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Verband "Bildung und Erziehung" zu Missständen an deutschen Schulen
"Verantwortlichkeiten werden hin und her geschoben"

Statt nur vor Wahlen die Missstände an deutschen Schulen zu thematisieren, sollte die Bundesregierung endlich ausreichend in konkrete Maßnahmen investieren. Lehrer ständen nicht nur wegen der Integration vor großen Herausforderungen, sagte Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes "Bildung und Erziehung" im Dlf.

Udo Beckmann im Gespräch mit Kate Maleike |
    Der Bundesvorsitzende des Lehrer-Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann
    Der Bundesvorsitzende des Lehrer-Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, fordert mehr Geld für Schulen (picture-alliance / dpa / Hendrik Schmidt)
    Kate Maleike: Im Kanzleramt in Berlin findet heute Nachmittag offenbar so etwas wie ein Mini-Bildungsgipfel statt, bei dem es um Integration und Schule gehen soll. Die Bundeskanzlerin spricht mit der Bundesfamilienministerin, der Bundesbildungsministerin, der Bundesintegrationsbeauftragten und dem Kultusministerpräsidenten, und es sollen wohl auch 50 Lehrer eingeladen sein. Nur die Lehrerverbände und Gewerkschaften, die müssen bei diesem Treffen draußen bleiben, so auch der VBE, der Verband Bildung und Erziehung. Udo Beckmann ist der VBE-Bundesvorsitzende. Guten Tag, Herr Beckmann!
    Udo Beckmann: Guten Tag!
    Maleike: Ein politisch so hochkarätiges Treffen zu Schule und Integration, aber ohne Sie – was macht das gerade mit Ihnen?
    Beckmann: Ich stelle erst mal fest, dass die Bundeskanzlerin sich für das Thema Bildung erneut offen zeigt und das Gespräch mit Lehrkräften sucht, um sich vielleicht ein konkretes Bild über das zu machen, was in Schule stattfindet. Sie hätte dies sicherlich auch mit Vertretern der Verbände und Gewerkschaften haben können, insbesondere, weil wir ja demokratisch legitimiert und gewählt sind von unseren Mitgliedern. Deren Meinung gegenüber der Politik zu vertreten, was der VBE ja auch immer sehr offensiv tut.
    Maleike: Das heißt also, ein bisschen sauer sind Sie schon?
    Beckmann: Ich würde das Wort sauer nicht benutzen. Ich warte mal ab, was das Ergebnis dieses Gesprächs sein wird. Ich habe gerade gesagt, ich möchte gern mal wissen, nach welchen Kriterien wer wen ausgesucht hat, wie diese Runde zustande gekommen ist, und werde mir dann vorbehalten, darauf entsprechend zu reagieren. Ich halte es aber für dringend erforderlich, dass sich die Bundeskanzlerin und die anderen Beteiligten auch den Fragen derjenigen stellen, die die Lehrkräfte nach außen vertreten, und das sind die Interessenvertretungen.
    "Es gibt riesige Baustellen, riesige Herausforderungen"
    Maleike: Es heißt ja, das Treffen geht auf einen Bürgerdialog zurück, der jetzt sozusagen fortgeführt wird, deswegen dieser etwas ausgewählte, vielleicht eher auch ich sag mal privatere Charakter dieses Treffens. Aber Sie haben es ja auch schon ein bisschen durchblicken lassen. Wenn man die Medien aufschlägt, jeden Tag ist Schule ein großes Thema. Wir haben eine riesige Baustelle dort. Wäre es nicht endlich an der Zeit, wirklich noch mal so was wie einen Bildungsgipfel, der seinen Namen verdient, auch durchzuführen?
    Beckmann: Die Kanzlerin hat ja in Dresden die Bildungsrepublik ausgerufen seinerzeit, aber davon ist ja bisher wenig umgesetzt worden, dessen, was man damals alles angedeutet hat. Und wir haben auch vermisst, dass man nachhaltig diesem Thema nachgegangen ist. Sie haben recht, Schule ist jeden Tag in den Medien, es gibt riesige Baustellen, riesige Herausforderungen, Thema Inklusion, Thema Integration, Thema Digitalpakt. All das sind Dinge, die es dringend zu besprechen gilt und wo die Schulen darauf warten, dass endlich das passiert, dass sie in die Lage versetzt, diese Herausforderungen auch wirklich einlösen zu können.
    Maleike: Das bedeutet, Sie sagen schon in Richtung Politik, wenn ihr es ernst meint mit der Bildung in Deutschland, dann müsst ihr dringend den Dialog stärker mit uns suchen?
    Beckmann: Den Dialog suchen und das, was wir an Missständen offenlegen, dann auch nicht nur in Sonntagsreden vor Wahlen ernst nehmen und annehmen, sondern auch zeigen, dass man bereit ist, hier etwas zu tun, insbesondere das Thema Digitalpakt ist ja etwas, was jetzt seit 2016 vor sich hin vegetiert, ohne dass jetzt ganz konkrete Maßnahmen ergriffen werden. Wir wissen jetzt schon, dass die Gelder, die angekündigt werden, nicht reichen werden, um das alles, was sich inzwischen aufgestaut hat an Bedarfen, an Investitionen, einzulösen.
    Breites Bündnis aus Bund, Länder und Kommunen
    Maleike: Was wäre denn beim Thema, um das es ja heute gehen soll im Wesentlichen, Schule und Integration für Sie der wichtigste Punkt? Was muss Politik da unbedingt in Angriff nehmen?
    Beckmann: Das Thema Integration will ich gar nicht abkoppeln von den anderen, sondern die ganz große Herausforderung ist ja, dass wir in den Schulen mit einer immer größeren Verschiedenheit der Kinder umzugehen haben. Das heißt, wir brauchen hier die Unterstützung – es fängt an bei der Bereitstellung der Gebäude, die es überhaupt pädagogisch möglich machen, differenzierter zu arbeiten, als wir das in den sogenannten Flurklassen, die wir oft noch haben, machen können, dass wir Geld investieren in die Lehreraus-, -fort- und -weiterbildung, damit diese Themen auch von den Lehrkräften pädagogisch und methodisch so gestemmt werden können, wie es erforderlich ist. Es müsste eigentlich – ein breites Bündnis brauchen wir aus dem Bereich Bund, Länder und Kommunen, um diese Aufgaben zu schultern. Und wir brauchen weniger das Schwarze-Peter-Spiel, das die Verantwortlichkeiten hin und her geschoben werden.
    "Kooperationsverbot muss aufgelöst werden"
    Maleike: Dieser Ansicht ist ja auch der Präsident, der amtierende der Kultusministerkonferenz, Helmut Holter, und der wird heute, zumindest hat er das angekündigt, den Termin im Kanzleramt nutzen, um auch noch mal klar zu sagen, dass er für ein schnelles Ende des Kooperationsverbots im Schulbereich ist, weil er sagt, die aktuellen Herausforderungen, und die haben Sie ja auch gerade noch mal geschildert, die sind so groß, da muss der Bund auch dauerhaft stärker mit dabei sein und investieren. Wie stehen Sie zum Kooperationsverbot? Muss es weg?
    Beckmann: Ich denke, das Kooperationsverbot im Bereich Schule muss auf jeden Fall so weit aufgelöst werden, dass der Bund Möglichkeiten hat, mitzufinanzieren. Ich sage aber gleichzeitig in Richtung der Länder: Wenn solche Gelder zur Verfügung gestellt werden, darf das nicht bedeuten, dass die Länder das dann nutzen, um ihre Haushalte mit Blick auf die Schuldenbremse 2020 ein Stück weit zu sanieren, sondern hier braucht es staatsvertragliche Regelungen, wie mit diesen Geldern umgegangen wird und was für Verpflichtungen die einzelnen Bereiche, Bund, Kommunen und Länder haben.
    Maleike: Udo Beckmann war das bei uns hier in "Campus & Karriere", der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung zum Bildungstreffen im Kanzleramt heute Nachmittag. Herzlichen Dank, Herr Beckmann!
    Beckmann: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.