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"Verantwortung heißt für mich, Fehler abzustellen"

In der Euro-Hawk-Affäre und damit einhergehenden Forderungen nach personellen Konsequenzen betont Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU), dass ein Auswechseln von Menschen nicht dahinterliegende Probleme löse. Zu verbessern sei künftig das Projekt-Controlling und dass "oben im Ministerium" rechtzeitig informiert werde.

Thomas de Maizière im Gespräch mit Klaus Remme |
    Jasper Barenberg: Die Probleme mit dem Projekt Euro Hawk sind vor vielen Jahren entstanden, ohne dass der Minister darüber informiert wurde. Sobald er aber von den Schwierigkeiten erfuhr, hat er sofort und richtig gehandelt. So in etwa ist die Lesart von Thomas de Maizière, der jetzt viele Vorschläge macht, sein eigenwilliges Haus in Zukunft besser aufzustellen, sich auch personelle Konsequenzen vorbehält, nur nicht, wenn es um seinen eigenen Hut geht. Wie erwartet ist damit die Debatte über seine Verantwortung keinesfalls beendet.
    Unmittelbar vor dieser Sendung hatte mein Kollege Klaus Remme bereits heute Gelegenheit, ein Gespräch mit dem Verteidigungsminister aufzuzeichnen.

    Klaus Remme: Herr Minister, es war ein langer Tag für Sie gestern und es gab wechselnde Schauplätze, vom Paul-Löbe-Haus rüber in die Bundespressekonferenz, dann wieder ins Parlament, ein langer Tag, am Schluss im Fernsehen. Hatten Sie eine ruhige Nacht, oder verfolgt Sie dieses Thema in den Schlaf?

    Thomas de Maizière: Ich hatte eine gute Nacht. Allerdings verfolgen mich die Gedanken beim Einschlafen. Aber dann geht’s schon.

    Remme: Glauben Sie, Ihnen ist gestern ein Befreiungsschlag gelungen?

    de Maizière: Nein. Das konnte auch nicht so sein bei der Sachlage. Aber ich halte mal für mich fest, dass in der Sache selbst jetzt klar zu sein scheint, dass die Entscheidung selbst, den Prototyp nur noch zunächst zu nutzen für die Entwicklungsfähigkeit des Aufklärungssystems und die Serie nicht zu bestellen, dass diese Entscheidung in der Sache nicht mehr angezweifelt wird. Und darüber hinaus habe ich hoffentlich so überzeugend vorgetragen, dass auch der Zeitpunkt der Entscheidung akzeptiert wird und die These akzeptiert wird, dass eine frühere Entscheidung sogar größeren Schaden verursacht hätte. Dass allerdings Verfahrensmängel zutage getreten sind, das bleibt.

    Remme: "De Maizière beschuldigt seine Mitarbeiter" – das ist eine Schlagzeile heute. Auch wenn die Wortwahl unterschiedlich lautet, der Tenor in etwa ist gleich. Gewichten wir Journalisten das Echo falsch?

    de Maizière: Ja.

    Remme: Warum?

    de Maizière: …, weil ich ja der Minister bin und für auch die Organisation meines Hauses insgesamt Verantwortung trage.

    Remme: Wenn ich das richtig verstanden habe, dann erklären Sie die Fehler, die gemacht wurden, mit Organisationsstrukturen, die verbessert werden müssen. Meiner Ansicht nach, aus dem, was ich lese, zeugt das eher von einem falschen Amtsverständnis oder von einer falschen Amtsführung der Staatssekretäre. Würden Sie zustimmen?

    de Maizière: Wenn Sie den Rechnungshofsbericht lesen, dann sehen Sie, dass gerade in diesem Projekt von Anfang an eine Reihe von Problemen waren: Berichtsprobleme, Probleme mit dem Umgang, was allerdings auch an dieser hoch komplexen Angelegenheit liegt, Probleme bei der Fachaufsicht. Auch der Rechnungshof sagt, als die Staatssekretäre zuerst befasst waren, haben sie entschlossen und richtig gehandelt.

    Wir müssen ja auch aus dem Vorgang etwas lernen und nach vorne gucken und dazu gehört, dass das Projekt-Controlling verbessert werden muss, dass wir gar nicht so sehr Sorge haben müssen, dass die bekannten Probleme nicht auch von mir behandelt und bearbeitet werden. Das ist der Fall - denken Sie an den A400M, an den Eurofighter und vieles andere mehr. Sondern wir müssen dafür Sorge tragen in der Zukunft, dass die Dinge, von denen wir hier oben im Ministerium, im Lenkungskreis, in der Leitung nicht wissen, dass es Probleme gibt, wie wir organisieren, dass wir auch davon rechtzeitig informiert werden, um Probleme lösen zu können, ohne dass diejenigen, die Verantwortung bei der Erarbeitung der Projekte tragen, einfach nur alles nach oben schieben, weil es irgendwie ein Problem gibt. Darum müssen wir uns kümmern. Ich werde das veranlassen. Wir haben eine Task Force, setzen eine Task-Force ein, die die Fehlerstellen analysiert, und das wird auch gegebenenfalls zu Veränderungen führen.

    Remme: Aber eine Fehlerstelle ist doch offensichtlich. Sie sagen, ich war unzureichend eingebunden, heißt es, glaube ich, in Ihrem Statement gestern vor dem Ausschuss, das schriftlich vorliegt. Wenn die Staatssekretäre früher gewusst haben – und es geht auch um einen Kulturwechsel hier im Ministerium, sodass diese Kommunikationsstränge intensiver verlaufen in Zukunft -, warum dann nicht ein deutliches Zeichen setzen für einen Neuanfang auch mit Personen an der Ebene der Staatssekretäre?

    de Maizière: Ich habe ja mir personelle Konsequenzen vorbehalten im Lichte der Prüfungen. Nur das Auswechseln von Menschen, auf welcher Ebene auch immer, löst ja nicht das dahinter liegende Problem. Für mich heißt Verantwortung, dass wir strukturell richtige Antworten geben, die dann auch zu Mentalitätsveränderungen führen. Das ist nicht nur im Ministerium, in der ganzen Bundeswehr eine wichtige Aufgabe, die auch Jahre dauert, und das gilt erst recht für den wirklich ungewöhnlich komplexen, schwierigen und interessengeleiteten Rüstungsbereich, einschließlich der Rüstungsverwaltung und das habe ich mir vorgenommen.

    Remme: Als ich Sie nach personellen Konsequenzen fragte in unserem Interview vor zwei Wochen, da haben Sie geantwortet, "damit will ich warten, bis der Bericht vorliegt". Jetzt liegt er vor, wir wissen immer noch nicht, welche Konsequenzen es haben wird. Wann erfahren wir das? Ist das eine Frage von Tagen oder Wochen oder Monaten?

    de Maizière: Wenn ich mich dazu entschließe, dann werde ich das nicht vorher mitteilen.

    Remme: Und wenn ich dann noch einmal auf Ihre eigene Person blicke – haben Sie denn in Kenntnis des Berichts und nachdem Sie eine Bewertung vorgenommen haben einen eigenen Rücktritt für sich selbst ausgeschlossen?

    de Maizière: Ich sehe meine Verantwortung darin, diesen gesamten Bereich, der uns ja seit Jahren und Jahrzehnten Sorgen macht, meinen Vorgängern und mir, allen Staatssekretären, auch der Öffentlichkeit, dem Parlament, nach und nach so aufzustellen, dass die Sorgen kleiner werden.
    Insgesamt bleibt es schwierig, wir geben über fünf Milliarden Euro jedes Jahr aus, da geht es um hoch komplizierte technologische Vorgänge, wir sind praktisch der einzige Nachfrager, ein Teil der Industrie sind die einzigen Anbieter, wir brauchen auch für Wartung und Instandsetzung enge Verflechtungen zwischen Streitkräften und Industrie, andere Staaten haben ähnliche Probleme. Und deswegen ist es eine sehr schwierige Aufgabe, ein Ministerium und die nachgeordneten Ämter so aufzustellen und zu organisieren, dass wir Probleme früher erkennen und früher abstellen, damit nicht immer wieder jedes Rüstungsprojekt teurer wird, später kommt und zu Ärger führt.

    Remme: Herr Minister, war das ein langes Ja auf meine Frage?

    de Maizière: Verantwortung heißt für mich, Fehler abzustellen.

    Remme: Warum haben Sie diesen Bericht, der ja sicherlich auch am Vorabend fertig war, erst gestern Morgen zu Beginn der Sitzung den Abgeordneten vorgelegt, sodass diese eigentlich keine Chance mehr hatten, sich für die Befragung vorzubereiten?

    de Maizière: Ich habe zugesagt, den Bericht zuerst den Abgeordneten zu geben. Sie sollten die ersten Leser sein. Eine Zuleitung am Tage vorher hätte sofort dazu geführt, dass der Bericht in der Öffentlichkeit diskutiert worden wäre, bevor dies im Ausschuss möglich war, und das wollte ich nicht.

    Remme: Sehen Sie für die Sondersitzung des Ausschusses am kommenden Montag noch offene Fragen, bei deren Aufklärung Sie helfen können?

    de Maizière: Die Opposition und das Parlament muss das entscheiden. Wir sind zur Beantwortung aller Fragen bereit.

    Remme: Ist dies aus Ihrer Sicht berechtigterweise ein Fall für einen Untersuchungsausschuss?

    de Maizière: Dazu möchte ich mich nicht äußern, weil es das Recht ist, des Parlaments, darüber zu entscheiden. Das soll in Autorität des Parlaments entschieden werden und ich will da weder einen positiven noch negativen Rat geben.

    Remme: Wenn wir auf die Sache selbst schauen, dann erklären Sie, wenn es darum geht, den finanziellen Schaden zu verringern oder zu beziffern, gerne, dass das von EADS entwickelte Aufklärungssystem weiter genutzt werden kann. Verschweigen Sie dabei nicht, dass, wenn man sich nach einer alternativen Trägerplattform umsieht, dabei natürlich weitere Kosten entstehen, werden und, wenn es denn ein bemanntes System ist, das Einsatzpotenzial ein ganz anderes ist?

    de Maizière: Nein, das verschweigen wir nicht, sondern das ist ja Teil jetzt der Prüfung. Natürlich würde die Integration, wie wir das nennen, dieses Aufklärungssystems in eine neue Trägerplattform auch Kosten verursachen.
    Andererseits stehen ja nicht unerhebliche Geldmittel in der Planung bereit, weil wir ja eigentlich die Serie hätten anschaffen wollen. Und nun werden wir bis Ende des Jahres alle denkbaren Varianten, bemannt und unbemannt, prüfen. Es gibt ja auch den Prototyp, der Prototyp dient der Erprobung des Aufklärungssystems, für den haben wir bezahlt, den gibt es, auch er wird in die Betrachtung einbezogen.

    Remme: Sie wollen ab jetzt stärker intensiv eingebunden werden. Natürlich können Sie sich nicht um die Beschaffung jeder Patrone kümmern. Was ist von nun an Chefsache, wo verläuft die Grenze?

    de Maizière: Die Statusberichte, die ich mir vorlegen lassen will, haben das Ziel, dass wir anlasslos, also nicht erst, wenn es Probleme gibt, sondern regelmäßig uns die größten und schwierigsten Rüstungsprojekte angucken, dass sie auf meinem Tisch sind. Anschließend dem Verteidigungs- und Haushaltsausschuss vorgelegt werden, und dann richtet sich meine Einflussnahme eher nach der Größe der Probleme als nach der Größe des Rüstungsprojekts.

    Remme: Zum Schluss ein Wort zum NATO-Projekt AGS. Chefsache von nun an?

    de Maizière: Das ist ein wichtiges Abkommen. Das haben die Regierungschefs beschlossen, das haben die Minister unterschrieben. Das wird von der NATO betrieben. Im Zulassungsprozess, den Italien führt, sind wir erst am Anfang. Das ist eine sehr wichtige Fähigkeit. Wir sind ein großer Beitragszahler und wir haben einen Informationsaustausch mit der NATO vereinbart, sodass wir unsere Erfahrungen im Blick auf den Zulassungsprozess zum Euro Hawk in die jetzt anstehenden NATO-Debatten einbringen können.

    Remme: Aber das ist ein Projekt, um das Sie sich persönlich kümmern werden?

    de Maizière: Ich werde sicher nicht der oberste Sachbearbeiter für die Details des italienischen Zulassungswesens werden, aber ich möchte, dass das einen Erfolg hat im Lichte der Erfahrungen mit unserem Euro Hawk.

    Remme: Wenn Sie sagen in diesem Zusammenhang, wir sind vertragstreu, heißt das, dass Deutschland weitere Millionen in dieses Projekt investiert ohne Erfolgsgarantie?

    de Maizière: Global Hawk ist ein Beschaffungsprojekt. Euro Hawk war ein Entwicklungsprojekt des frühen letzten Jahrzehnts. Das ist etwas anderes. Der Global Hawk ist auch ein ähnliches, aber ein neueres Modell, sodass sich viele Fragen hier anders stellen. Wir haben ja bereits Geld ausgegeben, überwiegend für die Infrastruktur. Die Lieferung soll ohnehin erst 2018 erfolgen. Also da ist kein Zeitdruck, jetzt irgendetwas übers Knie zu brechen.

    Barenberg: Darüber, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen – Verteidigungsminister Thomas de Maizière im Gespräch mit meinem Kollegen Klaus Remme.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.