich dieser Krach eigentlich auf Vögel aus, die in Ballungsgebieten leben?

Von Lennart Pyritz | 24.04.2013
    Die typische Geräuschkulisse einer Stadt: Motordröhnen, Autohupen, Baustellenkrach. Wo viele Menschen zusammenkommen, ist es laut. Der Lärm verursacht Stress und erschwert die Kommunikation. Das stellt auch die in der Stadt lebenden Tiere vor neue Herausforderungen. Bernd Marcordes, seit 2006 Kurator für Vögel im Kölner Zoo:

    "Jeder Einfluss auf das Leben eines Tieres erfordert natürlich eine Maßnahme oder eine Gegenmaßnahme. Und Stadtlärm zum Beispiel beeinflusst das Leben von Singvögeln extrem, weil er nämlich dazu führt, dass sie vielleicht nicht mehr so gut gehört werden können von ihren Artgenossen, von ihren Konkurrenten."

    Doch genau das ist entscheidend für das Sozialleben der Tiere.

    "Viele Vogelarten haben sich ja so angepasst, dass sie ihr Revier durch Gesang markieren, dass sie sozusagen anzeigen "Hier bin ich", und hier sollte sich jetzt kein anderes Männchen hinwagen, denn hier ist mein Brutrevier, hier ist mein Weibchen. Und dieser Gesang muss natürlich auch gehört werden können. Wenn also der Stadtlärm so groß ist, dass ein Singvogel nicht mehr gehört wird, hat der Gesang keine Funktion mehr, und dann müsste sich dieser Vogel also eine andere Methode ausdenken um sein Revier gegen Artgenossen, gegen Konkurrenten zu schützen."

    Viele Vogelarten haben deshalb Strategien entwickelt, um gegen den Stadtlärm anzusingen. Rotkehlchen stehen zum Beispiel in der Stadt früher auf und kommen so dem Berufsverkehr zuvor.

    "Normalerweise würden die wahrscheinlich mit einsetzender Dämmerung beginnen zu singen, und neuere Untersuchungen haben ergeben, dass sie schon wesentlich früher mit dem Gesang einsetzen. Das kann zum einen an dem Lärm liegen, der um sie herum ist oder zu der Zeit halt nicht um sie herum ist. Es kann aber natürlich auch daran liegen, dass einfach die Städte allgemein sehr viel heller sind. Das heißt, diese Vögel können es sich erlauben, morgens schon eher aufzustehen und mit dem Gesang anzufangen, weil sie einfach sich schon viel besser orientieren können als auf dem Land, wo es zu der Zeit noch ganz dunkel ist."

    Auch Amseln haben sich mit dem Stadtlärm arrangiert. Das haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Seewiesen Anfang des Jahres in einer Studie beschrieben. Die Vögel wenden eine Strategie an, die auch schon bei Meisen beobachtet wurde.

    "Bei Kohlmeisen und Amseln ist es so, dass sie einfach die Tonlage ihres Gesanges verändert haben, also das heißt, in erster Linie in hohen Bereichen, in hohen Tonlagen singen und dadurch auch deutlich lauter sind und ihr Gesang dann auch weithin hörbar ist."

    Imitationskünstler wie Stare profitieren sogar vom Stadtlärm, indem sie Handy- oder Weckergeräusche in ihren Gesang integrieren.

    "Bei denen scheint es wichtig zu sein, dass man möglichst vielgestaltig singen kann. Und da sind wahrscheinlich neue Geräusche aus der Umgebung immer ganz toll. Wenn man die in seinen Gesang einbaut, dann scheint man ein ganz besonders attraktiver Partner zu sein und somit auch Weibchen anlocken zu können."

    Weniger anpassungsfähige Vogelarten könnten dagegen Probleme bekommen, sich dauerhaft in der Stadt zu behaupten. Und der veränderte Gesang der anpassungsfähigen Stadtvögel könnte auf lange Sicht die Kommunikation mit den Artgenossen vom Land erschweren.

    "Letztendlich reden wir hier über so was Ähnliches wie eine Unterartbildung. Also das heißt, langfristig werden sich Landvögel und Stadtvögel wahrscheinlich nicht mehr verstehen, weil einfach ihre Gesänge unterschiedlich sind – Stadtvögel lassen meinetwegen Teile ihrer Gesänge weg zugunsten der Lautstärke. Und das würde vielleicht auf Landvogelweibchen dann nicht mehr attraktiv wirken."