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Veranstaltung "Syrien im Exil"
Fassungslos angesichts der Gewalt

Den Krieg in ihrer Heimat erklären, das sollten syrische Exilanten im Literarischen Colloquium Berlin. Doch der Abend scheiterte: Die Anwesenden waren schlicht verzweifelt und fassungslos angesichts der Situation in Syrien. Der Informationsgewinn der Veranstaltung blieb unter den Erwartungen.

Von Frank Hessenland |
    Syriens Hauptstadt Damaskus (Foto vom 18. September 2013)
    Syriens Hauptstadt Damaskus. "Ich habe 28 Jahre in Syrien gelebt und ich habe immer noch das Gefühl, dass die Orte in meinem Kopf sich vermischen," sagte die Autorin Rasha Abbas. (dpa / picture-alliance / Pochuyev Mikhail)
    Der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit hätte nicht größer sein können auf der gestrigen Veranstaltung "Syrien im Exil" im Literarischen Colloquium Berlin. Da saßen keine vier Schriftsteller und zwei Filmemacher auf dem Podium, die - wie die Einladung des LCB großspurig versprach, Hoffnung verbreiteten vom angeblichen "künstlerischen Aufbruch, der neue Freiheitsräume auszuloten versucht und Formen des Widerstandes abseits der Kriegsschauplätze zeigt". Nein. Da saßen fünf Syrer und ein Franzose, die verzweifelt waren. Es gelang ihnen nichts am gestrigen Abend. In Nebensätzen ließen sie durchblicken, dass sie von lähmender Angst, von Fassungslosigkeit gegenüber der Gewalt in ihrer Heimat Syrien, von Schreibblockaden, von Entfremdungsgefühlen im kalten Exil, von Gedächtnisverlust und anderen traumatischen Gefühlen befallen sind.
    Man konnte ahnen, dass sie im Exil ihre Schaffenskraft zu verlieren drohen, ihre Heimat nur durch das Fensterchen Youtube betrachten können und die Hilflosigkeit spüren, nichts einordnen zu können. Und dennoch wurden sie im LCB von der Syrienexpertin, Herausgeberin und Übersetzerin Larissa Bender durch eine Fragemühle gedreht. Bender verklärte die Schriftsteller als gegenüber Journalisten und Politikanalysten weit überlegene Erklärungsinstanz. Daran mussten sie und der ganze Abend scheitern. Auf die Frage nach der Situation in Syrien und dem Schreiben im Exil antwortet unbestimmt die Autorin Rasha Abbas:
    "Ich habe 28 Jahre in Syrien gelebt und ich habe immer noch das Gefühl, dass die Orte in meinem Kopf sich vermischen. Ich darf mich nicht der Nostalgie oder der Sehnsucht nach den Erinnerungen hingeben, sondern ich muss in der Realität verhaftet bleiben. Mein Eindruck ist, eine Reaktion oder eine kritische Reflexion über das, was in Syrien passiert, ist vielleicht noch zu früh jetzt. Das braucht mehr Zeit."
    Von Hoffnung auf Freiheit und Würde war nichts zu spüren
    Auf die Frage nach dem besten Umgang mit der Situation sagt Autorin Rosa Yassin Hassan:
    "Die Heimat wird zerstört, die Welt schaut nicht nur zu, sondern handelt falsch. Die Literatur soll den Alltag beschreiben, so wie er mal war, damit die Kinder im Exil wissen, was ihre Vorfahren in der Heimat einmal taten."
    Und auf die Frage, wie der Intellektuelle im Exil in Deutschland seine neue Meinungsfreiheit einsetzen kann, antwortet Nihad Sirees ernüchternd:
    "Wissen Sie, ich kann etwas mutiger sein im Schreiben, aber es ist klar, dass der Diktator in Syrien sich rächen kann an der Familie des Exilschriftstellers, die in Syrien geblieben ist."
    So blieb der Informationsgewinn, den die Veranstaltung bot, weit unter den geweckten Erwartungen. Ein preisgekrönter Film von Talal Derki über die Vernichtung der zivilen Opposition in den Kämpfen von Homs kam nicht zur Aufführung, weil der Filmemacher die DVD vergessen hatte. Einig waren sich die Diskutanten darin, dass die "Weltgemeinschaft" tätig werden und sowohl Assad, als auch den IS vernichten sollte und dass die Presse nicht angemessen berichte.
    Traurige Übereinstimmung herrschte auch darin, dass die zivile Opposition in Syrien aufgerieben werde zwischen den Regimes von Assad und IS, dass sie bei den Kurden keine Zukunft habe und eine lange Zeit des Exils bevorstehe. Von einer Hoffnung auf Freiheit und Würde war im LCB nichts zu spüren. Vielmehr griff die Vermutung um sich, dass sich der Arabische Frühling mit dem Griff zu den Waffen in Syrien sein eigenes Todesurteil geschrieben hatte. Doch die Diskussion blieb über weite Strecken nebulös. Hätten die Autoren Texte gelesen, wäre die Auseinandersetzung womöglich fundierter gewesen.