Jule Reimer: Erneut hat ein Lebensversicherer ein Grundsatzurteil zu einem verlustreichen Versicherungsvertrag verhindert. Ende vergangener Woche zahlte das britische Unternehmen Clerical Medical einer Klägerin plötzlich über 250.000 Euro, kurz bevor der Bundesgerichtshof zu dem Fall eigentlich ein Grundsatzurteil fällen sollte. Es ging um eine fondsgebundene Lebensversicherung, zu deren Finanzierung die Klägerin einen Kredit aufgenommen hatte - alles kein Problem, denn der Vermittler hatte ja einen satten Wertzuwachs von über acht Prozent versprochen. Der trat aber nicht ein.
In Hamburg bin ich mit dem Rechtsanwalt Joachim Bluhm verbunden. Herr Bluhm, Sie gehen unter anderem für die Verbraucherzentrale Hamburg in einer Sammelklage in mehreren Fragen gegen Lebensversicherer vor. Dieses klein beigeben rund eine Woche vor dem Prozess vor dem BGH, hat dieses Vorgehen bei Lebensversicherern Methode?
Joachim Bluhm: Das ist leider so und dafür gibt es auch einen guten Grund, denn diese Aufrechterhaltung des Zustands der Ungewissheit hat zur Folge, dass viele Versicherungsnehmer Angst haben, ihre Rechte in die Hand zu nehmen. Irgendwann wird es dann eine Entscheidung geben, doch sind bis dahin weitere Millionen verjährt. Also es hat System und es ist ein Ärgernis.
Reimer: So ein Klageweg - Sie haben es ja bereits angedeutet - kann sehr lange werden, mit Gegenklage, Revision et cetera bis hoch zum BGH. Kann ich mir das als Kleinanleger irgendwie erleichtern, zum Beispiel indem ich mich verbünde mit anderen Betroffenen?
Bluhm: Wer eine Rechtsschutzversicherung hat, kann natürlich dort sein Glück versuchen. Aber ansonsten - Sie sprechen es an - gibt es die Möglichkeit, dass sich einzelne Verbraucher mit eher kleinzelligen Forderungen zu einer Klägergemeinschaft, zu einer sogenannten Streitgenossenschaft zusammenschließen und dann das tun, was man Sammelklage nennt. Das ist eine Möglichkeit, die die Kosten für den Einzelnen sehr senken kann, die auch so ein gewisses Zusammenhaltsgefühl erzeugt und die auch dazu führt, dass die Versicherer aus Imagegründen und Kostengründen von solchen Abbruchaktionen, also Prozessbeendigungen, dann eher absehen. Das kann man machen. Es geht aber nur, wenn die Fälle weitestgehend übereinstimmen und wenn man Glück hat und das Gericht von einer Prozesstrennung absieht. Leider haben die Gerichte die Möglichkeiten, solche Streitgenossenschaften aufzutrennen, und dann bleibt der Kostenvorteil aus. Das Risiko muss man im Auge behalten.
Reimer: Also auch ein Risiko, gemeinsam klagen. Was bleibt denn dann überhaupt?
Bluhm: Na ja, was bleibt? - Man kann versuchen, eine Verbraucherzentrale oder eine andere Verbraucherschutzorganisation für das Thema zu sensibilisieren. Wenn das Thema den Einzelfall übersteigende Bedeutung hat, wenn es also beispielsweise um die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit ganz bestimmter Versicherungsbedingungen oder um die Unlauterkeit bestimmter Werbeaussagen geht, die dann aber auch in einer größeren Zahl erfolgt sein müssen, auch beweisbar erfolgt sein müssen, wenn man also auf diesem Wege gegen AGB oder gegen bestimmte unlautere Wettbewerbshandlungen vorgehen kann, dann werden meistens auch die Verbraucherzentralen tätig und machen von ihrer sogenannten Verbandsklagebefugnis gebrauch. Das hat den Vorzug, dass die dort ergehenden Entscheidungen für und gegen alle Versicherungsnehmer im Verhältnis zu diesem jeweiligen Versicherer gelten. Das heißt, die rechtlichen Grundfragen werden geklärt und dann kann sich der einzelne Versicherungsnehmer bei einem stark reduzierten Prozesskostenrisiko dranhängen, denn wie gesagt, die Einzelfragen sind ja geklärt. Aber wichtig ist, der einzelne Verbraucher muss immer die Verjährungsgefahr im Auge haben, denn diese Verbandsklage hemmt die Verjährung beim einzelnen Versicherungsnehmer nicht.
Reimer: Also nur eingeschränkte Möglichkeiten. - Lebensversicherer blockieren Grundsatzurteile. Danke für diese Informationen an den Verbraucheranwalt für Versicherungsfragen, Joachim Bluhm.
Bluhm: Bitte sehr.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
In Hamburg bin ich mit dem Rechtsanwalt Joachim Bluhm verbunden. Herr Bluhm, Sie gehen unter anderem für die Verbraucherzentrale Hamburg in einer Sammelklage in mehreren Fragen gegen Lebensversicherer vor. Dieses klein beigeben rund eine Woche vor dem Prozess vor dem BGH, hat dieses Vorgehen bei Lebensversicherern Methode?
Joachim Bluhm: Das ist leider so und dafür gibt es auch einen guten Grund, denn diese Aufrechterhaltung des Zustands der Ungewissheit hat zur Folge, dass viele Versicherungsnehmer Angst haben, ihre Rechte in die Hand zu nehmen. Irgendwann wird es dann eine Entscheidung geben, doch sind bis dahin weitere Millionen verjährt. Also es hat System und es ist ein Ärgernis.
Reimer: So ein Klageweg - Sie haben es ja bereits angedeutet - kann sehr lange werden, mit Gegenklage, Revision et cetera bis hoch zum BGH. Kann ich mir das als Kleinanleger irgendwie erleichtern, zum Beispiel indem ich mich verbünde mit anderen Betroffenen?
Bluhm: Wer eine Rechtsschutzversicherung hat, kann natürlich dort sein Glück versuchen. Aber ansonsten - Sie sprechen es an - gibt es die Möglichkeit, dass sich einzelne Verbraucher mit eher kleinzelligen Forderungen zu einer Klägergemeinschaft, zu einer sogenannten Streitgenossenschaft zusammenschließen und dann das tun, was man Sammelklage nennt. Das ist eine Möglichkeit, die die Kosten für den Einzelnen sehr senken kann, die auch so ein gewisses Zusammenhaltsgefühl erzeugt und die auch dazu führt, dass die Versicherer aus Imagegründen und Kostengründen von solchen Abbruchaktionen, also Prozessbeendigungen, dann eher absehen. Das kann man machen. Es geht aber nur, wenn die Fälle weitestgehend übereinstimmen und wenn man Glück hat und das Gericht von einer Prozesstrennung absieht. Leider haben die Gerichte die Möglichkeiten, solche Streitgenossenschaften aufzutrennen, und dann bleibt der Kostenvorteil aus. Das Risiko muss man im Auge behalten.
Reimer: Also auch ein Risiko, gemeinsam klagen. Was bleibt denn dann überhaupt?
Bluhm: Na ja, was bleibt? - Man kann versuchen, eine Verbraucherzentrale oder eine andere Verbraucherschutzorganisation für das Thema zu sensibilisieren. Wenn das Thema den Einzelfall übersteigende Bedeutung hat, wenn es also beispielsweise um die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit ganz bestimmter Versicherungsbedingungen oder um die Unlauterkeit bestimmter Werbeaussagen geht, die dann aber auch in einer größeren Zahl erfolgt sein müssen, auch beweisbar erfolgt sein müssen, wenn man also auf diesem Wege gegen AGB oder gegen bestimmte unlautere Wettbewerbshandlungen vorgehen kann, dann werden meistens auch die Verbraucherzentralen tätig und machen von ihrer sogenannten Verbandsklagebefugnis gebrauch. Das hat den Vorzug, dass die dort ergehenden Entscheidungen für und gegen alle Versicherungsnehmer im Verhältnis zu diesem jeweiligen Versicherer gelten. Das heißt, die rechtlichen Grundfragen werden geklärt und dann kann sich der einzelne Versicherungsnehmer bei einem stark reduzierten Prozesskostenrisiko dranhängen, denn wie gesagt, die Einzelfragen sind ja geklärt. Aber wichtig ist, der einzelne Verbraucher muss immer die Verjährungsgefahr im Auge haben, denn diese Verbandsklage hemmt die Verjährung beim einzelnen Versicherungsnehmer nicht.
Reimer: Also nur eingeschränkte Möglichkeiten. - Lebensversicherer blockieren Grundsatzurteile. Danke für diese Informationen an den Verbraucheranwalt für Versicherungsfragen, Joachim Bluhm.
Bluhm: Bitte sehr.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.