Veranstaltungen
Forum neuer Musik 2016 - 10. April

Der Abschlusstag des Forum beginnt mit einer thematische Matinee in der Musikhochschule. Die Kunst-Station Sankt Peter bietet einen christlich-jüdischen Dialog und ein Porträtkonzert Gabriel Iranyi. Im Deutschlandfunk spielt das Jack Quartet aus New York Chaya Czernowins legendäres Stück "Hidden". Zwei Auftragswerke werden uraufgeführt.

    Forum neuer Musik 2016: Veranstaltungen am 10. April 2016
    Forum neuer Musik 2016: Veranstaltungen am 10. April 2016 ( imago / Rüdiger Wölk)

    Hochschule für Musik und Tanz, Kammermusiksaal 11:00 Uhr - Matinee
    "Annäherung durch Verstehen"
    Woher stammt die hebräische Schrift, welche Kulturgeschichte bezeugt sie? Wie wird Judentum heute in der Synagoge gelebt? Wie und was singt ein jüdischer Kantor, was ist seine Funktion? Was ist eine Diaspora? Was geschieht in einer solchen, und wie bewahrt man in ihre seine Identität? Was verbindet und trennt junge Komponierende aus dem nahöstlichen Raum? – Dem Judentum im Alltag begegnen, um sensibel zu werden für dessen Spuren in der Avantgardemusik – dies ist Anliegen der diesjährigen Kooperation der Kölner Musikhochschule mit dem Forum neuer Musik. Die Studierenden im Fach 'Interpretation Neue Musik' haben bereits die Kölner Synagoge besucht; im Zuge der musikalischen Aufführung gelangen sie zu einem neuen Verständnis jüdischer Lebenswege in Gegenwart und Geschichte.
    Mit Binyamin Munk (Kantor der Kölner Synagogengemeinde), Winfried Günther (Publikumsbetreuer der Kölner Synagoge), Daniel Cil Brecher (Historiker und Publizist), Samir Odeh-Tamimi (Komponist), David Smeyers (Klarinettist und Hochschullehrer) und dem ensemble 20/21
    Kunst-Station Sankt Peter 13:00 Uhr - Gespräch
    "Auslegungen"
    Im Gespräch: Daniel Krochmalnik (Hochschule für Jüdische Studien, Heidelberg), Pater Werner Holter SJ (Jesuiten Sankt Peter, Köln)
    Judentum und Christentum haben gemeinsame Wurzeln. Das Alte Testament mit dem Schatz seiner Psalmen gehört zum Wesen des christlichen Glaubens und Gottesdienstes. Gemeinsam sind Juden und Christen Nachkommen Abrahams und dazu berufen, Segen für diese Welt zu sein. Vor allem diese gleiche Herkunft war den Christen nicht immer bewusst oder wurde sogar geleugnet. – Es war der Schock des millionenfachen Mordes an jüdischen Menschen während der Nazi-Barbarei, der nach einer Phase der Sprachlosigkeit die christlichen Kirchen bewogen hat, ihr Verhältnis zum Judentum neu zu bedenken. Im Dialog auf Augenhöhe werden Christen heute die kostbare Vielfalt jüdischen Glaubens besser verstehen, und können so ihre Herkunft neu entdecken und schätzen lernen.
    Kunst-Station Sankt Peter 15 Uhr - Konzert
    GABRIEL IRANYI (*1946) - WIE MAN ZUM STEIN SPRICHT
    Zum fünften Mal kooperiert das Forum neuer Musik mit der Kunst-Station Sankt Peter in Köln. Organist Dominik Susteck und Geigerin Sabine Akiko Ahrendt entdecken das Orgelwerk des in Berlin ansässigen Gabriel Iranyi. Iranyi (*1946 in Cluj-Napoca) ist ein deutscher Komponist rumänisch-ungarisch-jüdischer Herkunft. Iranyi studierte von 1965–71 Komposition an der Musikakademie in Cluj-Napoca. 1971 erhielt er eine Professur für Kontrapunkt mit Schwerpunkt Renaissance, Barock und 20. Jahrhundert in Jassy an der "George Enesco Musikhochschule." 1977 bis 1981 war er Dozent für Formenlehre, Kontrapunkt und Musiktheorie an der Tel Aviv University. 1978 und 1984 nahm er als DAAD-Stipendiat an den Darmstädter Ferienkursen teil. Seit 1988 lebt Gabriel Iranyi in Berlin.
    Gabriel Iranyi
    Gabriel Iranyi (Frohloff)
    "Shir ha' Maalot"
    "Wie man zum Stein spricht", UA
    Kompositionsauftrag des Deutschlandfunk, finanziert von der Ernst von Siemens Musikstiftung
    "Verborgene Landschaften"
    "Ich schau empor nach jenen Bergen. Reflexionen zum 146. Psalm"
    Dominik Susteck, Orgel
    Sabine Akiko Ahrendt, Violine
    Ein Projekt in Kooperation mit der Kunst-Station Sankt Peter


    Deutschlandfunk Foyer 18 Uhr - Gespräch
    Vita, Werk, Identität
    Die Komponistinnen Chaya Czernowin und Sarah Nemtsov im Gespräch mit Barbara Eckle und Frank Kämpfer
    Immer näher tastet sich Chaya Czernowin an das heran, was im tiefsten Inneren des Menschen verborgen sitzt, was sich dem Bewusstsein entzieht. Dabei verlässt sie die geläufige Vorstellung von Stimme, Klang und Musik. Auf dieser Suche nach dem Innersten hat sie im Lauf der Zeit das 'Ich' immer mehr hinter isch gelassen und erforscht die Welt, die sich ihr hinter den Grenzen der eigenen Person, Geschichte und Herkunft auftut: Seele und Körper offenbaren sich ihr als unberührte zeitlose Landschaften. Die Neugier, diese abzutasten und über das Ohr erfahrbar zu machen, motivieren ihre Arbeit in Kompositionen wie "Hidden" oder "Etudes in Fragility".
    Chaya Czernowin
    Chaya Czernowin (Priska Ketterer)
    Sarah Nemtsov favorisiert ihrerseits aktuell die Retrospektive: Eigene Lebensgeschichte wird, so Martin Tchiba, wachgerufen, geordnet, reflektiert – strukturell, nicht illustrativ. Als Angehörige einer anderen Generation verbinden sich für Nemtsov mit dem Jüdischen andere Implikationen: Sie ist bewegt von Neugründung, Aufbruch. In ihrer Musiksprache begegnen sich "geplantes Chaos" und tieflotende Analyse, mitunter "verwirrende Vielfalt" steigert sich zu Rauschhaftem.
    Die Komponistin Sarah Nemtsov 2013 bei der Preisverleihung des deutschen Musikautorenpreis
    Die Komponistin Sarah Nemtsov (Imago / Future Image)
    Zweifellos schwingen in beiden weiblichen Schaffensbiografien Fragen nach der eigenen Identität. Um zu verstehen, wie sich diese heute im Tun beider Komponistinnen spiegeln, ist es unumgänglich, sich in die komplexen Gefüge aus ästhetischer Prägung, religiöser und politischer Haltung, Generation- oder Geschlechtererfahrung hinein zu begeben. Ob und wie man sich dabei dem Wesen des "Jüdischen" nähern kann, wird sich zeigen. Im Gespräch mit Barbara Eckle und Frank Kämpfer geben Chaya und Sarah Nemtsov Einblick in Schlüssel- und Wendepunkte ihres jeweiligen Wegs.
    Deutschlandfunk Kammermusiksaal 20 Uhr - Konzert
    CHAYA CZERNOWIN (*1957): ETUDES IN FRAGILITY
    JACK Quartet
    JACK Quartet (Justin Bernhaut)
    Zwei aktuelle Werke der international renommierten Komponistin Chaya Czernowin (*1957) beschließen das Forum neuer Musik. Ihre 2014 in Paris uraufgeführte Komposition "Hidden" für Live-Elektronik im Raum und Streichquartett versteht sich als eine Art akustische Unterwasserfahrt in die Tiefen des Bewusstseins, auf der Suche nach dem Wesen des Menschen. Im Konzert korrespondiert "Hidden" mit dem neuen Vokalzyklus der Komponistin "Etudes in fragility" für Stimme solo. Der Deutschlandfunk erteilt hierfür einen Teil-Kompositionsauftrag. Die Aufführung mit dem Jack Quartet aus New York erfolgt in Zusammenarbeit mit dem von Pierre Boulez gegründeten Institut de Recherche et Coordination Acoustique / Musique in Paris.
    "Adiantum Capillus-Veneris"
    für Stimme und Atem
    I
    II
    III (Kompositionsauftrag des Deutschlandfunk, finanziert von der Ernst von Siemens Musikstiftung)
    "Hidden"
    Für Elektronik und Streichquartett
    Inbal Hever, Stimme
    Jack Quartet
    Inbal Hevwer
    Inbal Hevwer (Nadine Stenzel)
    Elektroakustische Realisation:
    Carlo Laurenzi, Jeremy Henrot – IRCAM
    Hendrik Manook, Robert F Schneider, Deutschlandfunk