Die Cafeteria der Verbeke Foundation war früher ein Gewächshaus. Im hinteren Teil der Halle liegen Kunstbände zum Verkauf, an den Stellwänden hängen Fotografien und Collagen. Wo der Ausstellungsbereich anfängt und der Museumsshop und die Cafeteria enden, ist nicht klar zu erkennen. Besucherin Brigitte van der Velde:
"Das Museum wirkt ein bisschen unordentlich. Für mich muss es schön hergerichtet sein. Aber hier liegt da ein Draht, dort steht ein Eimer. Vielleicht soll das so sein. Aber mir gefällt es nicht. Nur die Tiere. Die fand ich interessant."
Was es mit den toten Tieren auf sich hat, werde ich noch herausfinden. Dass viele der Skulpturen und Kunstwerke in ihrem Haus ein bisschen vernachlässigt wirken, ist durchaus beabsichtigt, erklärt Tineke Schuurmaans, Sprecherin und eine der Kuratorinnen des Museums:
"Es geht um Vergänglichkeit. Dieser Kreislauf von Leben und Tod ist Teil der Arbeiten, die wir hier in der Verbeke Foundation zeigen. Außerdem wird alles wiederverwendet. Das gehört wirklich zu unserem Denken dazu. Genauso wie Natur und Zerfall."
Föten von Menschen und Tieren
Natur und Zerfall finde ich vor allem im Bereich BioArt. Hier sind unter anderem Exponate von niederländischen Künstlern wie Herman de Vries, Martin uit den Bogaard und Mandy den Elzen ausgestellt. Der Kopf einer toten Kuh zum Beispiel. Aber auch Föten von Menschen und Tieren sind hier zu sehen, in Gläsern eingelegt und durch eine Flüssigkeit haltbar gemacht. Ich bekomme Gänsehaut:
"Ich hoffe, dass es in dem Kunstwerk, in dem ich schlafen werde, etwas heimeliger ist und nicht so viel Tod um mich herum sein wird."
Übernachten kann man in der Verbeke Foundation in drei verschiedenen Kunstwerken. Die Skulpturen stehen alle im zwölf Hektar großen Außenbereich, umsäumt von Bäumen, neben einem künstlich angelegten Teich. Da ist "Blob vb3" – eine Art aufgeblasenes, haushohes, weißes Hühnerei des belgischen Architektenkollektivs dmvA. Wer es klassischer will, checkt in die grünen Zelte von Kevin van Braak ein, die er auf einem Metallgerüst meterhoch übereinander gesetzt hat. Doch ich werde in einem Darm übernachten, dem "CasAnus", den Künstler Joep van Lieshout hier aufgebaut hat. Über einen kleinen Holzsteg erreiche ich diese besondere Schlafstätte.
"So ich bin bei meiner Übernachtungsgelegenheit angekommen. Ja. Ein riesiger Darm. Mit Adern, die man sehr gut erkennen kann. Mit einer Tür und zwei Fenstern, wo man reinschaut. Mal gucken wie es drinnen aussieht. Es ist gemütlicher als es von außen aussieht. Aber schon auch so ein bisschen gewölbe- oder höhlenartig. Man hört glaube ich auch den Hall."
Neben dem Doppelbett steht ein Tisch mit vier Stühlen im "CasAnus". Es gibt sogar ein kleines Bad und einen Heizstrahler. Wie in einem geräumigen Wohnwagen. Nur mit niedriger Decke. Und für 120 Euro die Nacht.
"So jetzt kommt so ein bisschen der Moment der Wahrheit. Wie liegt es sich auf diesem Bett? Ziemlich weich. Gute Nacht."
"So ich bin aufgewacht. Tatsächlich nicht unbedingt vom Wecker. Sondern von den vielen Vögeln und Tieren. Die Nacht war ganz okay. Aber ich bin echt ganz schön durchgefroren. Man merkt schon, man schläft quasi draußen. Die Höhle birgt nicht so viel Wärme und Gemütlichkeit wie es danach aussieht."
"Die Menschen sollen sich frei fühlen"
"Jetzt hab ich auch wirklich dieses Gefühl von 'Huch, ich bin hier und sonst ist niemand da'. Ich geh hier an Skulpturen vorbei. Jetzt fühlt es sich wirklich so ein bisschen an wie nachts allein im Museum. Aber es ist zum Glück schon Morgen. Und das heißt: Es gibt Frühstück."
Carla Verbeke: "Wat will uw drinken?"
Katharina Peetz: "Een koffie."
Katharina Peetz: "Een koffie."
In der Cafeteria treffe ich die beiden Kunstsammler Carla und Geert Verbeke. Mehrere Hundert Besucherinnen und Besucher haben in ihrem Museum in den vergangenen zwölf Jahren eingecheckt. Ziel des Übernachtens in Kunstwerken sei es, sich von den strengen Verhaltensregeln in anderen Museen abzuheben, sagt Geert Verbeke:
"Die Menschen sollen sich frei fühlen. In anderen Museen darf man nichts anfassen. Hier kann man sogar darin schlafen."
Die Verbekes wählen ihre Kunstwerke nach Gefühl aus. Bekannte Künstlernamen sind ihnen nicht wichtig. Dass die Verbeke Foundation nicht als offizielles Museum anerkannt ist, kümmert sie nicht. Nach meiner Nacht im "CasAnus" verstehe ich den Denkansatz der Verbeke Foundation etwas besser. Ich denke darüber nach, wie angenehm es ist, so reduziert zu leben. Essen, Verdauen, Schlafen. Ich fühle mich der Natur, den Pflanzen und Tieren um mich herum ein Stück näher. Und nehme mich selbst nicht mehr so wichtig. Schließlich bin ich nur ein kleiner Teil dieses vergänglichen Kosmos. Das ist durchaus die Idee hinter der Skulptur von Joep van Lieshout, wie Sprecherin und Kuratorin Tineke Schuurmans erklärt:
"Was Geert und Joep van Lieshout gemeinsam haben, ist, dass sie sehr unabhängig sind. Bei allem was sie tun oder kreieren, spielt Unabhängigkeit eine große Rolle. Joep hat schon vorher Werke gemacht, in denen er komplett autark leben konnte. Im CasAnus könnte man ganz normal leben. Aber es geht auch darum, humorvolle, ungewöhnliche Dinge zu tun. Es ist fast schon Pop-Art."
Dank der Tasse Kaffee werde ich langsam richtig wach. Diese besondere Nacht in einem Kunstwerk muss ich erstmal verdauen.