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Verbraucherschützer
"Lebensversicherung wird noch unattraktiver"

Die Bundesregierung will die Regeln für Lebensversicherungen ändern: Der Garantiezins soll gesenkt werden und auch an den mit ihren Prämien erwirtschafteten Gewinnen sollen die Kunden nicht mehr direkt beteiligt werden. Rita Reichard von der Verbraucherzentrale NRW rät deshalb von Lebensversicherungen ab.

Rita Reichard im Gespräch mit Stefan Römermann |
    Stefan Römermann: Das Bundesfinanzministerium hat eine ganze Reihe von Änderungen bei Lebensversicherungen angekündigt. So sollen die Ausschüttungen der sogenannten Bewertungsreserven gesenkt werden und die Garantiezinsen gesenkt werden. Bundesregierung und Versicherungsbranche sehen darin eine Verbesserung für Versicherte. Doch ist das wirklich so? Das möchte ich jetzt klären mit Rita Reichard von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Guten Morgen, Frau Reichert. Vielleicht erklären Sie zuerst: Was sind denn eigentlich diese Bewertungsreserven?
    Rita Reichard: Hallo, Herr Römermann. Bewertungsreserven entstehen bei Kursgewinnen von fest verzinslichen Wertpapieren wie zum Beispiel Anleihen. Und da zurzeit die Zinsen, wie Sie schon sagten, sehr niedrig sind, sind die Kursgewinne dieser Anleihen sehr hoch.
    Römermann: Ist das dann nicht absolut gerechtfertigt, dass diese zukünftig nicht mehr ausgeschüttet werden sollen?
    Reichardt: Das Bundesverfassungsgericht hat ja im Jahre 2005 entschieden, dass die Versichertengemeinschaft an diesen Kursgewinnen beteiligt werden soll, weil die Kursgewinne ja auch aufgrund der Prämieneinnahmen überhaupt entstanden sind. Der Versicherer kauft Anleihen mit den Einnahmen und wenn sich dann dort Kursgewinne ergeben, soll der Versicherungsnehmer daran beteiligt werden. Das wurde 2008 gesetzlich verankert. Der ist zur Hälfte an den Bewertungsreserven zu beteiligen, der Versicherungsnehmer, und das will die Bundesregierung jetzt abschaffen.
    Römermann: Wie beurteilen Sie insgesamt das Maßnahmenpaket? Es sollen ja auch die Garantiezinsen gesenkt werden. Das klingt jetzt auch erst mal nicht so besonders verlockend für Verbraucher?
    Reichard: Ja, richtig. Die Senkung der Garantiezinsen heißt natürlich, dass das Produkt Lebensversicherung noch unattraktiver wird. Auch die Streichung der Bewertungsreserven würde natürlich dazu führen, dass am Ende, wenn die Versicherung ausbezahlt wird, noch weniger dabei herauskommt. Wir sehen zurzeit keinen Handlungsbedarf dafür, dass der Versicherer die Bewertungsreserven streichen muss. Den Versicherern geht es nach wie vor gut. Es gibt andere Pakete, andere Hilfsmaßnahmen, die getroffen werden können. Aus unserer Sicht ist das nicht notwendig, den Versicherern geht es nach wie vor gut.
    "Wir raten sowieso vom Abschluss einer Lebensversicherung ab"
    Römermann: Was würden Sie denn sagen, ist an diesem gesamten Bündel besonders problematisch für Verbraucher?
    Reichard: Besonders problematisch ist die Streichung der Bewertungsreserven, weil das ist ein großer Anteil, der dann am Schlussgewinn für mich dabei herumspringt.
    Römermann: Sie sagen, großer Anteil. Vielleicht können wir es, ich sage mal, bei einem typischen Versicherungsvertrag sagen. Wie viel macht so was aus?
    Reichard: Das hängt davon ab, wie lange der Vertrag läuft und wie viel Prämien ich zahle, wie hoch meine Prämie ist. Das kann bei einem gut laufenden Vertrag ein paar Tausend Euro sein. Bis zu 8000 Euro können das sein, die dann am Ende fehlen.
    Römermann: Was muss ich mir denn vorstellen? Inwiefern ist denn eine Lebensversicherung auch jetzt schon überhaupt noch eine sinnvolle Vorsorge fürs Alter? Das wird ja zunehmend unattraktiver.
    Reichard: Ja, richtig. Wir raten sowieso vom Abschluss einer Lebensversicherung ab, weil bei der Lebensversicherung haben wir ein Sparen und Versichern in einem Produkt. Ein Teil meiner Prämie wird für den Sparanteil genommen, ein anderer für den Kostenanteil und ein dritter Teil der Prämie geht für den Risikoanteil dabei drauf. Es wird nur ein kleiner Anteil meiner Prämie überhaupt für den Sparvorgang verwendet. Das Produkt ist dadurch sehr teuer, und deshalb raten wir dazu, Sparen und Versichern immer zu trennen.
    Römermann: Vielen Dank für diese Auskünfte – Rita Reichard von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Schönen Tag noch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.