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Verbraucherinsolvenzen
Weniger Privatleute in der Pleite

Verbraucherschützer warnen schon länger davor, dass die niedrigen Zinsen Banken dazu verlocken, großzügig Kredite zu vergeben, ohne darauf zu achten, dass Kreditnehmer über ausreichend Eigenkapital verfügen. Eine Privatpleite ist schneller eingetreten als mancher denkt. Derzeit allerdings ist die Zahl der Verbraucherinsolvenzen auf dem tiefsten Stand seit zehn Jahren.

Von Michael Braun |
    Ein Geschäftsmann zeigt seine geldleeren Hosentaschen
    Mit ihrem steigenden Anteil an der Bevölkerung entfallen auch immer mehr Insolvenzen auf die geburtenstarken Jahrgänge der Altersgruppen 50plus. (imago)
    Gute Nachricht von einer der großen Wirtschaftsauskunfteien: Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen ist 2015 auf einem Zehn-Jahres-Tief angekommen. Sie sank deutlich, um fast neun Prozent. 79.000 Menschen haben dieses Lahr eine Privatinsolvenz angemeldet. In und nach der Finanzkrise lag die Zahl oft höher als 100.000. Michael Bretz, Leiter der Wirtschaftsforschung bei der Auskunftei Creditrefom, weiß, dass die Privatinsolvenz immer noch mit einem Stigma verbunden ist, immer noch großen, auch juristischen Aufwand erfordert. Dennoch werde sie zunehmend als Instrument der Entschuldung akzeptiert:
    "Die Option, eine Privatinsolvenz in die Wege zu leiten, liegt ja einzig und allein beim Verbraucher. Und dieses Instrument findet einfach breiteren Anklang."
    Verschuldung durch Smartphones
    Creditreform hat beobachtet, dass jüngere Erwachsene unter 30 Jahren einen wachsenden Anteil unter den Privatinsolvenzen ausmachen. In diesem Jahr befanden sich 15,4 Prozent der Betroffenen in dieser Altersgruppe. Vor zwei Jahren waren es 14,6 Prozent. Das Smartphone und die damit erzeugten Kosten sind immer noch ein wichtiger Treiber, der junge Leute in finanzielle Engpässe bis hin zur Überschuldung treibt.
    Mit ihrem steigenden Anteil an der Bevölkerung entfallen auch immer mehr Insolvenzen auf die geburtenstarken Jahrgänge der Altersgruppen 50plus. Senioren, die älter als 70 sind, nutzen die Privatinsolvenz weiterhin nur selten zur Entschuldung. Bretz unterscheidet zwei Formen von Überschuldung, die in die Privatinsolvenz führen:
    "Das eine ist die Not. Die ist geringer. Wir haben weniger Arbeitslose. Und auf der anderen Seite gibt es natürlich auch eine Konsumverschuldung. Das heißt: Sie haben einen Arbeitsplatz. Sie bekommen billigen Konsumentenkredit – das ist ja geradezu ein Marketinginstrument geworden. Und das regt natürlich an, das motiviert, sich zu verschulden. Und diese Verschuldung kann dann in die Überschuldung münden."
    Stabile Beschäftigungslage
    Dass die Privatinsolvenzen auf ein Zehn-Jahres-Tief gesunken sind, hängt vor allem mit dem wirtschaftlichen Umfeld zusammen. Rolf Bürkl von der Gesellschaft für Konsumforschung beschrieb das kürzlich aus Verbrauchersicht so:
    "Wir haben eine sehr stabile Beschäftigungslage. Wir haben Monat für Monat neue Rekordstände bei der Zahl der Erwerbstätigen. Wir haben eine sehr gute Einkommensentwicklung für die Beschäftigten, die auch real deutlich mehr in ihren Portemonnaies haben, weil die Inflation nahe der Nulllinie sich bewegt. Und das ganze wird natürlich noch gestützt durch die sehr niedrige Sparneigung. Durch die Nullzins-Politik der EZB ist Sparen nicht sehr attraktiv."
    Wenn das Zinsniveau markant steigen würde, dürfte die Zahl der Privatinsolvenzen auch wieder steigen. Dann drückte die Schuldenlast stärker und auch Menschen, die sie jetzt noch tragen können. Erfahrungsgemäß steigt die Zahl der Privatinsolvenzen auch kurz vor der Rente: Dann wollen sich viele Überschuldete von ihrer Last befreien, sicher auch, weil sie nicht mehr wissen, wie sie sie abarbeiten können.