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Verband der Automobilindustrie
"Für Akzeptanz beim Kunden brauchen wir mehr Ladestationen"

Um die Elektromobilität in Deutschland weiter voranzutreiben müsse als erstes die Infrastruktur für Ladestationen verbessert werden, sagte der VDA-Präsident Bernhard Mattes im Dlf. Beim Autogipfel im Berliner Kanzleramt habe man sich auf einen "Masterplan Lade-Infrastruktur" geeinigt - allerdings ohne konkrete Zusagen.

Bernhard Mattes im Gespräch mit Christiane Kaess |
Bernhard Mattes, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, äußert sich nach dem Spitzentreffen zur Zukunft der Autoindustrie im Bundeskanzleramt am 24.06.2019 gegenüber Journalisten.
Autoindustrie und Bundesregierung hätten sich auf einen "Masterplan Lade-Infrastruktur" geeinigt, sagte VDA-Präsident Mattes im Dlf (dpa / Paul Zinken, Kay Nietfeld)
Christiane Kaess: Klimaschutz, mobil sein und Arbeitsplätze erhalten - wie das gleichzeitig funktionieren soll, darum ging es gestern bei einem weiteren Autogipfel im Berliner Kanzleramt. Konkrete Beschlüsse gab es nach dem dreistündigen Treffen nicht, aber die Teilnehmer haben einen Masterplan vereinbart. Er soll helfen, dass die Infrastruktur für Ladestationen von Elektroautos schnell ausgebaut wird. Ohne E-Autos – darüber herrscht weitestgehend Einigkeit – sind die Klimaziele der Bundesregierung nicht zu erreichen.
Ich kann darüber jetzt sprechen mit dem Präsidenten des Verbandes der Automobilindustrie, mit Bernhard Mattes. Guten Morgen!
Bernhard Mattes: Guten Morgen, Frau Kaess!
Kaess: Herr Mattes, es gab ja vor dem Gipfel auch von Ihnen das Bekenntnis, die Autoindustrie wolle am Ziel der Klimaneutralität mitarbeiten. Aber – so Ihre Forderung – die Politik muss da mithelfen, zum Beispiel die Infrastruktur zum Laden von Elektrofahrzeugen auszubauen. Welche Zusagen haben Sie da gestern Abend von der Politik bekommen?
Mattes: Zunächst einmal noch mal zurück. Ja, es ist vollkommen richtig: Wir sind entschlossen, unseren Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele zu leisten, und wir wollen eine nachhaltige Mobilität. Darum geht es uns. Diese Anstrengung können wir aber nur gemeinsam erreichen und es geht nicht einseitig darum, dass wir jetzt von der Politik oder dem Staat fordern, eine Lade-Infrastruktur zu erstellen, sondern es geht darum, dass wir die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die Akzeptanz beim Kunden geschaffen wird, sich tatsächlich für Elektrofahrzeuge oder elektrifizierte Fahrzeuge zu interessieren, damit wir die Klimaziele 2030, die CO2-Reduktionsziele erreichen können.
Da brauchen wir einen großen und starken Hochlauf für elektrifizierte Fahrzeuge. Da müssen die Produkte stimmen, die Preise stimmen, aber es muss auch eine Lade-Infrastruktur geben, damit der Kunde sicher ist, dass er damit auch fahren kann. Darüber haben wir gestern gesprochen, was dafür alles notwendig ist.
Masterplan Lade-Infrastruktur für die Zukunft
Kaess: Da war meine Frage, welche Zusagen haben Sie gestern Abend von Seiten der Politik bekommen.
Mattes: Wir haben keine Zusagen bekommen. Wir haben auch keine Versprechen gemacht, sondern es ging darum, dass wir uns darauf verständigt haben, jetzt an einem Masterplan Lade-Infrastruktur für die Zukunft zu arbeiten. Das heißt, wie werden wir in den nächsten Jahren mit welchen Voraussetzungen die Lade-Infrastruktur sowohl an öffentlichen Ladestationen als auch an privaten Ladestationen schaffen können, was ist dafür notwendig, welche gesetzgeberischen Maßnahmen müssen geändert werden oder auch Raum greifen. Das ist das eine und das andere ist, wo genau müssen diese stehen, wie sind die Verteilnetze des Stroms dahingehend zu gestalten. Das ist eine Vielzahl von Fragen, große Komplexität, und daran arbeiten wir jetzt.
Kaess: Gab es auch Zusagen, was die Finanzierung betrifft?
Mattes: Nein.
Kaess: Ich frage das, denn es gab ja diese Forderung von BMW zum Beispiel, dass die Elektromobilität stärker gefördert werden soll, zum Beispiel durch Subventionen wie Steuersenkungen für den Ladestrom, oder kostenloses Parken von Elektroautos. Darüber ist überhaupt nicht gesprochen worden?
Mattes: Doch! Wir haben Beispiele genannt, warum derzeit die Elektromobilität Hürden hat, über die sie nicht springt. Wir haben das Beispiel der Stromkosten. Der Hausstrom in München kostet 27 Cent für die Kilowattstunde. Wenn Sie an einer Ladesäule laden, kostet das den Kunden 55 Cent pro Kilowattstunde. Das sind Differenzen, die der Verbraucher so nicht akzeptiert. Darüber müssen wir uns Gedanken machen, dass wir diese Differenzen zum Beispiel abbauen. Auf der anderen Seite sehen wir ja die Länder, die wir als Beispiel für erfolgreichen Hochlauf von Elektromobilität hernehmen, was dort an Rahmenbedingungen geschaffen wird, damit Elektromobilität attraktiv ist für die Kunden. Auch darüber haben wir gesprochen. Wir haben aber keine Beschlüsse gefasst, was wir konkret tun werden. Wir sehen aber, es gibt gute Beispiele, wie man erfolgreich sein kann.
"Das ist eine gemeinsame Anstrengung"
Kaess: Herr Mattes, wenn es jetzt noch immer keine konkreten Ergebnisse bei diesem Treffen gestern Abend gab – und es ist nicht das erste Treffen -, wie lange wollen Sie sich eigentlich noch Zeit lassen?
Mattes: Wir haben ein sehr, sehr konkretes Ergebnis. Wir haben eine sehr konkrete Vereinbarung, einen Masterplan für den Ausbau und Aufbau der Lade-Infrastruktur zu machen. Das ist einer der Punkte. Wir werden uns um weitere Punkte hinsichtlich der Zukunft der Mobilität kümmern, die Kräfte bündeln, gemeinsam daran arbeiten. Das ist eine gemeinsame Anstrengung, die wir jetzt unternehmen, und ich finde, es ist ein gutes Ergebnis dieses Gesprächs.
Kaess: Dann ist mir immer noch nicht ganz klar, was das Konkrete an diesem Masterplan ist. Nennen Sie uns doch einfach einmal ein paar Eckpunkte, die jetzt ganz konkret umgesetzt werden in den nächsten Wochen oder Monaten.
Mattes: Wenn wir noch mal anfangen bei den Klimazielen 2030, CO2-Reduzierung minus 37,5 Prozent beim PKW, dann wird das nur erreichbar sein, wenn wir einen starken Hochlauf für die Elektromobilität schaffen, wenn wir bei gegebener Kundenakzeptanz sieben bis zehneinhalb Millionen Fahrzeuge im Bestand bis 2030 elektrifiziert haben. Um das möglich zu machen, brauchen wir zirka 100.000 Schnelllade-Säulen, zirka eine Million öffentliche Ladepunkte und mehrere Millionen private Ladepunkte. Die haben wir heute bei weitem nicht und das wollen wir erreichen.
Kaess: Das kostet ja alles Geld, Herr Mattes. Deswegen bin ich etwas erstaunt, dass Sie da so wenig anscheinend über die Finanzierung gesprochen haben. Und wenn man sich ansieht, dass zum Beispiel BMW oder Daimler oder Volkswagen ihre Fabriken jetzt auf den Bau von Elektroautos umrüsten, dann fragt man sich ja auch, welches Risiko gehen denn Konzerne ein, wenn verlässliche, auch finanzielle Zusagen aus der Politik fehlen.
Mattes: Wir machen einen Schritt nach dem anderen. Der erste Schritt ist, die Lade-Infrastruktur aufzubauen, sie darzustellen, wie sie sein muss, um dann darüber nachzudenken – und das machen wir natürlich parallel -, wie werden wir das installieren, was ist dafür notwendig, und natürlich auch, welchen finanziellen Rahmen bedarf es dazu.
"Wir werden das Produktangebot verdreifachen"
Kaess: Dann nehmen wir diesen Punkt noch mal raus, die Lade-Infrastruktur aufzubauen, was Sie gerade genannt haben. Es gibt den Vorwurf an die Autoindustrie, man hat die Wende zur E-Mobilität verschlafen. Jetzt entsteht ein bisschen der Eindruck, mit diesen Forderungen, die die Autoindustrie aufstellt, was die Industrie versäumt hat, soll die Politik jetzt ausgleichen.
Mattes: Nein, wir tun unseren Beitrag, um die Klimaschutzziele zu erreichen, eindeutig. Und wenn ich mir anschaue, in den nächsten drei Jahren investiert die deutsche Automobilindustrie 40 Milliarden alleine in die Elektromobilität, in neue Produkte. Wir werden das Produktangebot verdreifachen. Die Reichweiten der Fahrzeuge werden deutlich höher werden – übrigens auch ein Kriterium für Akzeptanz beim Kunden. Von daher gesehen sehen wir uns auch in einer Wettbewerbsposition, die stark ist und die auch zeigt, dass wir heute schon in Europa Marktführerschaft haben. Wir sind überzeugt, dass wir diese Wettbewerbsposition auch weiter ausbauen können.
Kaess: Dann lassen Sie uns noch mal kurz bei diesen Ladestationen bleiben. Warum wartet die Autoindustrie da überhaupt auf den Staat? Denn es ist ja auf der anderen Seite so, dass die Industrie durchaus zum Beispiel ein eigenes Schnellladenetz für die Autobahnen aufbaut. Oder es gibt Kooperationen mit Unternehmen, Ladestationen auf deren Kundenparkplätzen zu errichten. Warum brauchen Sie den Staat da überhaupt?
Mattes: Wir brauchen den Staat zum Beispiel, wenn es darum geht, gesetzliche Rahmenbedingungen zu verändern, zum Beispiel beim Wohnungseigentumsgesetz oder auch beim Mietrecht, so dass in Tiefgaragen von Mehrfamilienhäusern es leicht ist für den einzelnen Anwohner, dort eine Ladestation in der Tiefgarage zu errichten. Genehmigungsverfahren, aber auch Zustimmungsbedürftigkeit bei den restlichen Mitbewohnern – das sind Themen, die die Rahmenbedingungen setzen, die mit den Finanzen erst mal nichts zu tun haben.
Oder zum Beispiel die Förderungskulisse für Ladesäulen, die auf Parkplätzen von Baumärkten oder Einkaufszentren etc. errichtet werden, die zu ergänzen um die Freistellung von einer 24 Stunden, sieben Tage Verfügbarkeit. Damit können wir sehr, sehr schnell Durchbrüche erzielen, so dass dann gar nicht mal vom Staat, sondern von Privaten oder auch von Unternehmen investiert wird in Lade-Infrastruktur.
Kaess: Geld vom Staat, um das noch mal zu unterstreichen, brauchen Sie überhaupt nicht?
Mattes: Das habe ich nicht gesagt. Wir werden auch eine öffentliche Lade-Infrastruktur brauchen und da wird sicherlich auch darüber zu diskutieren sein, wer diese Kosten dafür übernimmt, macht das der Staat, Bund, Länder, Kommunen. Darüber haben wir aber gestern keine Beschlüsse gefasst.
"40 Milliarden Investitionen sind ein ordentlicher Beitrag"
Kaess: Sie kriegen ja schon jetzt einiges an Unterstützung vom Staat. Die E-Autos werden ja mit Kaufprämien gefördert. Mit welcher Berechtigung fragen da viele, denn die Gewinne fließen ja trotzdem wieder an die Konzerne.
Mattes: Wir wollen einen Systemwechsel in der Mobilität. Das ist etwas anderes, als nur neue Autos einzuführen und in den Markt zu bringen. Wir wollen den kompletten Systemwechsel zu einer nachhaltigen, CO2-freien Mobilität, und das ist ein gesamtgesellschaftliches Anliegen. Hier soll und will auch jeder, der kann, seinen Beitrag leisten, auch die öffentliche Hand, und das halten wir für vernünftig. Denn das Oberziel einer nachhaltigen individuellen, aber auch CO2-freien Mobilität wollen wir in den nächsten Jahren erreichen.
Kaess: Warum, Herr Mattes, war der Beitrag der Autoindustrie da bisher so schwach? Denn bei den E-Autos gibt es ja immer noch viel zu wenige Modelle, die auch immer noch viel zu teuer für den normalen Verbraucher sind.
Mattes: Erstens einmal: In drei Jahren 40 Milliarden Investitionen halte ich für einen ordentlichen Beitrag, wenn es darum geht, die Produkte für die Elektromobilität bereitzustellen.
Kaess: Aber es sind ja kaum E-Autos auf den Straßen. Das verkauft sich ja nicht.
Mattes: Deswegen arbeiten wir jetzt an der Lade-Infrastruktur, weil die Kundenakzeptanz noch nicht da ist. Der Kunde will natürlich sicher sein, wenn er ein elektrifiziertes Fahrzeug hat, er es auch laden kann, und zwar so, dass er immer damit unterwegs und mobil sein kann. Das müssen wir parallel schaffen.
Kaess: Und er muss es auch bezahlen können.
Mattes: Das ist richtig. Auch das ist ein Punkt, dass wir attraktive Preise für die Fahrzeuge in den verschiedenen Segmenten brauchen. Aber wir arbeiten ja gerade daran, das Produkt-Portfolio auch auszudehnen, nicht nur nach oben, sondern auch nach unten.
Kaess: Zum Schluss noch der Vorwurf, den wir gehört haben, die Industrie soll nicht nur auf Elektroautos setzen. Warum sind Sie da so einseitig?
Mattes: Wir sind gar nicht einseitig, sondern wir sehen zwei Dinge. Erstens einmal: Wir sehen das Ziel in zehn Jahren, 2030 CO2-Reduzierung zu erreichen. Da brauchen wir einen Hebel, der wirksam ist, der schnell wirksam sein kann. Das ist die Elektromobilität. Darüber hinaus in weiteren Jahren nach 2030 werden wir einen Energiemix und auch einen Antriebsmix brauchen, der auch das Thema Wasserstoff-Brennstoff-Zelle, der auch das Thema synthetische Kraftstoffe beinhaltet, für unterschiedliche Regionen auf dieser Welt und auch für unterschiedliche Anwendungen. Wir dürfen die Nutzfahrzeuge nicht vergessen. Die können wir nicht alle, insbesondere die schweren elektrifizieren. Da werden wir Alternativen brauchen; an denen arbeiten wir.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.