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Verbraucherrechte bei Beherbergungsverbot
"Die Rechtslage ist unklar"

Wenn Verbraucher eine Reise aufgrund des in einigen Bundesländern geltenden Beherbungsverbots nicht oder verspätet antreten können, sei das eine Situation, die es so bisher noch nie gegeben habe, sagte Verbraucherschützerin Beate Wagner im Dlf. Kostenfrei von dem Buchungsvertrag zurücktreten, sei aber schwierig.

Beate Wagner im Gespräch mit Susanne Kuhlmann |
Blick auf Strandkörbe und den Strand in St. Peter-Ording
Auch in Schleswig-Holstein gilt das Beherberungsverbot, die rechtlichen Konsequenzen wurden aber noch nicht ausreichend von Gerichten geklärt. (Gettyimages / Stuart Franklin)
Mehr als acht Stunden hat das Treffen der Bundeskanzlerin mit den Länderchefinnen und Chefs gestern gedauert. Dabei ging es um die zentrale Frage, was muss passieren, damit der rasche Anstieg der Corona-Infektionen in der Bevölkerung abgebremst wird?
Ungelöst bleibt zunächst der größte Streitpunkt: das Beherbergungsverbot, das in einer Reihe von Bundesländern gilt. Das soll am 8. November, also nach den Herbstferien, überprüft werden.
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Beate Wagner von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen über die rechtlicher Perspektive für Menschen, die in dieser Zeit eine Reise gebucht oder geplant haben.
Susanne Kuhlmann: Was bedeutet das für die Menschen?
Beate Wagner: Das bedeutet, dass man auch weiterhin sich zunächst einmal bei der Buchung oder dann vor Reiseantritt genau erkundigen muss, unter welchen Voraussetzungen man in das Bundesland, in dem die Unterkunft etwa liegt, einreisen kann.
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Heike Werner lehnt das Beherbergungsverbot ab. Die Linken-Politikerin sagte, mit dieser Regelung werde die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen insgesamt untergraben. "Man darf keine Stigmatisierung vornehmen für Menschen aus einer bestimmten Region", so Werner.
Kuhlmann: Ist das Beherbergungsverbot ein Grund, eine Reise kostenfrei zu stornieren?
Wagner: Wenn es nur ein Beherbergungsverbot wäre, dann würde ich sagen ja, dann läge ein Fall der Unmöglichkeit vor. Wir haben aber in den meisten Fällen die Möglichkeit, den Nachweis eines negativen Corona-Tests vorzulegen. Für den Fall gilt dann dieses Beherbergungsverbot nicht. Insofern halten wir auch das nicht für einen Fall der Unmöglichkeit und insofern können Sie nicht kostenfrei von dem Buchungsvertrag zurücktreten.
Kuhlmann: Dieser Corona-Test, der nicht älter als 48 Stunden sein darf und ein negatives Ergebnis haben muss - was, wenn man den nicht schnell genug bekommt und erst einen oder zwei Tage später an seinem Zielort ankommt? Muss man dann auch für die Tage, die man noch nicht da sein konnte, bezahlen?
Wagner: Wir meinen, nein. Auch wenn der Umstand, dass man an diesen Test nicht rechtzeitig zu Reisebeginn herankommt, nicht dazu berechtigt, kostenfrei von dem jeweiligen Vertrag zurückzutreten, meinen wir aber doch: Dann, wenn den Verbraucher keinerlei Verschulden trifft, wenn einfach die Kapazitäten der Testzentren nicht ausreichen, dann muss für die Tage, die die Reise deswegen verspätet angetreten werden kann, auch der entsprechende Preis nicht bezahlt werden.
Allerdings immer unter dem Vorbehalt – Sie haben es eingangs erwähnt -, eine solche Situation hat es noch nie gegeben. Das heißt, es gibt dazu auch keinerlei Rechtsprechung. Das heißt, die Rechtslage ist unklar. Das ist das, was wir anhand allgemeiner Grundsätze einschätzen.
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"Ein positives Testergebnis ist wie jede andere Krankheit"
Kuhlmann: Was passiert denn, wenn das Testergebnis positiv sein sollte? Ist man dann krank?
Wagner: In einem solchen Fall meinen wir, dass ein positives Testergebnis wie jede andere Krankheit auch in den Risikobereich des einzelnen Reisenden fällt. Das heißt: Wenn man dann nicht reisen kann, dann müsste man das, was an Vergütung vereinbart worden ist, bezahlen. Abzuziehen wären die ersparten Aufwendungen für den Vermieter.
Gespräch mit dem Vermieter suchen
Kuhlmann: Sie sagten eben, die aktuelle Situation ist auch für Rechtsexpertinnen wie Sie Neuland und kann sich unter Umständen ja auch schnell ändern, je nachdem wie sich die Corona-Zahlen entwickeln. Was raten Sie reisewilligen Menschen vor diesem Hintergrund?
Wagner: In solch einer Situation ist es immer sinnvoll, erst mal das Gespräch mit dem jeweiligen Vertragspartner – sei es ein Hotelier oder dem Eigentümer der Unterkunft – zu suchen und sich zu erkundigen, was ist denn einvernehmlich möglich. Ich habe schon durchaus gehört, dass der Vermieter einer Ferienwohnung gar kein Problem damit hatte, den aus einem Risikogebiet kommenden Reisenden aus diesem Vertrag zu entlassen, weil er sagte, ich kann sie zwei-, dreimal weitervermieten – auch ganz aktuell.
Kuhlmann: Es ist noch abzuwarten und zu schauen, wie sich die Situation weiter entwickelt, oder?
Wagner: Da werden wir in der nächsten Zeit nicht umhin kommen. Wir wissen jetzt eigentlich nur, dass nichts sicher ist, und das, was wir wissen, kann sich auch noch jederzeit ändern.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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